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Weibliche Gottesbilder: Die mütterliche Gottesliebe

Gott als Vater, das ist ein vertrautes Bild. Doch viele Bibelstellen beschreiben seine Liebe zu uns Menschen auch mit Begriffen, die an die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind erinnern.

Von Christina Schöffler

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„Ich hatte heute wieder so sehr Mama-Weh!“, hat mir vor ein paar Tagen unser Zehnjähriger beim Zubettgehen ins Ohr geflüstert. Er meint damit sein Heimweh nach mir, das ihn in den Schulpausen immer mal wieder überfällt. Ich drücke ihn an mich. „Was machst du dann?“, frage ich vorsichtig nach. „Ich versuche meine Tränen zu verstecken, bis es wieder vorbei ist“, sagt er tapfer. Ach, wie sehr wünschte ich, dass ich in solchen Momenten da sein könnte, um ihn zu trösten. Und wie gut kenne ich selbst dieses Mama-Weh!

In den letzten Wochen ist es immer mal wieder über mich hereingebrochen. Vielleicht, weil wir nun endgültig die Schlüssel zu meinem Elternhaus im Schwarzwald abgegeben und damit auch diesen kleinen Zufluchtsort losgelassen haben, der uns, gerade in den Coronazeiten, so gutgetan hat. Auch wenn meine Mutter schon länger nicht mehr auf dieser Erde ist – die Räume bargen so viele warme Erinnerungen, dass es sich immer noch wie ein Heimkommen angefühlt hat; als hätte ihr herzliches Willkommen noch in der Luft gelegen, wie der zarte Duft einer Vorbeigegangenen. Der Abschied von diesem Zuhause hatte nun etwas von dem endgültigen Abwenden, nachdem man einem geliebten Menschen lange hinterhergewunken hat.

Die Mama-Lücke

Da ist eine Mama-Lücke in meinem Leben. Ich spüre es, wenn ich einen schnellen Rat von ihr brauchen könnte, wenn mir mal wieder der Geburtstag eines Verwandten nicht einfällt, an den sie mich immer erinnert hat, wenn mir etwas Schönes widerfährt, wovon ich ihr so gerne erzählen würde, oder wenn mich Schmerzen quälen und mir ihr Mitleiden und ihre trostvollen Worte so guttun würden.

Natürlich gab es auch Mama-Lücken in mir, die meine Mutter während ihrer Lebenszeit nicht gefüllt hat. Die unbearbeitete Trauer ihres Lebens hat sie z. B. wie einen kratzigen Wollpulli aus ängstlicher Fürsorge an meine Schwester und mich weitergegeben, egal, wie sehr wir uns auch dagegen gewehrt haben. Aber ihr Da-sein und Begleiten auf meinem Lebensweg war einfach so tröstlich. Meist ging sie spätestens nach dem dritten Läuten ans Telefon, immer bereit, mir zuzuhören, als gäbe es nichts Wichtigeres auf dieser Welt, als einzig und allein für mich da zu sein.

Sie fehlt mir einfach. Und seit kurzem fehlt mir nun auch die Wiederkehr zu meinem Heimatort, diesem Ausgangspunkt meines Lebens, an dem ich mich wie nirgends sonst auf dieser Welt verwurzelt habe und der meine Seele – wie ein treuer altgedienter Kompass – immer wieder neu beruhigen und „einnorden“ konnte.

Neue Haltegriffe gesucht

Orientierungslos blättere ich in der Bibel. Suche nach neuen Haltegriffen. Und spüre, wie Gottes Liebe nach mir greift. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, sagt Gott zu einem mutlosen und heimwehkranken Volk in der Fremde (Jesaja 66,13). Ich lese darüber, wie er dabei ist, den Tisch zu decken und leckeres Essen vorzubereiten („Hier auf dem Berg Zion wird der Herr, der Allmächtige, alle Völker zu einem Festmahl einladen, mit köstlichen Speisen und herrlichem Wein“, Jesaja 25,6).

Wie sein Herz ihn dazu bringt, sich immer wieder zu erbarmen, egal, wie viel Mist seine Kinder gebaut haben („Ephraim ist mein geliebter Sohn. Immer wenn ich ihm Strafe androhe, muss ich doch in Liebe an ihn denken“, Jeremia 31,20). Und wie er mit seinen Gedanken ständig bei ihnen ist („Kann eine Mutter ihren Säugling vergessen? Bringt sie es übers Herz, das Neugeborene seinem Schicksal zu überlassen? Und selbst wenn sie es vergessen würde – ich vergesse dich niemals! Unauslöschlich habe ich deinen Namen auf meine Handflächen geschrieben“, Jesaja 49,15-16). Was für eine starke, fürsorgliche Mutterliebe, die in die vielen Gottesvergleiche im Alten Testament eingewoben ist wie ein feiner goldener Faden!

