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Darum sind Christen so prüde, was Sex angeht

In christlichen Kreisen herrscht bei vielen ein negatives Verständnis von Sexualität vor. Alttestamentler Alessandro Casagrande meint: Das hängt mit einem falschen Menschenbild zusammen.

„Bloß eine leere Hülle“ – So begründen Klingonen im Star-Trek-Universum die pragmatische „Entsorgung“ ihrer Toten nach einem kurzen Trauerritual. Was nach abgedrehter Sci-Fi-Logik klingt, ist gar nicht so weit von einer Auffassung in unserer Wirklichkeit entfernt. Der griechische Philosoph Platon prägte die Vorstellung, dass sich die menschliche Existenz in Körper und Seele trennen lässt.

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Aber kann man Körper und Seele so einfach trennen? Der Körper – eine vergängliche Hülle, in der eine unsterbliche Seele wohnt? Im Alltag heißt das konkret: Entweder der Körper steht für das Animalische, Unkontrollierte. All das Negative, was ich unterdrücken muss, damit es meine Seele nicht beherrscht. Oder ich kann mit meinem Körper machen, was ich will, da es meine Seele ja nicht betrifft.

Negatives Verständnis von Sexualität unter Christen

Die erste Position hat in christlichen Kreisen zu einem sehr negativen Verständnis von Sexualität beigetragen. Sex und alles, was damit zusammenhängt, ist ein vergängliches Vergnügen, das mit Blick auf die Ewigkeit so weit wie möglich verhindert werden muss.

Das in unserer Popkultur gerne zelebrierte Handlungsmuster der „friends with benefits“ entspricht der entgegengesetzten Position, die man heute wesentlich öfter antrifft: Da Sex eine rein körperliche Angelegenheit ist, brauche ich mir um meine Psyche (Griechisch für Seele) keine Gedanken zu machen.

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Interessanterweise dürften Vertreter beider Positionen bei skeptischer Nachfrage ähnlich reagieren: Wenn du nicht in der Lage bist, zwischen körperlicher und seelischer Ebene zu trennen, dann tust du mir leid.

Körper und Seele nicht trennbar

Es gibt aber auch gute Gründe, diese Trennung zu hinterfragen. Wer schon mal wegen „Lampenfieber“ zur Toilette rennen musste, weiß, dass psychische Phänomene unseren Körper ganz schön beeinflussen können. Umgekehrt kann Sport bei depressiven Verstimmungen helfen. Und wen hat nicht schon mal ein gutes Essen mit lieben Freunden wieder aufgemuntert?

Diese Erfahrungen bestätigt die Medizin: Wir sind ganzheitlich-leibliche Lebewesen. Es ist deshalb nicht so einfach möglich, bei Menschen zwischen einem „Körper“ und einer „Seele“, zwischen einem „Außen“ und einem „Innen“ zu unterscheiden.

Eine ähnliche Perspektive unseres Menschseins findet sich auch im Alten Testament. Allerdings ist das durch eine oft unpassende Übersetzung des hebräischen Wortes nefesch mit „Seele“ nicht so leicht zu erkennen. Denn dadurch wird Platons Verständnis der Seele als Gegenpart zum Körper in die biblischen Texte hineingelesen. Leider passiert das immer noch oft in Predigten und christlichen Ratgebern.

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Hinweis auf Verletzlichkeit

Dass nefesch aber einen Aspekt des Menschen aus einer ganzheitlich-leiblichen Perspektive beschreibt, zeigt ein Textvergleich. So heißt es in Sprüche 12,10: „Es kennt der Gerechte das bedürftige Leben (nefesch) seiner Tiere, aber das Erbarmen der Frevler ist grausam.“ In 2. Mose 23,9 taucht die Vokabel ebenfalls auf: „Aber einen Fremden sollst du nicht unterdrücken. Und ihr kennt das bedürftige Leben (nefesch) des Fremden, denn ihr wart Fremde im Land Ägypten“.

