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Corona-Krise: Der Glaube als Kraftquelle

Trauer, Müdigkeit und auch mal Tatenlosigkeit gehören in der Krise dazu. Woher kann neue Kraft kommen?

Von Pfarrer Sebastian Steinbach

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Ja, ja. Gewiss doch. Die Corona-Krise ist eine Chance. Was hat sich in unserer Kirchengemeinde (und überhaupt in unseren Landeskirchen) in den vergangenen 12 Monaten alles entwickelt und verändert! Ich selber habe mich entwickelt. Im digitalen Bereich habe ich schwindelerregend viel Neues ausprobiert: Tagzeitengebet-Podcasts. Gottesdienst-Livestreams. Einen Silvestergottesdienst per Zoom. Einen Online-Weihnachtsgottesdienst, so richtig mit Regisseur und Beleuchtung. Einen Online-Alphakurs. Ich durfte einen TED-Talk zum Thema „Stille“ halten. Ich habe kleine Clips produziert zum Thema Gebet. Ich habe es mir digital richtig gegeben. Und ja: Vieles davon hat Spaß gemacht. Und gleich noch mal ja: Manches davon war sogar erfolgreich und hat seinen Weg gefunden zu Menschen, denen die Angebote gutgetan haben. Gott hat es gesegnet. Die Corona-Krise ist eine Chance.

Dem Enthusiasmus folgt Müdigkeit

Aber: Ich bin auch unfassbar müde. Ich bin innovationsmüde. Die ständig neuen Corona- Nachrichten und -Verordnungen ermüden mich. Ich habe keine Lust und keine Kraft mehr, im analogen Bereich für die Tonne zu arbeiten, weil kurz vor Veranstaltungsbeginn die Inzidenzzahlen oder neue Regelungen doch eine Absage nötig machen. Ich vermisse unser altes Gemeindeleben von früher – so richtig mit Begegnungen von Angesicht zu Angesicht, gemeinsam getrunkenem Bier und herzlicher Umarmung zum Abschluss. Ich habe genug davon, am Schreibtisch zu sitzen und irgendwelche digitalen Angebote zu entwerfen, zu erstellen und dann rauszuschicken in den (weitgehend) resonanzlosen Äther. Ich habe mich leer gedacht und bin des Digitalen überdrüssig. Das Digitale schmeckt für mich nach Fast Food und hinterlässt zunehmend einen schalen Geschmack.

Ich leide darunter, dass bei uns bis auf die Gottesdienste schon lange nichts „Analoges“ mehr stattfindet. Unser Gemeindeleben ist karg, kalt und dürr: die Gesichter halb verborgen, die wenigen Besucher dick in ihre Wintermäntel eingepackt und immer alles schön steril und mit Sicherheitsabstand. Wenn all das wenigstens mit einer Entschleunigung meines Arbeitsalltags einherginge! Wenn all das in meinem Arbeiten wenigstens eine Art „Winterruhe“ mit sich gebracht hätte (wie auch die Pflanzen und Bäume im Winter ruhen und neue Kraft sammeln)! Gewiss: Ich habe weniger Termine. Und ich bin weniger unterwegs. Aber meine Wochen laufen irgendwie trotzdem voll. Und all die Innovation, all die Ungewissheit kosten mich gewaltig viel Kraft, mein Inneres kommt nicht zur Ruhe. Im Hintergrund laufen stets Fragen mit, wie: „Was bedeutet diese Krise für uns als Kirche?“, „Was brauchen unsere Gemeindeglieder – und was davon können wir ihnen geben?“, „Was sollen wir tun? Und was sollen wir lassen?“, „Was denkt eigentlich Gott über die Krise?“ Ich merke: Ich sehne mich nach Orientierung. Und ich finde sie auf mich allein gestellt nicht.

