Viele Jahre erlebt Daniel Gruber das Gespräch mit Gott in einem Gebetshaus. Doch nach Umzug und Jobwechsel muss er neue Wege finden.
Von Daniel Gruber (CVJM-Sekretär)
Gebet. So ein kurzes Wort mit so unfassbar viel Auswirkung. Pure Verbindung: zu Gott, zu mir selbst, aber auch zu meinem Umfeld, in dem ich lebe. Im Kern steckt darin echte Verbundenheit mit dem Leben, und das auf einer Ebene, die wir zutiefst brauchen. Gebet ist ein Schatz, den wir als Christinnen und Christen fest in unserem Erbe verankert haben – und oft doch nicht heben. Es ist der vielleicht wichtigste Ausdruck christlicher Spiritualität und doch scheint er oft so weit weg zu sein.
Wer spürt hier nicht die Spannung? Ich kenne sie sehr gut aus meinem Leben und will ein wenig Einblick darin geben. Ich habe Gebet gelebt und erlebt. Ich hatte Gebet fast zehn Jahre als Kernaufgabe meines Arbeitsalltags in einem Gebetshaus und auch davor schon eine längere Geschichte damit.
Meine Lebensphasen als Beter
Als ich 17 oder 18 war, hatte mich das Buch „Red Moon Rising“ von Pete Greig auf eine Weise auf das Thema Gebet aufmerksam gemacht, dass ich einfach Lust hatte, Räume zum Beten zu schaffen. In dieser Zeit hatte ich einmal einen merkwürdigen Gedanken. Es war mir, als würde ich das Wort „Gebet“ vor meinem inneren Auge sehen und den Gedanken, dass ich mich damit gut auskennen sollte. Ich hatte dann manchmal das Gefühl, ich sollte mehr dazu lesen, aber als 18-Jähriger war Lesen definitiv nicht meine Leidenschaft. Dennoch blieb ich am Thema dran. Wir richteten im Jugendkeller einen Gebetsraum ein. Er war zu niedrig, um darin zu stehen, und es führten Belüftungsrohre hindurch, aber egal: Wir hatten krasse Gebetszeiten und haben tolle Erfahrungen gemacht.
Später habe ich fast zehn Jahre lang in einem Gebetshaus gearbeitet. Im Laufe der Zeit wurde die Gebetshausszene (vor allem wegen der MEHR-Konferenz in Augsburg) bekannter und auch unser Gebetshaus in Freiburg wuchs. Es wurde für viele Menschen ganz normal, täglich oder wöchentlich viele Stunden im Gebet zu verbringen.
Was war das für eine Zeit im Gebetshaus für mich gewesen? Die Antwort darauf wurde mir durch den Kontrast klar: Als Sabbatical arbeitete ich im Anschluss ein Jahr lang als Barista. Danach bin ich als CVJM-Sekretär (eine Art leitender geistlicher Bildungsreferent) wieder in die kirchliche Szene eingestiegen – und es dämmerte mir: Was ich im Gebetshaus gemacht habe, war echt exotisch!
Seitdem beschäftigt mich die Frage: Wie kann ich Gebet in meinen Alltag integrieren? Ich meine diese ganz persönlichen Zeiten. meine Verbundenheit mit dem Leben, wie ich sie eigentlich liebe, aber trotzdem oft nicht finde.
Gebets-Ideale
Ich habe einen inneren Prototyp, wie Gebet für mich aussieht, wenn es um diesen ganz persönlichen Aspekt von Gebet geht. Vielleicht geht mir das nicht allein so – möglicherweise haben viele, die diesen Beitrag lesen, ebenfalls ihre Ideale und ersehnten Modelle. Während ich von meinem Prototyp berichte, können Sie vielleicht beiläufig Ihr eigenes Ideal damit vergleichen.
Mein innerer Prototyp sieht so aus: Ich war im Urlaub, und zwar (als einem der letzten Male) mit meinen Eltern im klassischen Familienurlaub. Meine Brüder waren schon wieder abgereist und ich hatte eine ganze Woche, in der ich mir einen ruhigen, sonnigen Platz an einem kleinen, einsamen See zu eigen machte. Hier habe ich jeden Tag Zeit verbracht, Bibel gelesen, Feuer gemacht, mal ins Wasser gesprungen. Ich hatte immer Kaffee dabei und ab und zu gönnte ich mir ein Zigarillo. Auch eine kleine Musikbox war im Gepäck und es lief viel Lobpreis, damals mit großer Wahrscheinlichkeit von Hillsong. Beim Bibellesen las ich gemütlich ein Kapitel nach dem nächsten durch und stoppte immer bei den Aspekten, die mich inspirierten oder ins Nachdenken brachten. Dabei genoss ich das Glitzern der Sonne, die Spiegelungen der Baumwipfel auf dem Wasser und die Tatsache, dass ich gerade ganz für mich war.