In den meisten deutschen Übersetzungen wird in beiden Versen das Wort nefesch nicht mit „Seele“ übersetzt, da es im Zusammenhang wenig Sinn ergibt. Dies gilt besonders, wenn es sich in Sprüche 12,10 auf Tiere bezieht. In beiden Fällen lässt sich nefesch aber mit „bedürftiges Leben“ übersetzen.

Dafür sprechen vor allem Stellen, an denen nefesch sehr wahrscheinlich auf die Verletzlichkeit beziehungsweise auf die Nahrungsbedürftigkeit des Menschen verweist. Das ist zum Beispiel in Jona 2,6 und Sprüche 13,25 der Fall.

Den Mensch als Ganzes betrachten

Diese Texte haben zwar nichts mit Sex zu tun, sie sind aber Beispiele dafür, wie das Menschenbild im Alten Testament geprägt ist. Der Mensch wird nicht in verschiedene Teile zerlegt, sondern immer unter einem konkreten Aspekt als Ganzes betrachtet. Wenn es um seine nefesch geht, dann geht es nicht um seine innere Seele im Unterschied zu seinem äußeren Körper.

Es geht meist um etwas, was seine Lebendigkeit betrifft. Wenn es um sein „Herz“ geht, dann ist oft das Zentrum seiner Gedanken und Gefühle gemeint. Wenn es um sein „Fleisch“ geht, dann geht es häufig um seine Sterblichkeit. All diese Aspekte sind nicht irgendwelche Teile, die der Mensch hat, sondern verschiedene Aspekte seiner ganzheitlichen Leiblichkeit, die er – wie Sprüche 12,10 zeigt – teilweise mit Tieren gemeinsam hat.

Beim Sex lässt sich nicht zwischen körperlicher und psychischer Ebene unterscheiden.

Folgt man dieser Argumentation, heißt das: Beim Sex lässt sich nicht zwischen körperlicher und psychischer Ebene unterscheiden. Für mich ist das die wichtige Einsicht, die uns unsere Erfahrung, medizinische Erkenntnisse und eine oft vernachlässigte biblische Tradition über das Menschsein lehren.

Wenn es um meine Sexualität geht, kann ich diese weder einfach von „innen“ abschalten noch nur „außen“ passieren lassen. Negative und positive sexuelle Erfahrungen kleben nicht einfach an meiner körperlichen „Hülle“, die ich nach Belieben ablegen oder austauschen kann.

Alessandro Casagrande ist promovierter Alttestamentler und nerdiger Sci-Fi-Fan.


Ausgabe 5/21

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift DRAN erschienen. DRAN ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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7 Kommentare

  1. Sprüche 12/10: der Gerechter kümmert sich noch um seine Tiere, während die Respektlosen unbarmherzig sind. Bei den Sprüchen hier geht es als Nebeneffekt um die Bedürftigkeit der Tiere, hauptsächlich geht es um die Funktion der Seele (der Psyche) des Menschen gegenüber der Tieren. Die Seele eines Gerechten Menschen ist mit Liebe und Barmherzigkeit auch für die Tiere, bereichert. Seine Seele gibt seinem Körper den Anstoß die Tiere zu helfen. Die Seelen der Ungerechten sind mit dem Böse bereichert. Sie erkennen die Bedürftigkeit der Tiere nicht und lassen sie im Stich.

    Sex ist das schönste Gefühl was der Mensch in seinem Leben erfährt. Ist etwas zu vergleichen mit einem Gefühl das unbeschreiblich schön ist, als wenn wir uns in einem Paradies sich befinden würden. In diesem paradiesischen… Zustand kann der Mensch während des Geschlechts Aktes Leben zeugen. Dieses schöne Gefühl begleitet den Menschen sein ganzes Leben. Das ist das schönste Geschenk welches Gott dem Mensch mitgegeben hat. Hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit einem guten und gerechten Leben auf der Erde. Dieses erreicht man wenn man die Gesetze Gottes welches den Sex betreffen (Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Treue, Liebe,) folgt. Sex vor der Ehe und während der Ehe ist ganz normal. Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Treue und Liebe kann das Sexgefühl verstärken. Sonst wird es langweilig.

