Gott erleben, aber wie? Was tun, wenn Beten, Bibellesen und Lobpreis nicht weiterhelfen? Ein persönlicher Erfahrungsbericht.
Von Katrin Faludi
Ich finde beten und Bibel lesen oft langweilig. Wenn du das insgeheim genauso empfindest, dich aber bisher nicht damit hinter dem Busch hervorgetraut hast: Du bist nicht allein. Und ich wähne uns Stille Zeit-Schwänzer sogar in ziemlich großer Zahl. Das ist recht oft so bei den Dingen, die beim Christsein unbequem bis schwierig sind und über die man deshalb nicht so gern redet. Also: Willkommen im Club!
Dir ist bestimmt auch schon aufgefallen, dass es unter Christen sehr angesagt ist, von seiner Morgenroutine mit „Stiller Zeit“, Bibelleseplänen, Bullet-Listen, Dankbarkeitstagebüchern und natürlich Bible Lettering zu erzählen. Sieht schick aus und der christliche Buchmarkt überschwemmt uns von Saison zu Saison mit den entsprechenden, schön aufgemachten Produkten. Wer sie mag und damit zurechtkommt, ist super bedient. Ich will diese Hilfsmittel nicht in Abrede stellen. Aber diese Herangehensweise muss nicht jedermanns Sache sein. Denn wenn ich über die Jahre eins über den Glauben gelernt habe: So, wie ihn diejenigen leben, die gern und viel davon erzählen, musst du es nicht machen. Glaube „funktioniert“ nämlich nicht. Glaube ist ein Geschenk.
Falsche Versprechen
In meinen Anfangsjahren als Christin bin ich mit der Annahme, dass Glaube eben doch irgendwie funktioniert, immer wieder auf die Schnauze gefallen. Das schreibe ich bewusst so, weil es sich jedes Mal so angefühlt hat. Ich war damals jung und naiv. Ich wollte gefallen und dazugehören. Und man gehört dazu, wenn man mitreden kann. Denn leider, leider hat sich in unserer leistungsorientierten Gesellschaft auch in Sachen Glauben die Ansicht eingeschlichen, dass dieser eine Art Werkstück sei, das man mit möglichst viel Einsatz entwickeln und perfektionieren müsse.
Mit 16 Jahren habe ich meinen damaligen Atheismus aufgegeben und versucht, als Christin zu leben. Ich bin viele Jahre beinahe darüber verzweifelt, weil ich trotz meines Bemühens Gott kaum je spürte oder hörte. Dabei hat man mir oft genug versprochen, dass es so kommen würde, wenn ich nur dieses oder jenes täte und mich dabei fleißig anstrengte.
Genervt und gelangweilt
„Gott wird zu dir sprechen, wenn du dir Zeit nimmst und regelmäßig zu ihm betest“, hat man mir versprochen. Das wollte ich gern erleben, also habe ich mir die Zeit genommen und gebetet. Aber es fühlte sich immer nur an wie ein Selbstgespräch, durchdrungen von Schweigen, weil man beim Beten ja auch zuhören soll. Meistens schweifte ich gedanklich ab. Mein Geist war zu rastlos zum Stillsitzen und Beten. Ich bekam es nicht hin.
„Wenn du Lobpreislieder singst, wirst du Gottes Gegenwart fühlen“, hat man mir versprochen. Und jetzt oute ich mich schon wieder: Ich mag keinen Lobpreis. Der Großteil des christlichen Liedgutes ist mir einfach zu schwülstig. Darf man das sagen? Naja, jetzt ist es raus.
„Wenn du regelmäßig in der Bibel liest, wird sich Gott dir offenbaren“, hat man mir versprochen. Ich habe versucht, eine Bibellese-Routine zu finden, bin aber jedes Mal nach wenigen Versuchen frustriert hängen geblieben und habe mich geschämt. Warum um alles in der Welt war ich nicht in der Lage, Morgen für Morgen mit der Bibel „aufzutanken“ und Freude bei dem zu empfinden, was ich da las? Warum war ich stattdessen genervt und gelangweilt und oft gar nicht so fasziniert von den ganzen alten Geschichten, wie ich es als gute Christin gefälligst zu sein hatte?
Gott hinter dem Ofen hervorlocken
Beten, Bibel lesen, lobpreisen – das alles funktionierte bei mir nicht. Ich versuchte, das christliche Pflichtprogramm abzuspulen, empfand es aber in erster Linie als lästige Pflicht. Mit Gott brachte mich nichts davon in Kontakt. Und natürlich glaubte ich, das sei meine Schuld. Ich war einfach zu faul, zu skeptisch, zu nüchtern, zu peinlich berührt. Andere Christen schafften es, Gott hinter dem Ofen hervorzulocken. Mir wollte es nicht gelingen. Also lag der Fehler bei mir. Glaubte ich. Oder war es etwa doch nicht mein Versagen?
