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„Es geht darum, das Leben mit Gott zu teilen“

Dr. Robert Kümpel ist Domkapitular in Köln, Bischofsvikar und Domprediger. Mit Jesus.de sprach er über seinen persönlichen Glauben, Jesus Christus, Mystik, Evangelisation und die Liebe zur Kirche.

Herr Prälat Dr. Kümpel, was schätzen oder lieben Sie an Ihrer Kirche?

Klümpel: Mir fallen spontan drei Dinge ein. Erstens erlebe ich sie als eine Weltgemeinschaft, eine über die ganze Welt gespannte Glaubensgemeinschaft. Das kommt ganz einfach daher, dass wir in unserem Bistum auch Priester aus Indien, Afrika, Südamerika, ja, fast aus allen Erdteilen haben. Das ist für mich schon eine sehr eindrucksvolle Sache – und wichtig. Ich denke, dass wir hier in Europa oft zu sehr mit der „Nabelschau“ beschäftigt sind: Unsere Probleme, unsere Fragen. Dabei gibt es anderswo in der Welt ganz andere Themen und Erfahrungen – zum Teil auch Erfolge. Hier bei uns sind wir was Zahlen angeht ja tatsächlich nicht sonderlich gesegnet in den letzten Jahrzehnten. Aber an anderen Orten ist das eben völlig anders. Siehe das Beispiel Korea.

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Und diese Gemeinschaft eint auch, dass der Bischof von Rom, der Papst, eine ganz besondere Repräsentations- und Leitfigur ist. Wenn man nach Rom kommt und sieht, aus wie vielen Ländern dort Menschen dort zu den Festen kommen, das ist schon sehr eindrucksvoll.

Zweitens ist es eine Kirche, in der das Sinnenhafte eine besondere Rolle spielt. Stärker als zum Beispiel in den reformatorischen Kirchen, die sich in der damaligen Situation von einigem, was da lief, abgesetzt haben – was ich in manchen Punkten auch durchaus nachvollziehen kann.

Mit dem Sinnenhaften meine ich, dass nicht nur eine rationale Verkündigung ergeht, die den Menschen vom Verstand her erfasst, sondern dass das Ganzheitliche eine Rolle spielt. Die Gotteshäuser, die Musik, die Riten, die versinnbildlichen. Und manchmal wirkt das eben nicht nur auf der Verstandesebene, sondern auch emotional auf der Tiefenebene. Da werden Menschen angezogen von der Stille eines Raums, vom ewigen Licht am Tabernakel. Das sind Erfahrungen, die ich auch selber gemacht habe und die mich ansprechen. Wir haben als Katholische Kirche nach dem, Zweiten Vatikanischen Konzil eine Phase gehabt, in der wir diese Dinge im Bereich der Liturgie etwas beiseite geschoben haben. Aber die Reaktion war: Das ist zu verkopft. Wir wollen auch etwas erleben in der Liturgie, im Gottesdienst, im Gotteshaus. Und wenn sie das erleben, dann kann das Menschen ein Stück aus ihrer Alltagsenge herausholen.

Das Dritte ist die Eucharistie. Für mich ist das insofern wichtig, als dass die Wandlung des Brotes und des Weins in die Realität und Person Jesu Christ ein ganz zentraler Punkt meines Glaubens, meiner Lebens- und Weltsicht und meiner Beziehung zu Gott ist. Die Eucharistie schafft eine ganz besondere persönliche und innere Beziehung zu Gott, weil ich wirklich überzeugt bin, dass Christus mir in dieser sinnenhaften leibhaften Art begegnet. Und dass die Feier nicht nur ein Symbol ist. Wenn ich vor den Tabernakel trete und bete, dann tue ich das nicht nur, weil ich mich an Gott im Himmel richte, sondern weil ich überzeugt im Glauben bin, dass dort im Tabernakel – verborgen in der Gestalt des Brotes – Jesus Christus der Auferstandene präsent ist.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Christus tatsächlich lebendig ist

Was ist für Sie das Faszinierende am Glauben?

Wir leben in einer Wirklichkeit, die wir alle kennen – und manchmal auch erleiden. Ich bin überzeugt, dass sich hinter dieser sichtbaren Realität eine andere Wirklichkeit verbirgt. Verbirgt in dem Sinne, dass es eine Wahrheit gibt, die nicht ins Auge springt. Der auferstandene Jesus Christus ist auch ein verborgener. Und die Faszination des Glaubens ist es, ihn in der Konkretheit des Alltags zu entdecken. Das bedeutet, dass ich mich nicht in eine Kirche oder ein Kloster zurückziehe um dort Exerzitien abzuhalten – auch wenn das manchmal gut und wichtig ist, daher habe ich das oft getan. Aber danach habe ich mir immer wieder gesagt: Du musst Jesus im Alltag suchen und entdecken. Denn dort ist er. Bei den Menschen, in den Situationen, den Auseinandersetzungen, Themen, Freuden und Leiden.