    Sprüche 13/25: Ein gerechter Mensch isst und seinen Hunger stillt, aber der Bauch der gottlosen Entbehrung erfährt. Ein Mensch der mit dem wenig und Gut satt wird, ist im Leben zufrieden. Jesus Christus hat uns empfohlen Gerste oder Weizen, Öl (hier Olivenöl ist gemeint welches damals gab) und Wein zu schützen weil die wichtigsten Nahrungsmitteln für unseren Körper sind (siehe Offenbarung Kapitel 6/6). Was machen wir aber heute? Wir leben im Überschuss von Lebensmitteln und wir werden nie richtig zufrieden. Wir haben nicht gelernt mit wenig aber gut zu leben.

  2. „ Was das A.T. sagt, muss uns in diesem Zusammenhang nicht interessieren, da das Wissen des Menschen über seine Beschaffenheit zunehmen, aber leider auch abnehmen kann. Wir haben also in den alttestamentlichen Vorstellungen über den Menschen nur eine geschichtiche Wahrheit.“

    Dass Sie Ihre eigene esoterische Ansicht haben, machen Sie gerne hier in den Kommentaren deutlich.
    Ihre obige Aussage ist faktisch falsch und Sie unterstellen unserem Schöpfer Gott uns falsche Informationen überliefert zu haben.
    Was Sie tun, ist menschliches Denken zum Maß aller Dinge zu erhöhen.

  3. @Jesus.de:

    Irgendwie passiert es in letzter Zeit immer wieder, dass Titel und Inhalt nicht zusammenpassen.
    Der Text geht gar nicht darauf ein, warum ausgerechnet Christen so prüde sein sollen.

    Es gibt zwar auch Vertreter der Prüderie in christlichen Kreisen, aber ebenso in säkularen.
    Selbst meine Großeltern, keinesfalls Christen, waren sehr prüde.
    Dann kommen noch Menschen, wie oben Manfred Reichelt, die ihre esoterischen Erkenntnisse der Bibel überstülpen wollen.

    Die Bibel (und selbst Paulus) lehren an keiner Stelle eheliche Enthaltsamkeit und Prüderie.