Vor einigen Jahren las ich für ein Schreibprojekt die Emmaus-Geschichte in der Bibel – und stieß dabei völlig unvorbereitet auf einen der für mich steilsten Sätze der gesamten Bibel. Die steilsten Sätze sind übrigens oft jene, die man schnell mal überliest. In der Geschichte machen sich zwei Jünger am Tag der Auferstehung Jesu nichtsahnend und todtraurig auf den Heimweg nach Emmaus. Sie sind schon eine Weile gegangen, da schließt sich ihnen plötzlich Jesus selbst an. „Aber sie wussten nicht, wer er war, weil Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten.“ (Lukas 24,16)
Nicht mehr dieser Krampf
Als ich diesen Satz las, war plötzlich der Druck weg. Der ständige Gegenwind aus Fragen wie: „Warum erlebe ich Gott so selten?“, „Warum funktioniert das mit dem Glauben für mich oft nicht?“ oder „Was mache ich denn immer falsch?“ legte sich. Vielleicht ist es gar nicht immer meine Schuld, wenn ich Gott mal nicht erkenne. Vielleicht gibt es auch in meinem Leben Zeiten, in denen er das sogar verhindert. Vielleicht hat er mich mit den ganzen Pflichtübungen bewusst ins Leere laufen lassen, weil er sich lieber auf anderen Wegen erleben lassen will.
Seitdem glaube ich entspannter. Und viel lieber. Es ist nicht mehr dieser Krampf, sondern ich beginne immer mehr zu begreifen, was Glaube wirklich ist. Nichts, was ich besitzen könnte oder was ich mir gegen meinen inneren Schweinehund erarbeiten müsste, sondern etwas viel Schöneres: ein Geschenk.
Katrin Faludi ist Redakteurin beim ERF – Der Sinnsender und Autorin mehrerer Bücher, u. a. zum Thema Glauben und Zweifeln.
Der Artikel von Katrin Faludi ist im Magazin FamilyNext erschienen. FamilyNext ist wie Jesus.de ein Angebot des SCM Bundes-Verlags.
Gott ist wahre Liebe und ihm ist nichts Böses
Frau Faludi hat recht, wenn sie am Ende ihres Textes (die anscheinend verstörenden Sätze von vorher) sehr relativiert. Zur Vereinfachung hier völlig ungekürzt nochmals ihre Begründung, die zugleich eine tiefgründige Wahrheit beinhaltet: „Vor einigen Jahren las ich für ein Schreibprojekt die Emmaus-Geschichte in der Bibel – und stieß dabei völlig unvorbereitet auf einen der für mich steilsten Sätze der gesamten Bibel. Diese steilsten Sätze sind hier übrigens oft jene, die man schnell mal überliest. In der Geschichte machen sich zwei seiner Jünger am Tag der Auferstehung Jesu nichtsahnend und todtraurig auf den Heimweg nach Emmaus. Sie sind schon eine Weile gegangen, da schließt sich ihnen plötzlich Jesus selbst an. „Aber sie wussten nicht, wer er war, weil Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten.(Lukas 24,16) Als ich diesen Satz las, war plötzlich der ganze Druck weg. Der ständige Gegenwind aus Fragen wie: „Warum erlebe ich Gott so selten? „Warum funktioniert das mit dem Glauben für mich öfters nicht?“ oder „Was mache ich denn immer falsch?“ legte sich. Vielleicht ist es gar nicht immer meine Schuld, wenn ich Gott einmal nicht erkenne. Vielleicht gibt es auch in meinem Leben Zeiten, in denen er das sogar verhindert. Vielleicht hat er mich mit den ganzen Pflichtübungen bewusst ins Leere laufen lassen, weil er sich lieber auf anderen Wegen erleben lassen will“! Das wichtigste Gebet ist jenes daß Gottes Reich kommen möge.
