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Erziehung im Glauben: Die eigene Prägung spielt mit

Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder ihren Glauben übernehmen und erziehen sie explizit christlich. Neben den direkten Erziehungsmaßnahmen sind es aber vor allem die alltäglichen Handlungen, Haltungen und Rituale, die Kinder und ihren Glauben prägen.

Von Prof. Dr. Tobias Künkler und Prof. Dr. Tobias Faix

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Gerade bezüglich des gelebten Glaubens in der Familie sind diese Fragen besonders spannend: Was ist geprägt durch das eigene Elternhaus? Was ist durch andere Erfahrungen erworben? Und was ist Ergebnis bewusster Reflexion und Entscheidung? Um diesen Fragen nachzugehen, veröffentlichen wir in diesem Artikel Ergebnisse der Studie „Aufwachsen in einer christlichen Familie“, die vom Forschungsinstitut „empirica“ durchgeführt wurde. Erfreuliche 1.756 christliche Mütter und Väter haben vollständig an der Online- Befragung teilgenommen. Zusätzlich haben wir zwölf qualitative Interviews durchgeführt, um neben einem Blick aus der Vogelperspektive auch ganz nah heranzoomen zu können. Wir stellten viele Fragen zur Glaubensvermittlung und der Erziehung in der jetzigen Familie, aber auch einige Frage dazu, wie die Eltern ihre eigene Glaubenserziehung erlebt haben. Unter anderem ging es auch darum, wie die christlichen Eltern mit dem Erbe ihrer eigenen Erziehung umgehen.

Verändertes Gottesbild

Ein sehr wichtiger Aspekt des Glaubens ist das Gottesbild. Wie stark prägt das Gottesbild, das einem vermittelt wurde, das Gottesbild, das man seinen Kindern vermitteln möchte? Wir legten Eltern zehn Aussagen über Gott vor und fragten sie, wie stark sie diese Vorstellungen über Gott an ihr Kind weitergeben möchten. In einem späteren Teil des Fragebogens fragten wir sie mittels der gleichen zehn Aussagen auch noch nach dem Gottesbild, dass sie von ihren Eltern vermittelt bekommen haben.
Als Ergebnis zeigte sich: Der Gott, den die Eltern selbst vermittelt bekamen, hatte im Durchschnitt stärker kontrollierend-allmächtige Züge. 57 Prozent der Eltern bekamen stark vermittelt, dass vor Gott keine Sünde verborgen bleibt. Nur noch 40 Prozent wollen diesen Aspekt an ihre Kinder vermitteln. Am höchsten ist der Unterschied jedoch bezüglich eines Gottes, der Verfehlungen bestraft. 26 Prozent aller Eltern wuchsen mit solch einem Gottesbild auf, nur vier Prozent wollen diesen Aspekt an ihre Kinder weitergeben.
Es wird jedoch nicht nur tendenziell weniger ein Gott vermittelt, der kontrollierend-allmächtige Züge aufweist, noch viel stärker geht der Trend hin zu einem liebevoll emphatischen Gottesbild. Im Elternhaus erhielt noch die Aussage „Gott hat Jesus gesandt, um die Menschen zu erlösen“ die höchste Zustimmung (76 Prozent). In der eigenen Erziehung soll jedoch vor allem das Bild eines jeden Menschen bedingungslos liebenden Gottes (97 Prozent) sowie das eines liebevollen Vaters (96 Prozent) vermittelt werden. Die Aussagen „Gott ist wie ein guter Freund“ (91 Prozent) und „Gott spendet Trost, wenn man traurig ist“ (91 Prozent) folgten direkt danach. Zum Vergleich: Ein bedingungslos liebender Gott wurde „nur“ in 63 Prozent der Fälle im Elternhaus der Eltern vermittelt. Trotz dieser deutlichen Verschiebung muss man jedoch auch festhalten, dass schon im Elternhaus das Bild eines liebevollemphatischen Gottes überraschend stark ausgeprägt war.

Glaubenserfahrungen im eigenen Elternhaus

Befragt man die 1.756 Eltern danach, welche Begriffe sie mit dem Glauben in ihrem Elternhaus verbinden, überwiegen insgesamt die positiven Assoziationen leicht gegenüber den negativen. Am stärksten nannten die Eltern „Gemeinschaft und Zusammenleben“ sowie „Geborgenheit und Vertrauen“. Beide wurden von einer Mehrheit der Befragten stark oder sehr stark mit dem Glauben im Elternhaus assoziiert. Mit etwas Abstand folgen „Freude“ sowie „Offenheit und Freiheit“, aber auch „Verbote und Regeln“ vor „Einengung“, „Leidenschaftlichkeit“ und „Langeweile“. Die Schlusslichter waren Furcht und frommer Schein – aber auch diese wurden immer noch von knapp einem Fünftel der Befragten stark oder sehr stark mit dem Glauben ihrer Eltern verbunden.

