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„Brot für die Welt“-Chefin Cornelia Füllkrug-Weitzel im Interview

Die Leiterin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel (54), fordert einen Kurswechsel in der Bekämpfung des weltweiten Hungers. Auch beim Welternährungsgipfel in Rom befürchtet die Theologin eine falsche Weichenstellung. Die Förderung der Kleinbauern und eine gerechtere Verteilung müssten im Vordergund stehen, sagte Füllkrug-Weitzel in einem epd-Interview. Die Fragen stellte Elvira Treffinger.

Frau Füllkrug-Weitzel, was halten Sie bei „Brot für die Welt“ vom Welternährungsgipfel, der am Montag in Rom beginnt?

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Füllkrug-Weitzel: Ich sehe der Konferenz mit Zweckoptimismus entgegen. An sich ist es positiv, dass der Gipfel stattfindet und die Staatengemeinschaft weiß, dass neue Anstrengungen im Kampf gegen den Hunger nötig sind. Aber die Weichen sind zu einseitig gestellt. Allein auf eine Steigerung der Produktion zu setzen, ist falsch. Nach der verfehlten Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahre ist ein echter Kurswechsel notwendig.

Das klingt paradox: Eine Steigerung der Lebensmittelproduktion vertieft also die Ungleichheit?

Das Problem ist die ungerechte Verteilung. Ohne Veränderung ist in der Tat zu erwarten, dass immer mehr Menschen hungern, selbst wenn immer mehr Lebensmittel angebaut würden. Die größere Menge Getreide und Fleisch erhöht dann nur den Überfluss der Reichen. Wir im Norden werfen aber schon genug weg. Weltweit wird bereits jetzt ausreichend Nahrung erzeugt. „Es ist genug für alle da“ ist auch das Motto der Spenden-Aktion von „Brot für die Welt“.

Was heißt das für die Menschen in Afrika?

Wenn man den Hunger wirklich bekämpfen will, muss man nach den Ursachen fragen. Einer der Gründe ist, dass immer mehr Lebensmittel und Rohstoffe in den Ländern des Südens für den Export in die wohlhabenden Nationen produziert werden: Lebensmittel, die auf dem Weltmarkt nachgefragt sind. Landwirtschaftliche Flächen gehen damit für die nationale Ernährungssicherung verloren. Wenn afrikanische Staaten dann Getreide für die eigene Bevölkerung auf dem Weltmarkt kaufen müssen, leiden sie extrem unter Preisschwankungen, speziell unter dem hohen Preisniveau.

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Was muss geschehen, damit alle Menschen täglich genug Brot oder Reis haben?

Die Mehrheit der Hungernden weltweit sind Kleinbauern. Sie brauchen Zugang zu Land, Wasser, Krediten und angepassten Anbaumethoden. Bisher fehlen die Signale, dass der Welternährungsgipfel eine wirklich sinnvolle Initiative für die
Stärkung der Rechte und Chancen der Kleinbauern ergreift.

Die Zahl der Hungernden weltweit soll bis 2015 auf 420 Millionen Menschen halbiert werden. Doch im Moment hat sich die Entwicklung ins Gegenteil verkehrt. Die Zahl der Hungernden stieg in diesem Jahr auf über eine Milliarde Menschen. Was kann der Gipfel dagegen tun?

Die Ernährung muss weltweit gesichert werden. Die Frage ist, wie Nahrungsmittel künftig produziert werden. Sie müssen nachhaltig, standortgerecht und zuerst für die lokale Ernährung – zum Beispiel in Afrika – erzeugt werden.

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Auf dem G-8-Gipfel im Frühjahr im italienischen L’Aquila haben die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industriestaaten 20 Milliarden US-Dollar für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern zugesagt. Ist von den Investitionen schon etwas zu spüren?

Es ist in jedem Fall gut, dass den G-8-Staaten die Bedeutung der völlig vernachlässigten Landwirtschaft wieder bewusst wird. 1980 gingen 17 Prozent der Entwicklungshilfe an den Agrarsektor, heute sind es nur noch fünf Prozent. Das Problem bleibt aber: Wohin fließen die 20 Milliarden? Dienen sie dazu, das Geschäft des internationalen Agrobusiness mit Saatgut und Dünger anzukurbeln? Werden damit Kleinbauern im Süden in neue Abhängigkeiten gebracht und in neue Schulden gestürzt? Problematisch ist auch die Nahrungsmittelhilfe. Sie muss auf den äußersten Krisenfall begrenzt sein. Denn sonst werden dadurch die Kleinbauern noch mehr unter Druck geraten, dass sie ihre Produkte nicht mehr absetzen können.

Kommen in Rom neue Versprechen?

Das Grundproblem bleibt, dass es kein Beobachtungssystem gibt. Wir können alle Jahre neue Versprechen hören. Aber wir haben kein öffentliches Register, mit dem wir überwachen können, ob die Zusagen der Geber eingehalten werden oder dasselbe Geld mehrfach angekündigt wird. Das ist häufig auch
Etikettenschwindel.

Was muss der Gipfel tun, um zu einem Erfolg zu werden?

Der Welternährungsgipfel muss sich auf das Recht auf Nahrung und auf eine gerechte Verteilung konzentrieren. Er muss fragen: Wer sind die Hungernden? Es sind vor allem die Kleinbauern, Nomaden, Ureinwohner und die Armen in den Slums. Was brauchen sie, um sich selbst ernähren zu können? Die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion ist der falsche Weg. Dies erhöht nur den Überfluss der Übersatten und den Profit der großen Konzerne. Die Armen haben gar nicht das Geld, Lebensmittel zu kaufen.

Frau Füllkrug-Weitzel, im Januar 2010 werden es zehn Jahre, dass Sie an der Spitze der kirchlichen Hilfsaktion „Brot für die Welt“ stehen. Hat sich der Kampf gegen Hunger in dieser Zeit verändert?

Noch vor fünf Jahren waren wir einsame Rufer in der Wüste, wenn wir darauf hinwiesen, dass der Hunger unter den Kleinbauern am schlimmsten ist. Inzwischen ist das durch den Weltagrarrat und auch durch die Weltbank bestätigt worden. Das macht den Kampf gegen den Hunger etwas leichter.

Quelleepd

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