Kraftquelle: Gemeinsames Hinhören

Eine echte Quelle der Kraft ist mir deshalb die Regio-Gruppe unseres Netzwerks churchconvention. Einmal im Monat treffen wir uns (entweder analog in Tübingen oder digital auf Zoom) zu „CC Hören“. Nach einer Zeit des Austauschs und des Lobpreises stellen wir Gott eine Frage und gehen dann in die Stille. Im Anschluss teilen wir, was wir innerlich gehört haben. Im Herbst und im Winter des vergangenen Jahres haben wir Gott diese drei Fragen gestellt: „Herr, was sind deine Gedanken über diese Krise?“, „Was sollen wir tun?“, „Was sollen wir lassen?“ Mir sind die Ergebnisse dieses Hörens innerlich zu einer wichtigen Richtschnur geworden. Ich teile hier mal die wesentlichen Punkte:

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Aufhören

Wir hatten den Eindruck, dass wir aufhören sollen, die Kirche retten zu wollen. „Hört auf zu denken, dass ihr diese Krise nutzen müsst. Hört auf damit, euch zu überfordern und zu denken, durch mehr Machen würde etwas besser werden.“

Stille zulassen und suchen

Wir hatten den Eindruck, dass Gott uns ermutigt, mitten in allem Lauten und Ungewissen vertrauensvoll stillzuhalten. Innezuhalten. Das Ungewisse auszuhalten. Eine Art Winterruhe zu halten. Einfach mal nur „zu sein“. Und den Worten Gottes zu vertrauen, der spricht: „Ich bin im Regiment. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

„Ich habe mich leer gedacht und bin des Digitalen überdrüssig.“

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Sterben

Mehrere von uns empfingen in der Stille Worte oder Bilder, die von einem Sterbeprozess sprachen: Dass Formen und Selbstverständlichkeiten zerbrechen, die uns wichtig und kostbar sind. Dass in unseren Gemeinden und Kirchen durch die Krise wirklich etwas kaputtgeht und Schaden nimmt.

Verunsicherung und Kontrollverlust

Eine von uns hatte innerlich ein Bild vom Langlaufen vor Augen, wenn es einen Hügel hinuntergeht, man immer schneller wird und die Kurve immer näher kommt. Es ist ein Bild für Hilflosigkeit und Kontrollverlust. Wir haben das Wesentliche nicht in der Hand.

Demut, Buße und Umkehr

Immer wieder tauchten diese drei Worte auf: Demut, Buße und Umkehr. Wir haben das Gefühl, dass Gott eine neue Haltung der Abhängigkeit von ihm in uns einüben will. Dass wir verlernen sollen, auf alles immer gleich eine Antwort zu haben. Dass Gott unseren Fokus auf ihn selbst, auf den Herrn der Kirche, schärfen will.

Freiheit

Auch dieses Wort begegnete uns immer wieder. In all dem Sterben, den Veränderungen und Umbrüchen lässt Gott neue (innere und äußere) Freiheiten entstehen. Wir hatten das Gefühl, dass Gott uns ermutigt, diese Freiheiten bewusst zu suchen und zu nutzen und nicht so sehr auf das zu starren, was wir verlieren, was nicht mehr möglich ist.

Hoffnung

Und dann haben wir immer aufs Neue gespürt und gehört, dass wir in all dem und über all dem hoffen dürfen. Dass Gott uns zur Hoffnung beruft – gerade im Gegenüber zur vielfach herrschenden Angst, Aggressivität oder Gleichgültigkeit. „Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, spricht der Herr.“ (Jeremia 31,17)

Es sind diese „Hör-Ergebnisse“, die mir in den letzten Monaten in meiner Müdigkeit Halt und Kraft gegeben haben und die mir Mut und Orientierung geben in meinem Denken und Tun.

Links:

TED-Talk zum Thema „Stille“

Podcast Lebens Liturgien


Diesen Artikel schrieb Sebastian Steinbach für das Kirchenmagazin „3E – echt, evangelisch, engagiert„. 3E erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.