„Nicht jeder, der seine eigene Glaubenserziehung eher als problematisch erlebt hat, wird deswegen seine Kinder streng erziehen.“

Eltern, die die aktuelle Erziehung ihrer Kinder emotional warm und unterstützend gestalten, verbanden häufiger positive Begriffe mit dem Glauben ihrer Eltern. Negative Begriffe wurden vermehrt von denen gewählt, die in der Erziehung ihrer Kinder eher kontrollierend-streng sind. Hier zeigt sich ein deutliches Erbe, das heißt, wie die Erfahrung der eigenen Glaubenserziehung in die eigene Erziehung hineinspielt und dort wirkt. Natürlich reden wir hier nicht von Automatismen. Jedoch gibt es in diesen Fällen eine Art Schwerkraft, die Eltern in diese Richtung zieht und gegen die man sich erst einmal bewusst entscheiden muss. Und selbst dann kostest es solche Eltern möglicherweise mehr Kraft, die Kinder tatsächlich nicht streng zu erziehen, als Eltern, die positivere Erfahrungen mit dem Glauben im Elternhaus gemacht haben.

Zwischen Nachahmung und Abgrenzung

Auch in den Interviews, die wir gemacht haben, wird sehr sichtbar, dass die eigene Prägung nicht einfach „abzuschütteln“ ist, sondern einen starken Einfluss auf die eigene Erziehung hat. Nadja versucht sich beispielsweise „von vielem abzugrenzen“, jedoch merkt sie, wie stark bei ihr „der Einfluss der Herkunftsfamilie vorhanden“ ist und das sie sich davon „nicht einfach lösen“ kann. Melanie bemerkt das, wenn sie Formulierungen ihrer Eltern verwendet, die sie eigentlich niemals zu ihren Kindern sagen wollte: „Oh Mann, so wollte ich eigentlich gar nicht werden […]. Hier spricht meine Mutter aus mir.“
Natürlich versuchen Eltern, für ihre eigene Erziehung vor allem das zu übernehmen, was sie als besonders positiv erlebt haben. Bei Michael war das zum Beispiel die „Grundzufriedenheit“ seiner Eltern: „Dieser Gedanke, dass man mit dem zufrieden sein muss, was man hat, […] das haben die richtig gut gemacht.“ Aus Sicht von Stefan haben seine Eltern ein „gutes Maß gefunden, zwischen dem sich Einmischen in Dinge oder mich ab einem bestimmen Alter auch einfach mal machen lassen“. Er glaubt, dass er „da intuitiv sehr, sehr viel übernommen hat“ und somit „auch ein Gespür dafür hat“, wie er das mit seinen Kindern machen kann.

Wie aber geht man mit dem um, was man als negativ empfunden hat? Natürlich will man gerade dies in der eigenen Erziehung ganz anders machen. Deutlich wird dies bei Sabine, die sagt: „Ich will meine Kinder ermutigen, Dinge auszuprobieren, zu testen und mutig zu sein. Das kommt auf jeden Fall daher, dass ich das in meiner Kindheit nicht erlebt habe.“ Doch viele Eltern kämpfen damit, dass es nicht immer einfach ist, die als negativ empfundene Prägung abzulegen und selbst anders zu handeln. Anke beschreibt beispielsweise, dass sie sehr streng werden kann: „Und manchmal nehme ich sie zu hart ran, dann tu ich das vielleicht, weil ich selber auch irgendwie hart rangenommen wurde, weil mir selber der Raum nicht gegeben wurde, das ist so eine nicht gewollte Übertragung.“
Teils wird die eigene Glaubenserziehung ganz bewusst verändert. Paul drückt diese Spannung folgendermaßen aus: „Manchmal würde man danach, wie man selbst erzogen ist, eher auf den Tisch hauen und sagen: ‚Jetzt ist Ruhe!‘ Aber genau das machen wir nicht, sondern entscheiden uns bewusst, das eben nicht zu tun. Dann handelt man gegen etwas, das man vielleicht in sich trägt, […] aber genau das ist immer wieder herausfordernd.“ Nicht selten ist auch zu beobachten, dass insbesondere extreme Erfahrungen ins Gegenteil umkippen. Diese Erfahrung schildert Svenja: „Und ich bin sehr, sehr streng erzogen worden. Das fand ich nicht so gut in meiner Erziehung. Und bei meinem Sohn war es genau das Gegenteil. Ich habe ihn immer gefördert. […] Alles, was er machen wollte, habe ich ihn machen lassen.“

Ohne Reflexion keine Chance

Diese Ausschnitte zeigen stark, wie die eigene Biografie die Einstellung zur Glaubenserziehung beeinflusst und wie wichtig es ist, diese reflektieren. Auch wenn viele Eltern erfreulich positiv und dankbar auf ihre Erziehung zurückblicken und viel mitnehmen und übernehmen können, so gibt es auch viele negative Erfahrungen, die man nicht weitergeben möchte. So haben nicht wenige Eltern im eigenen Elternhaus einen Glauben erlebt, der von vielen Verboten und Regeln durchzogen wurde und teils als einengend und langweilig erlebt wurde. Wie wir gesehen haben, ist ein Bewusstsein von negativen Prägungen im eigenen Erziehungsverhalten noch keine Garantie dafür, dass es auch gelingt, dies selber anders zu machen. Doch ohne ein über Reflexion gewonnenes klares Bewusstsein von dem, was man nicht weitergeben möchte, hat man überhaupt keine Chance.


Dieser Artikel ist zuerst im Magazin Family erschienen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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