12.000 Tonnen, 841 Meter und 28 Tage: Eine gotische Kirche trotzte der Abrissbirne im tschechischen Most – und landete im Guinnessbuch der Rekorde.
Von Tim Bergen
Die Kirche Mariä Himmelfahrt, im Norden Tschechiens gelegen, war einst das spirituelle Zentrum der mittelalterlichen Stadt Most (Brüx). Errichtet wurde sie zwischen 1517 und 1597 im spätgotischen Stil auf den Fundamenten eines älteren Sakralbaus. Mit ihrer Länge von über 60 Metern und reichen Verzierungen war sie nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch Ausdruck bürgerlicher Selbstbehauptung in einer wirtschaftlich aufstrebenden Bergbauregion.
Abriss der Stadt für den Braunkohleabbau
In den 1960er Jahren beschloss die tschechoslowakische Regierung, die Stadt Most aufgrund des Braunkohleabbaus abzureißen. Zu der Zeit lebten dort etwa 65.000 Menschen. Die Stadt wurde zwischen 1964 und 1987 abgerissen und in der Nähe wiederaufgebaut.
Einen Teil der Abbrucharbeiten übernahm ein Filmteam von Metro-Goldwyn-Mayer für die Produktion des Hollywoodfilms Die Brücke von Remagen. Den Kampf um die Innenstadt von Remagen drehte das Filmteam in Most. Filmtechniker legten mithilfe von Dynamit einige Gebäude in Schutt und Asche, während dazu die Filmsoldaten Krieg spielten. Auf einer aktuellen Karte ist der Kohleabbau deutlich zu erkennen:
Was geschah mit der Kirche?
Die Kirche stand früher am Hang des Schlossbergs – mitten in der Altstadt. Sie hätte somit auch abgerissen werden müssen. Daher beschloss die Regierung die „Umsiedlung“ der Kirche. Es war die vielleicht die aufwendigste Bauwerksverschiebung der Geschichte. Zwischen 1971 und 1975 wurde das Fundament der Kirche freigelegt und stabilisiert. Man schob massive Stahlträger unter das Gebäude und installierte ein rollendes Transportsystem. Die Kirche wurde so, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von rund zwei Zentimeter pro Minute, an ihren neuen Platz bewegt. Der Umzug der Kirche begann am 30. September 1975 und dauerte bis zum 27. Oktober. In dieser Zeit legte sie eine Strecke von 841,1 Metern zurück. Dort wurde sie noch bis 1988 wieder aufgebaut und restauriert. Die Verschiebung der Kirche ist im Guinness-Buch der Rekorde als schwerstes auf Schienen transportiertes Objekt (12.000 Tonnen) eingetragen.
Ein Dokumentarfilm über die Stadt Most zeigt den Schienentransport der Kirche:
Eine Szene aus dem Spielfilm „Die Brücke von Remagen“ zeigt Sprengungen in der Stadt:
Hier finden Sie ein weiteres Kirchenbauwerk, das im Guinness-Buch der Rekorde zu finden ist.
Quellen: https://www.krusnehory.cz/de, https://www.kostel-most.cz/de, https://www.derstandard.at/, https://www.eisenbahn-im-film.de/, https://deutsch.radio.cz/
Cool, was für Storys die Redaktion auftreibt! Hatte noch nie davon gehört.
Sinnvolle Maßnahme
Ich kann gut verstehen, daß Leute an ihrem Kirchengebäude hängen. Sie abzureißen und – wenn möglich – woanders wieder aufzubauen, dürfte, wenn es im Kostensoll liegt, eine sinnvolle Maßnahme sein.