Die Kritik der deutsch-rumänischen Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller an der evangelischen Kirche wegen eines Vorfalls vor 20 Jahren ist nach Ansicht des Deutschen Evangelischen Kirchentages heute kaum noch zu belegen.
Eine Ausladung von Müller oder ihres damaligen Ehemannes Richard Wagner von einer Veranstaltung des Kirchentages 1989 im damaligen Westberlin sei nach derzeitigem Kenntnisstand «sehr unwahrscheinlich», sagte Kirchentagssprecher Rüdiger Runge am Dienstag in Fulda dem epd.
Es sei allerdings tatsächlich so gewesen, dass etliche Seiten Druck auf diese Veranstaltung ausüben oder Einfluss nehmen wollten, räumte Runge ein. So gebe es Berichte darüber, dass der damalige rumänische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland auf den damaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt vergeblich eingewirkt habe, nicht an der Veranstaltung teilzunehmen. Die Veranstaltung habe aber dennoch stattgefunden und die Situation in Rumänien sei dabei offen diskutiert worden.
Dies alles sei aber rückblickend aus den Erinnerungen der Beteiligten nicht verlässlich zu rekonstruieren, betonte Runge. Das von Herta Müller angegebene Gespräch habe zudem zwischen dem damaligen siebenbürgischen Bischof Albert Klein und Bischof Joachim Heubach stattgefunden, einem Bischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Müller habe dies als Gespräch mit der Kirchentagsleitung dargestellt. Bischof Heubach sei aber definitiv kein Mitglied der Kirchentagsleitung gewesen und war Runge zufolge auch nicht direkt an der Planung dieser Veranstaltung beteiligt.
Die Schriftstellerin Müller hatte am Sonntagabend bei einer Preisverleihung in Frankfurt beklagt, sie und ihr damaliger Mann seien im Jahr 1989 auf Verlangen Rumäniens vom Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin ausgeladen worden. Dies belege der Tonbandmitschnitt eines Telefonats, der ihr vor einigen Tagen anonym zugespielt wurde. Nun wirft Müller dem Kirchentag vor, dem Druck des Ceausescu-Regimes nachgegeben zu haben.
Auch der damalige Kirchentagspräsident, der früherer Verfassungsrichter Helmut Simon, halte eine Ausladung für «sehr unwahrscheinlich», berichtete am Dienstag das Internetportal «evangelisch.de». Der Kirchentag habe sich stets gegen Einmischungen von außen gewehrt.
Der damalige Generalsekretär des Kirchentages und spätere braunschweigische Landesbischof, Christian Krause, habe nach eigenem Bekunden keine Erinnerung an den Vorfall, heißt es weiter auf «evangelisch.de». Krause war auch Präsident des Lutherischen Weltbundes. Der Bischof der evangelischen Christen in Rumänien, Christoph Klein, war nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Sein namensgleicher Vorgänger Albert Klein (1910-1990) soll seinerzeit das jetzt bekanntgewordene Telefonat geführt haben.
(Quelle: epd)