Das hat durchaus etwas mit Mystik zu tun. Und in diesem Sinn sind mir Mystiker sehr nahe. Karl Rahner hat einmal gesagt: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird als Christ nicht überleben.“ Diese innere Bindung an Christus, die innere Glaubenserfahrung, die ist für mich ganz wesentlich, um in unserer heutigen Zeit dem Wust von Meinungen, Deutungen und Ideologien standhalten zu können und herauszufinden, was wirklich trägt.

Diese Bindung ist die Faszination. Sich auf die Lebenshypothese Jesus Christus einzulassen. Zu sagen: Es gibt ihn, er lebt und will mit mir in Beziehung treten. Wenn ich dann mit offenen Augen durch meinen Alltag gehe in der Erwartung, dass er Kontakt mit mir aufnimmt – durch Menschen, durch Gottesdienste, durch eigenes Gebet, Schriftlesung -, dann geschieht auch etwas. Da gibt es Anstöße, kleine Dinge, die zunächst ganz unscheinbar wirken, wo ich den Eindruck habe, dass da ein Anstoß Gottes drinstecken könnte. Zum Beispiel ein Wort, das mir ein Mensch sagt und das mich in besonderer Weise trifft. Wo ich den Eindruck habe, dass es nicht nur dessen subjektive Meinung ist, sondern das Gesicht eines anderen dahinter auftaucht, der mir sagt: Ich habe jetzt durch diesen Menschen zu dir gesprochen. Ich entdecke Zufälle, von denen ich merke. Es sind Fügungen. Dinge die zufallen, damit sie als solche entdeckt werden.

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Das sind natürlich keine dogmatischen Festlegungen, sondern subjektive Erfahrungen. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen, dass jeder daran glauben muss. Aber je mehr ich solche Erfahrungen mache, desto mehr verfestigt sich dieses Bild. Desto mehr gibt es einen Boden, auf dem ich gehen kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Christus tatsächlich lebendig ist. Er ist auferstanden und in meinem Leben präsent. In diesem Sinne finde ich Glauben auch heute hochfaszinierend.

Was ist eigentlich typisch katholisch?

Vielleicht eine gewisse innerkirchliche… Vitalität. Wir haben in der Katholischen Kirche eine große Bandbreite, die uns in der Breite manchmal auch zu schaffen macht. Von den Pius-Brüdern auf der einen Seite hin zur „Wir sind Kirche“-Bewegung in Österreich. Diese Vitalität muss immer wieder eingefangen und fruchtbar gemacht werden. Ob das immer gelingt weiß ich nicht. Bei den Pius-Brüdern wird ja gerade versucht, die positive Potenz wieder in die Kirche einzubringen. Aber dazu ist natürlich notwendig, dass die jüngsten kirchlichen Entwicklungen, das Zweite Vatikanische Konzil, bejaht werden. Ein bloßes rückwärtsgewandtes Festhalten ist keine Tradition. Tradition ist die Weitergabe einer Lebensrealität an künftige Generationen. Das heißt, es müssen auch Formen wechseln können.

Sicherlich auch das starke Beharrungsvermögen. Nicht nur auf Rom bezogen, auch bei vielen Menschen in den Gemeinden. Da haben wir in jüngerer Zeit viele Prozesse gehabt, Zusammenlegungen von Gemeinden usw. Wie hart da manche Gemeinden an dem festgehalten haben, was ihr vermeintliches Eigentum ist, an Räumen, Kindergärten und auch Pfarrern. Da gibt es sehr viel Beharrungsvermögen. [schmunzelt] Das hat eine gute Seite, dass man Gutes nicht einfach von heute auf morgen über Bord wirft. Aber es hat auch eine schwierige Seite, da sich manche nicht geistliche Motive in dieses Beharrungsvermögen mischen. Besitzwahrung, sich abgrenzen wollen, solche Dinge. Das kann positiv und negativ sein.

Und dann wäre da noch die Frage: wie die Kirche bei der Verkündigung auf die Situation der Menschen eingeht. Geschieht das immer auf die Weise, wie es nötig wäre? Oder gibt es da nicht doch ein gewisses Zögern, neue Modelle auszuprobieren, seelsorglich neue Konzepte anzugehen. Die gibt es in der Tat, aber manchmal läuft das etwas schwerfällig. Da müsste mal etwas Schwung reinkommen. Aber obwohl die Zahlen zurückgehen, glaube ich, dass diese Kirche lebendig ist. Ich bin überzeugt, dass Gott wirkt.

Glaube ich, dass Gott durch Menschen wirkt? Auch heute?

Gibt es Bücher, die Sie für Christen als Lektüre empfehlen?