Damit will sie auch sagen: Gott funkioniert nicht. Er ist nicht der vor Jahrzehnten wuchernde Aberglaube, von Wünschen an das Universum, die dann angeblich immer erfüllt wurden. Jesu verstand das Gebet nicht wie das Plappern der Schwätzer, Ideen durchaus auch tiefsinnig denkender Philosophen. Oder von Menschen, die wortreich mit Gott korrespondieren und ihn doch nur zur Oberfläche ihrer ureigenen Gottesbilder machen. Also ein selbstgeschnitzter Privat-Gott, der fest eingefügt ist in jeweilige unterschiedliche Ideologien, Vorurteile und privaten Meinungen. Aber von mir geäußerte Wünsche, auf die Gott nicht antwortet, erzeugt einen enttäuschten Beter. Denn Gottes Gedanken sind höher als unsere Gedanken und seine Wege ebenso. Aber gerade deshalb ist er mein Gott. Derjenige, der die beste Mutter und die beste Vater für alle Kreaturen im Universum ist, also in Person das wirklich Gute und die vollkommende Liebe darstellt und der selbst Mensch wurde, aber bestialisch zu Tode gebracht wurde. Oder jener, der als Baby in einer Notunterkunft ohne Dach auf die Welt kam, vielleicht von einer 13jährigen Mutter und wobei aus dem Elternpaar Asylanten wurden, die ihren Sohn Jesus vor dem Gewaltherrscher Herodes in Ägypten in Sicherheit bringen mussten. Damals war dies eine sehr ungewöhnliche Geschichte, nur haben wir uns an ihren Inhalt gewöhnt und der geistig-geistliche Stoff hat aber längst wie ein Antibiotikum seine Wirkung verloren. Der Anspruch Gottes ist etwas „was mich unbedingt angeht“. Denn weil Gott Mensch wurde, fordert er von uns Menschlichkeit.
Mein Gott beantwortet alle meine Gebete, aber er gibt mir nicht immer all jenes, was ich mir von ihm erhoffe. Aber ich kann niemals tiefer allen als in seine geöffnete Hände. Und weil dies so ist, bin ich aus Dankbarkeit gerne jemand, der sich dem Ideal Jesu annähert und ihm mit aller meiner Unvollkommenheit gerne nachfolgt. Gott ist nur der Gute, es ist nichts Böses an ihm und er verhält sich nicht wie wir, sodaß er nicht das Negative mit dem Negativen bekämpft. Gott wirft keinerlei Feuer vom Himmel und seine Liebe erlöst daher alle Menschen, die sich in jetzt hier und in der Ewigkeit, immer freiwillig von ihm erlösen lassen. Denn sie lassen sich freiwillig mit ihrem Gott versöhnen, weil sich niemand dieser Liebe Gottes entziehen will.
Anders gefragt: Hätte es Saulus bekonnt, sich „nicht mit Gott zu versöhnen“? Ich glaube nicht: Weil er das große Licht sah, wurde aus Saulus auch ein Paulus. Niemand vermag sich an Gott vorbei zu mogeln. Am Ende rechnet Gott mit uns ab, aber nach den Prinzipien der Liebe und Vergebung. Denn Liebe ist keinerlei Gegenleistung, sondern auch im Ewigen Leben nur ein unverdientes Geschenk. Ohne Jesus gibt es keine Erlösung. Aber es gibt auch keine Menschen, denen Gott nicht vergibt. Wäre es so nicht, dann könnte es im Ewigen Leben erschreckend einsam sein, wir würden so behandelt wie wir als Menschen andere Personen behandeln und es gäbe nichts neues unter der Sonne. Das Ewige Leben ist eine Existenzebene, in der für unsere Schöpfung Zieleinlauf auf dem Programm steht. Dann wird der Sinn aller Existenz uns in allen Einzelheiten vollkommen klar sein.
Ich glaube schon, dass Gott auch Feuer vom Himmel regnen lassen kann. Außerdem können Menschen auch Nein zu Gott sagen.
Von daher stimme ich Frau Faludi zu: ich kann mir vorstellen, dass Gott sich manchmal verbirgt. Viel spannender fände ich jetzt zu hören: Hat Gott sich später noch offenbart? Welche Wege Gottes zu ihnen haben Sie, neben dem Bibellesen und Lobpreis, erlebt?
Hallo Frau Faludi,
Danke!
Vor fast 50 Jahren habe ich mein Leben bei einer Zeltmissionsveranstaltung, Jesus in die Hand gelegt.
Da war etwas in mir am Werk, was mich geradezu gedrängt hatte dies zu tun. Damals war ich 14 Jahre alt. Dieser eine Moment hat ausgereicht um ein tiefes Vertrauen zu Jesus in meinem Herzen zu verankern.
Oft wünsche ich mir diese tiefe Gewissheit zurück, dass Jesus meine Hand hält.
Dann hat das Leben viele Wunden geschlagen. Und kein Bibel lesen, kein Beten hat diese tiefe Verbundenheit die ich damals hatte, wieder hervorgebracht.
Ihr Text war nun für mich eine Befreiung.
Denn genau dieselben Empfindungen wie Sie das beschrieben haben, sind in mir.
Ich sage nochmals Danke!!!
Liebe Grüße Roland Klein