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„Gefangener des Führers“: Martin Niemöller wurde vor 75 Jahren ins KZ verschleppt

Vor 75 Jahren wurde die Symbolfigur der evangelischen Opposition gegen den Nationalsozialismus ins KZ verschleppt. Pfarrer Martin Niemöller hatte sich vom deutschnationalen U-Boot-Kommandanten zum Kritiker Hitlers gewandelt – und musste dafür büßen.

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 Angespannt betritt Martin Niemöller (1892-1984) am 2. März 1938 den Saal des Berliner Landgerichts. Der evangelische Pfarrer aus Berlin-Dahlem ist von der Geheimen Staatspolizei wegen staatsfeindlicher Äußerungen verhaftet worden. An diesem Tag wird das Urteil verkündet.

 Frei! Der von den Nationalsozialisten angefeindete Kirchenmann erhält eine erstaunlich milde Strafe: 2.000 Reichsmark und sieben Monate Festungshaft, die durch die Untersuchungshaft abgegolten sind. Doch das Gefühl der Freiheit währt nur Stunden.

 Niemöller wird von Gestapobeamten durch den Hintereingang des Gerichts abgeführt und in das nahe gelegene Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Ein Proteststurm setzt ein. Mehr als 3.000 Pfarrer fordern die Freilassung. Abordnungen von Kirchengemeinden aus allen Teilen des Reichs fahren nach Berlin und sprechen bei Behörden vor. Doch es nützt nichts.

 Adolf Hitler hat einen heftigen Wortwechsel mit dem unbeugsamen Pfarrer und ehemaligen U-Boot-Kommandanten des Ersten Weltkriegs vor vier Jahren nicht vergessen. Als «persönlicher Gefangener des Führers» sitzt Niemöller mehr als drei Jahre lang im KZ Sachsenhausen in Einzelhaft. Im Juli 1941 wird er in das KZ Dachau bei München gebracht und in eine Zelle mit drei katholischen Priestern gesperrt.

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 Der deutsch-national gesonnene Pfarrer, der noch 1933 ein Huldigungstelegramm an Adolf Hitler mit unterschrieb, gründete im selben Jahr den Pfarrernotbund. Dieser protestierte gegen die Anwendung des «Arierparagraphen» in der evangelischen Kirche, der Pfarrer und Kirchenbeamte jüdischer Herkunft in den Ruhestand zwang. Der Pfarrernotbund entwickelte sich zu einem Kern der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Übernahme der NS-Ideologie in der Kirche wehrte.

 Niemöllers Predigten wurden von Spitzeln aufgezeichnet, seinen «treuesten Kirchenbesuchern», wie der Pfarrer sie spöttisch nannte. Im Frühsommer 1937 liefen 40 Gerichtsverfahren gegen ihn. Am 19. Juni verlas Niemöller im Gottesdienst wieder einmal eine lange Liste von Kollegen, die mit Redeverbot belegt oder verhaftet wurden, und verteidigte sie. «Unsere Brüder und Schwestern können sich darauf berufen, dass sie den Auftrag eines Höheren haben, der uns durch sein Wort ruft zum Widerstand gegen die Propaganda des Unglaubens», predigte er.

 Niemöller zeigte sich hellsichtig: «Ich muss heute noch mal so reden, vielleicht kann ich es nächsten Sonntag nicht mehr.» Am 1. Juli wurde der Pfarrer von der Gestapo verhaftet. Fast acht Jahre später, am 3. Mai 1945, wurde die Symbolfigur des evangelischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus von US-Soldaten im Südtiroler Niederdorf/Villabassa befreit, wohin die SS prominente Gefangene in den letzten Kriegstagen verschleppt hatte.

 Seinen Schneid bewahrte sich Niemöller auch gegenüber den Befreiern. Als die Verhöre durch die Amerikaner in Wiesbaden kein Ende zu nehmen schienen, erzwang der Pfarrer am 19. Juni durch einen Hungerstreik seine Entlassung. Niemöller wirkte maßgeblich an der Neuformierung der evangelischen Kirche nach 1945 mit. «Die deutsche Kirche soll bekennen und mit ihr das deutsche Volk, dass es gesündigt hat vor Gott», verkündete er. Worte, die nicht jeder gerne hörte.

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 Bei der Neugründung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 1947 wurde Niemöller zum Kirchenpräsidenten gewählt, was er bis 1964 blieb. Von 1962 bis 1968 war er einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen. Die Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern war ihm wichtig, für seine Reise nach Moskau 1952 während des Kalten Kriegs in Europa und des Korea-Kriegs wurde er als «Agent Moskaus» und «Vaterlandsverräter» beschimpft. Sieben Jahre später sorgte er erneut für einen Eklat, als er in Kassel Eltern davor warnte, ihre Söhne zur Bundeswehr zu schicken und sie zum «Verbrecher» ausbilden zu lassen.

 Noch 1982 lehnte ein Bürgerverein seines Geburtsorts Lotte bei Osnabrück die Verleihung der Ehrenbürgerwürde mit den Worten ab, Niemöller habe «die Interessen der Deutschen verraten und deren Ruf schwer beschädigt». Der Gemeinderat verweigerte mehrheitlich die Verleihung. 1984 starb der bewunderte wie angefeindete Kirchenmann in seinem Wohnort Wiesbaden im Alter von 92 Jahren.

(Quelle: epd)

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