Tröster, Fürsprecher und Helfer

Und dann höre ich ganz neu, wie Jesus in seiner Abschiedsrede seinen ängstlichen und mehr als besorgten Jüngern zusagt, dass sie nicht allein gelassen werden mit dieser Jesus-Lücke in ihrem Leben. Dass ein Tröster kommen wird. Ein Fürsprecher. Ein Helfer. Ein „Paraklet“ steht da auf Griechisch (Johannes 14,16), was wörtlich bedeutet „an unsere Seite kommend“; seine Heilige Gegenwart, die uns auf dem Lebensweg begleitet. Die uns leitet, zurechtweist und ermutigt und uns morgens die richtigen Klamotten herauslegt (z. B. Kolosser 3,12ff: „Da Gott euch erwählt hat, zu seinen Heiligen und Geliebten zu gehören, seid voll Mitleid und Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit und Geduld“).

Die uns unsere Identität als Kinder Gottes zuspricht („Denn der Geist Gottes selbst bestätigt uns tief im Herzen, dass wir Gottes Kinder sind“, Römer 8,16) und uns ganz emotional vor Gottes Thron vertritt und für uns einsteht („Und der Vater, der alle Herzen kennt, weiß, was der Geist sagt, denn der Geist bittet für die, die zu Gott gehören, wie es dem Willen Gottes entspricht“, Römer 8,27). Und die uns im Alltag immer wieder an das erinnert, was Jesus gesagt hat und was gerade sonst noch wichtig ist (inklusive Geburtstage von Verwandten).

Ankommen und Verwurzeln

Mir fällt ganz neu auf, wie mütterlich diese Eigenschaften von Gottes Heiligem Geist sind. Und welche Fürsorge in dieser leisen Frage liegt, die mir so oft ins Herz fällt, wenn ich in Gottes Richtung höre: „Wie geht es dir, mein Kind?“ Darin spüre ich so viel echtes Interesse, gepaart mit höchster Aufmerksamkeit, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, als einzig und allein für mich da zu sein. Seine Heilige Gegenwart ist die Gotteskraft in meinem Leben, die mich festhält, an mich glaubt, für mich hofft, mir Mut macht und mich langsam gesund liebt.

Ich bin ein Mensch, der so gerne allen Mangel stillen und alle Lücken schließen würde! Bei meinem Kind, bei mir selbst, in meinen Beziehungen und bei allen Nöten dieser Welt, die ich sonst noch so wahrnehme. Aber vielleicht lehrt mich Gott gerade, dass unsere größeren und kleineren (Mutter-)Lücken nicht schnell beseitigt und mit billigen Trostpflastern beklebt werden müssen, sondern dass es genau diese Herzenslücken sind, die Gottes Geist den Raum geben, uns mit seiner Liebe zu erfüllen.

„Wie ein gesättigtes Kind in den Armen seiner Mutter stillt Gott meine Seele“ (Psalm 131,2), so drückt es König David in einem seiner Gebete aus. Hier ist der Zufluchtsort unseres Lebens. Hier wird unsere Sehnsucht, geliebt und gesehen zu werden, gestillt, und wir finden unsere wahre Identität als Gottes Kinder. Hier können wir immer wieder ankommen und uns verwurzeln.

Wir dürfen bei ihm wohnen, für immer und ewig!

Deshalb ist es auch gar nicht an mir, alles Mama-Weh für meinen Sohn zu stillen, was ich ja auch gar nicht kann (seine Lücken werden immer größer sein als meine Fähigkeit, sie auszufüllen!). Vielleicht ist es Gottes besondere Ehre, meinem Kind in seinem Schmerz ganz persönlich und liebevoll zu begegnen, wenn er sich neben seinen Mitschülern verstohlen die Tränen abwischt. Die Erfahrung dieser nahen, mütterlichen Gottesliebe, die unsere Seele immer wieder beruhigen und ganz still und zufrieden machen kann, wünsche ich meinem Sohn und jedem von uns Menschenkindern.

Gottes Zusage empfinde ich in diesen Tagen wie eine tröstliche Mama-Umarmung: Seine Güte und Barmherzigkeit begleiten uns ein Leben lang und zu seinem Haus müssen wir niemals den Schlüssel abgeben. Wir dürfen bei ihm wohnen, für immer und ewig! (nach Psalm 23,6)

Christina Schöffler ist Autorin und lebt mit ihrer Familie im Süden Deutschlands.


Ausgabe 2/22

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Joyce erschienen. Joyce wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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