In diesen Tagen am See bildete sich für mich heraus, wie ich Gebet erlebte. Ich fühlte und wusste mich Gott ganz nah. Nicht dass ich viele Worte formuliert hätte, eher erlebte ich ein Nachdenken und Sein in Gottes Gegenwart. Psalm 27,4 wurde deshalb für mich ein Zugang zum Gebet: „Eins habe ich vom Herrn erbeten, danach trachte ich: zu wohnen im Haus des Herrn alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Freundlichkeit des Herrn und nachzudenken in seinem Tempel.“ Nachdenken in seiner Gegenwart ist für mich eine Form von Gebet.
Das also ist mein inneres Bild, wie für mich Gebet aussieht at it’s best. Welches wäre Ihr Ideal? Und wenn Sie es beschreiben – was genau daran entspricht Ihnen und Ihrer Persönlichkeit?
Wie Verbundenheit entsteht
Ich weiß, dass Gebet viele Aspekte hat. Es gibt gemeinsame Fürbitte-Momente, durchtragendes Fasten, starke Anbetungszeiten, intime Kontemplation, verzweifelte Hilferufe und andere Formen. Aber ich konzentriere mich hier mal auf den Verbundenheits-See-Aspekt.
Verbundenheit, weil ich in solchen Momenten meistens ganz im Hier und Jetzt ankomme. Ich bin richtig da, mit all meinen Emotionen, Gedanken, Fragen und Freuden. Dabei spüre ich mich, bin verbunden mit mir selbst und mache in diesem „da Sein“ Gott die Tür zu meiner Innenwelt auf. Manchmal habe ich aber auch das Gefühl, dass er mir seine Welt öffnet, dass er mich in seinen Gedanken und seiner Klarheit willkommen heißt. Nicht selten habe ich das Gefühl, dass als Wirkung solcher Zeiten meine Erdung und Präsenz in meinem Umfeld gestärkt wird. Nachdem ich also vor Gott ganz „da war“, kann ich dann auch in meiner Familie, im Job, am Telefon, unter Freunden ganz „da sein“. Manchmal fühle ich mich inspiriert, erfrischt oder einfach ein wenig klarer. Manchmal passiert einfach nichts von all dem und ich fühle mich null verbunden. Doch um dieser Klarheit willen, die ich immer wieder erlebe, liebe ich diese Verbundenheit, und deshalb wünsche ich mir solche Zeiten.
Wie aber finde ich Verbundenheits-Momente in meinem Alltag? Meine Frau Lisa und ich haben mittlerweile drei absolut wunderbare Kinder, mit denen der Alltag gut gefüllt ist. Früher hatte ich kein Auto, keinen Garten, keine Steuererklärung, keinen intensiven Beruf. Und damals am See hatte ich noch keine mobilen Daten, kein Instagram oder Netflix. Und jetzt? Tja, ein schöner einsamer See breitet sich leider nicht vor der Haustür aus … Aber wir haben im CVJM zum Glück einen Gebetsraum. Und es gibt Momente, in denen meine Kinder schlafen oder im Kindergarten sind. Augenblicke also, in denen ich mir einen Verbundenheits-Moment gestalte. Zur Zeit klappt das allerdings selten. Manchmal versuche ich, früher aufzustehen, manchmal versuche ich, es mir woanders einzuplanen. Und ab und zu passiert es spontan – das ist eigentlich das Beste!
Praxistipps für den Alltag
Was also hilft mir, solche Zeiten zu gestalten?
- Ausreichend Schlaf. Ein früherer Kollege sagte mal: „Manchmal ist schlafen das Geistlichste, was du tun kannst.“ Wahrscheinlich erleben wir uns alle viel aufnahmefähiger, konzentrierter, gelassener, empfangsbereiter, wenn wir nicht total übermüdet sind. In hochintensiven Arbeitszeiten dagegen fühle ich mich selten besonders resonanzfähig gegenüber Gottes ganzheitlichem Reden.
- Eine schöne, angenehme Umgebung. Ich persönlich fühle mich direkt wohler, wenn ich von Schönheit umgeben bin. Natur, ein schönes Café, Spaziergang, Sonnenlicht, ein aufgeräumter Ort, Ästhetik auf irgendeiner Frequenz. Kein must have, aber definitiv hilfreich.
- Das Lieblingsgetränk meiner Wahl. In der Regel ein guter Cappuccino. Je nach Tageszeit und Stimmung natürlich variabel.
- Lobpreismusik. Manche lenkt sie ab, ich für meinen Teil mag sie sehr.
- Eine Möglichkeit für Notizen. Fast immer fallen mir erst einmal alle To-Dos ein. Die schreibe ich auf, dann nehmen sie schon mal weniger Aufmerksamkeit ein. Außerdem schreibe ich oft weitere Gedanken auf, die mir kommen.
- Manchmal helfen mir auch gute Bücher, mein Nachdenken vor Gott zu beflügeln. Manchmal lenken sie mich aber auch zu sehr ab. Mal so, mal so.