  4. Sexualität und ein großes Gehirn müssen harmonieren

    Alessandro Casagrande hat einen kurzen prägnanten, aber guten Artikel geschrieben. Der griechische Philosoph Platon prägte in der Antike die Vorstellung, dass sich die menschliche Existenz in Körper und Seele trennen lässt. Was so einfach nicht zutrifft. Zunächst müssen wir ja unseren Blick – um der besseren Verständlichkeit – auf unser Erdenleben beschränken. Hier allerdings ist Seele und Körper nur sprachlich-bildlich trennbar, es sind in Wirklichkeit nur zwei Perspektiven. Bezüglich der Sexualität kann dies nur bedeuten, dass sie so wie es biologisch-medizinisch zutrifft, für unsere menschliche Existenz eine sehr grundlegende Bedeutung besitzt. Sexualität ist „natürlich“! wie essen und trinken, nur gehört sie begrifflich wohl eher zur Kommunikation. Kommunikation (verbal= sprachlich), und (nonverbal= nichtsprachlich) – kann lieblos, gefühllos, hasserfüllt und so auch (bereit zur) Gewalttätigkeit sein. Es gibt also weder eine gute noch eine böse Sexualität, sondern sie ist so wie wir sie leben. Christlich würde ich sie dann positiv einordnen in unsere Werte und damit in die Ethik. Wenn ich einem anderen Menschen wertschätzend begegne, dann immer der ganzen Person. Wer eine Person wie eine Sache behandelt oder benutzt, tut das Gegenteil. Der Missbrauch von Menschen durch eine sexuelle oder andere Form von Gewalt wird immer Leib sowie Seele schädigen. Wobei Gottes Gebot, und damit auch Jesu Gebot, mit dem sogar die ganze christliche Lehre zusammengefasst ist, lautet: „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“! Die Urgemeinde hat daraus auch für die damalige Gemeindepraxis abgeleitet: Glaube, Hoffnung und Liebe, aber die Liebe ist die Größte unter diesen dreien. Wenn ich nicht sehr irre hat Paulus hier besonders betont, dass die Liebe niemand etwas böses antut, sonst ist sie nicht was sie vorgibt. Schon an diesem Grundsatz wird deutlich, dass der Umgang mit unseren Mitmenschen immer von Liebe geprägt sein soll. Also nicht oder nicht nur rein gefühlsmäßig verstanden, sondern was und wie wir in Realität mit jederman im ganz normalen Alltag des Lebens verkehren. Die Sexualität als ein wichtiger Lebensantrieb, womit uns Gott so großzügig ausstattete wie mit einem großen Gehirn, verdient es weder über- noch unterbewertet zu sein. Die Wichtigkeit von Sexualität unterstreicht auch die Tatsache, dass heute auch jede Musikform, Literatur bis hin zum Film und Schauspiel kaum ohne sie vorkommt.
    Streiten kann man immer über die Maß oder Ausmaß von Sexismus. Jedenfalls eine Überbewertung dieser ganz tonangebenden menschlichen Dimension, die ja immerhin sogar unser Überleben als Art beabsichtigt, führt eher zu größeren Problemen. Sie ist vergleichbar mit der Kultur des Essens. Es gibt das gute, liebevoll zurecht gemachte Mahl, das jeder Gast auf Erden erhält, damit er gestärkt und nach Möglichkeit einigermaßen glücklich sein kann. Wobei ein nicht so schön gerichtetes Mahl nicht eine höhere Qualität verschenkt, sondern eine fast riesige Masse an Nahrung. Qualität und Quantität sind dürfen ausgewogen sein. Und wie bei allen Lebensäußerungen darf man keinen körperlichen oder seelischen Zustand überbewerten: Ich bin nicht immer gut gelaunt, humorvoll, geistig rege oder jederzeit Blitzmerker. Niemand ist immer glücklich. Sexualität als eine Ausgeburt von Glückseligkeit falsch zu verstehen ist ein Missverständnis und führt eher zu einem gestörten Verhältnis, und möglicherweise auch zu einer Betriebsstörung dieser zentralen Gabe. Es ist nicht so, dass wir im Ewigen Leben nur noch eine Seele haben, also vielleicht nur reiner Geist sind. Was wir davon lediglich glauben können ist, dass es einen Neuen Himmel und eine Neue Erde gibt – also ein völlig anderes Universum der Ewigkeit – und dann sind wir auch dort wieder personhaft vorhanden, und nicht nur ein wabernder Geistnebel. Die Bibel drückt dies sehr irdisch aus: Wir haben dort einen himmlischen Leib. Und diesen Leib brauchen wir auch im Himmel, damit Gott uns umarmen kann. Wir bleiben Mensch.

  5. Der Mensch HAT eine unsterbliche Seele. Das ist christliche Lehre. Was das A.T. sagt, muss uns in diesem Zusammenhang nicht interessieren, da das Wissen des Menschen über seine Beschaffenheit zunehmen, aber leider auch abnehmen kann. Wir haben also in den alttestamentlichen Vorstellungen über den Menschen nur eine geschichtiche Wahrheit.
    Hätte der Mensch KEINE unsterbliche Seele, sind ALLE RELIGIONEN obsolet. Denn was mit dem Fleisch vergeht, vergeht endgültig. Eine Auferstehung gibt es nur, weil die Seele mit dem Körper nicht eins ist. Deshalb soll auch die Seele die fleischlichen Begierden überwinden (s. Jesus und die Apostel).

    • „ Was das A.T. sagt, muss uns in diesem Zusammenhang nicht interessieren, da das Wissen des Menschen über seine Beschaffenheit zunehmen, aber leider auch abnehmen kann. Wir haben also in den alttestamentlichen Vorstellungen über den Menschen nur eine geschichtiche Wahrheit.“

      Dass Sie Ihre eigene esoterische Ansicht haben, machen Sie gerne hier in den Kommentaren deutlich.
      Ihre obige Aussage ist faktisch falsch und Sie unterstellen unserem Schöpfer Gott uns falsche Informationen überliefert zu haben.
      Was Sie tun, ist menschliches Denken zum Maß aller Dinge zu erhöhen.

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