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1 Kommentar

  1. Als Gott das von Himmel sah, ist er eingeschlafen

    Woher kann neue Kraft kommen – fragt Pfarrer Sebastian Steinbach. Nach meinen doch in einem relativ langen Leben gemachten unterschiedlichen Glaubenserfahrungen kann ich weder mich selbst, noch die Kirche oder die Welt retten. Dies kann letztlich nur Gott alleine. Aber auch je öfter ich den sehr lesenswerten Artikel lese, um so weniger wird mir klar, wo denn die Perspektiven einer Krise, auch der Corona-Krise liegen. Denn Krisen sind wirklich Ereignisse sowohl im persönlichen als auch im gemeinschaftlichen Leben, die Chancen eröffnen. Sie sind sogar unbedingt notwendig. Am Ende des Textes hat mich dann der Bibelvers wieder mit dem Artikel ein wenig versöhnt: Zitat: „Und dann haben wir immer aufs Neue gespürt und gehört, dass wir in all dem und über all dem hoffen dürfen. Dass Gott uns zur Hoffnung beruft – gerade im Gegenüber zur vielfach herrschenden Angst, Aggressivität oder Gleichgültigkeit. „Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, spricht der Herr.“ (Jeremia 31,17). Einen solchen Satz stelle ich gerne über mein eigenes Leben. Denn diese Hoffnung ist ja nicht nur das „Prinzip Hoffnung“, sondern mehr noch ein doch großes Vertrauen in den Schöpfer aller Dinge, wenn wir bzw. ich diese besondere Form von Hoffnung denn wirklich haben.

    Ich lese viel Resignation. Zu recht etwa, wenn ich als nichttheologischer Mensch zum kirchlichen Bodenpersonal gehört habe und bereits seit Jahrzehnten in meiner damaligen Heimatgemeinde den sogenannten Traditionsabbruch erlebte – und all das Klagen über ihn. Dieses Ereignis war leise und still gekommen, hatte Wirklichkeit angenommen und man begegnete in der Gemeinde – so wie immer – stets den gleichen Menschen. Aber auch die gleichen Menschen wurden immer weniger. Gab es damals noch recht viele Gemeindegruppen und eine Kerngemeinde, so ist in meiner jetzigen Heimatkirchengemeinde, zwar bei wunderbaren übergemeindlichen Angeboten, die sogenannte Kerngemeinde restlos nicht mehr vorhanden. Es gibt einfach keine Gemeindegruppen mehr. Offensichtlich haben auch die Hauptamtlichen resigniert, während sich die Gemeindeleitenden und die anderen Ehrenamtlichen fast zu Tode arbeiten, um den Routinebetrieb aufrecht zu erhalten. Die Pandemie mit ihren wunderschönen und phantasievollen Ideen sowie Netzgottesdiensten u. ä. erweckten Hoffnung, es könnte nun mit neuem Schwung weiter voran gehen. Aber vielleicht sitzen doch wieder nur die 20 Rentner*innen maximal im Sonntagsgottesdienst, kein Vorkonfirmand gibt sich Ehre seiner Anwesenheit, die Predigten sind lang und oft langweilig. Das anwesende Kirchenvolk glaubt auch unausgesprochen, dass sie die letzte Generation Kirchgängerinnen und Kirchgänger sind. Reicht es da, nur auf Gott zu hoffen und daran zu glauben, dass die Gemeinde aus dem „Schlaf der Sicherheit“ aufwacht ? Müssen nicht, wenn wir beten und glauben dass wir (auch als Kirche) eine Zukunft haben (möchten), ebenso die Ärmel hochkrempelt werden. Weil die biblischen Pfunde (auf derzeit niedrigem Niveau) auch unbedingt vermehrt werden sollten. Ich frage mich, ob es nicht eine „Art von Unglaube“ ist, wenn wir den Heiligen Geist bitten zu wirken, (wenn wir dies überhaupt bitten würden) und damit die Vorstellung verbinden, er trüge uns wie von Geisterhand aus der Kirchenbank zu neuem Handeln. Das sind Fragen, die ich mir stelle. Vor allem weil auch jedes ernsthafte Gebet nicht nur dieses Gebet mit einschließt, sondern auch ein einzubringendes Engagement: „Bete und arbeite“!. So wie eine große Reise ja auch nicht mit der großen Reise beginnt, sondern mit dem ersten Schritt. Denn in der Pandemie gab so viele schöne Beispiele, wie es in der Präsenzwelt der kirchlichen Wirklichkeit auch geht: Gottesdienste im Freien, im Wald, Taufen im Schwimmbad, Gemeindefest oder Heirat im Autokino. Dass man nicht Kirche gestaltet wie die Fahrt der Straßenbahn, immer in der gleichen Richtung, auf den festgelegten Gleisen, im gleichen Trott. Ein kirchlicher Satiriker hätte dann vielleicht geschrieben: „Als Gott das vom Himmel aus ansah, ist er aus Versehen eingeschlafen. Und mit ihm auch die ganze Christenschar“! Eine Firma, die ihre (geistigen) Produkte so bewerben würde, wäre längst insolvent.

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