Die Jesus-Bücher des Papstes. Und zwar nicht nur, weil der Papst sie selbst geschrieben hat. Ich glaube, dass da für Suchende viel drinsteht, was hilfreich ist. Er schreibt das auf schlichte, einfache Art, sodass auch jeder, der theologisch nicht so beschlagen ist, guten Zugang dazu hat. Es gibt noch weitere gute und interessante Jesus-Bücher. Zum Beispiel von Klaus Berger [„Jesus“, erschienen 2004]. Dieses Thema beschäftigt mich selbst sehr. Bei anderen Büchern fällt mir zum Beispiel „Die Katholische Kirche“ von Kardinal Kasper ein. Für Menschen, die Orientierung suchen, kann der Katechismus hilfreich sein. Für Jugendliche gibt es da ja seit 2011 den Jugendkatechismus „Youcat“.

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Der Katechismus bringt uns zur Lehre… Was sagen Sie einem Protestanten zum Thema „Maria“? Oder Heiligenverehrung?

Die zentrale Frage lautet: Glaube ich, dass Gott durch Menschen wirkt. Auch heute? Wenn Gott durch einen Menschen wirkt, dann ist das eine tolle Sache. Im Grunde stelle ich mir so die Heiligen vor. Meistens wussten die ja sowieso nicht, dass sie mal heilig gesprochen würden. Maria am allerwenigsten. Sie haben einfach das gelebt, was ihnen als Gottes Wille vor Augen stand. Und wenn ich das tue, finde ich das ein tolles Beispiel. Im Unterschied zu Evangelischen glaube ich allerdings tatsächlich, dass Heilige, da sie mit Gott in besonderer Weise verbunden sind, auch Einwirkmöglichkeiten auf unserer Leben hier haben. Zur Klärung: Wir beten keine Heiligen an. Das ist ein oft behaupteter Irrtum bzw. ein Missverständnis. Aber wenn ich einen Heiligen bitte, dass er mir beisteht, in einer bestimmten Sache, die sie oder er in seinem Leben auch einmal durchgefochten hat, dann bin ich überzeugt, dass das über Gott – den, der alles bewirkt – auch Realität werden kann. Immer in der Beziehung zu Gott. Und nur in der Beziehung zu Gott. Nie eigenständig.

Wie wichtig ist das Thema Mission für Sie?

Unsere Kirche muss eine missionarische Kirche sein. Nicht in dem Sinne, dass wir den Menschen etwas überstülpen würden. Es geht um Verkündigung, um Evangelisierung. Wir haben die Aufgabe, Menschen wieder die Lebenswirklichkeit des Glaubens gegenüberzustellen und daran heranzuführen, damit sie verstehen können, was Glauben wirklich bedeuten kann. Sie sollen Kirche nicht nur auf Veranstaltungsplakaten erleben oder als Institution, die in anderen Zusammenhängen – siehe Missbrauchskandal – womöglich verdächtig oder kritisch zu sehen ist. Sie sollen das persönliche Angebot Gottes wirklich wahrnehmen können. Das halte ich für ein ganz zentrales Thema. Kirche, die das nicht mehr macht, soll sich einmotten lassen. Denn dann hat es keinen Zweck, dass sie überhaupt existiert.

Was würden Sie jemandem antworten, der fragt: Was muss ich in meinem Leben tun, um vor Gott zu bestehen?

Diese Frage erinnert mich an den reichen Jüngling… [schmunzelt] Wie sagte Jesus? Halte die Gebote. Diese 10 Gebote haben sich allerdings durch die christliche Verkündigung… angereichert, sind umfangreicher geworden.

Da schwingt auch die Frage Luthers mit, wie ich einen gerechten Gott bekomme. Es geht nicht nur darum etwas zu tun, es geht letztlich darum, zu diesem Gott in Beziehung zu treten, mein Leben mit ihm zu teilen und ihn in meinen Alltag hineinzulassen. Das heißt im Idealfall, dass ich ihn mitreden lassen muss bei dem was ich tue. Das ist eine sehr mystische Beziehung, in der Gott als präsent, lebending, liebevoll und herausfordernd und doch den Menschen zugewandt erlebt wird. In diese Beziehung muss ich einsteigen. Die sogenannten Werke werden sich ganz automatisch aus der Beziehung ergeben. Darauf brauche ich mich nicht zu stürzen. Man kann schon etwas tun. Aber es ist nicht so, dass Gott als Buchhalter da säße und alles abhaken würde. Das verkennt völlig die Realität Gottes. Entdecke deinen Gott, der für dich da ist und der dich einlädt. Lass dich auf die Beziehung zu ihm ein. Und du wirst Wege finden. Wenn du ihn suchst, wirst du ihn immer finden.

Danke für das Gespräch!

Die Fragen stellten Rebekka Buchholz und Daniel Wildraut.


QuelleJesus.de

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