- Im Gebetsraum im CVJM habe ich ein Gebetsbänkchen stehen, auf dem ich oft meine Gebetszeit anfange. (Zumindest, wenn ich mal dazu komme …) Das ist eine Angewohnheit aus Gebetshauszeiten. Ich möchte eine äußerliche Körperhaltung für ein inneres Geschehen einnehmen. Zuhause ist es aber oft auch der Bürostuhl, die Couch und eine entspannte Haltung. Ein Ausdruck für „Ich genieße die Zeit“.
- Das Gebet „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner“ ist ganz oft mein Begleiter. Wunderbare Worte für meine Sehnsucht, dass meine Anliegen auf seine Gnade treffen oder er auf seine Art und Weise etwas in die Hand nimmt.
- Und natürlich versuche ich, mein Handy mal zur Seite zu legen oder den entsprechenden Fokus einzustellen.
Um meine Erfahrungen noch einmal als Tipp zu bündeln: Setzen Sie sich einen guten Rahmen, damit Ihr Inneres es leichter hat, Verbindung aufzunehmen (mit sich selbst und mit Gott). Eine große Stärke von Gebetsräumen ist es, solch einen Rahmen zu setzen. Aber auch überall anders können Sie sich Ihren Rahmen gestalten.
Und wenn das kaum möglich ist? Nun, manchmal entsteht so ein Rahmen einfach. Ich erinnere mich, wie ich einmal bei der Autofahrt vom Baumarkt nach Hause plötzlich bei einem Lobpreislied voll in dieser Verbundenheit angekommen war. Das war eher der unerwartete, nicht selbst gesteckte Rahmen. Doch kein Zweifel: ein Rahmen war es. Eine Zeit und ein Ort, nicht einmal im Wohnzimmer, sondern im fahrenden Auto. Ohne viel Ablenkung auf der Landstraße unterwegs, Aufmerksamkeit bei den Liedzeilen, Sonnenuntergang im Hintergrund. Und zack, da war eine Begegnung. Ein Stück See-Moment, einfach so.
Daniel Gruber lebt in Meckesheim, nahe Heidelberg. Dort ist er leitender Sekretär des CVJM. Er engagiert sich bei der Evangelischen Allianz Deutschland und anderen Netzwerken.
Dieser Artikel stammt aus sela. Das Gebetsmagazin 2025. sela. wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.
Ich habe diese Sonderausgabe „Sela“ auch bekommen und ich finde, es sind wirklich viele gute Anregungen dabei. Was ich persönlich schön finde, ist sich irgendwo in der Wohnung eine Gebetsecke einzurichten, vielleicht mit einem Tischchen, einer Bibel und einer Kreuzesdarstellung. Wäre vielleicht auch schön zum Bibellesen.
Bei Gott zählt guter Wille und Ehrlichkeit
Jedenfalls ein guter Artikel über das Beten. Aber so wie jeder Mensch ein Original Gottes ist, mit Echtheitsgarantie, wird man auch nicht das sehr vertrauensvolle Gespräch mit Gott standartisieren. Jedenfalls habe ich mir angewöhnt, allerdings auch mit dem Gefühl dass es nicht anders bei mir funktioniert, fast an jedem Ort, zu jeder Zeit und prinzipiell bei allen Anlässen, mit meinem Gott zu reden. Gebete wurden immer erhört, Gott gab mir nie einen Stein, er hat aber aus guten Gründen auch nicht alle Wünsche erfüllt. Als Jugendlicher und junger Erwachsener habe ich in meinen stundenlangen Waldspaziergängen, wo man überlicherweise fast nie jemand begegnet, mit Gott alles besprochen. Das Schöne am Gebet ist, dass es völlig unlogisch wäre ihm nicht alles zu sagen, da er alles wissen wird. Andererseits glaube ich nicht, daß er dies gegen mich verwendet und also meine Ehrlichkeit ausnutzt. Selbst liebende Eltern kämen nicht auf die Idee – hoffe ich wenigstens – Guttaten gegen Leistungen, Zuwendung nur gegen Gehorsam und perfektes Parieren zu leisten. Liebe ist im Ideal vollständige Annahme eines Menschen ohne jede Vorbedingung. Dies glaube ich, kann perfekt nur Gott. Daher gehört m.E. zum christlichen Leben auch wohltuend dazu, aus der Vergebung zu leben und sich notfalls auch mal zu entschuldigen. Christlich ist dann allerdings, die bedingungslose Liebe auch mit der eigenen Liebe Gott gegenüber zu beantworten. Auch Christinnen und Christen sind nur glücklich, wenn sie sich geliebt fühlen, von anderen Menschen, von Gott, nicht als Mittel zu Zweck, sondern uneigennützig. Mir ist völlig klar, daß Gläubige nie vollkommen sind so wie es Jesu Mitarbeiter:innen auch nicht waren. Bei Gott zählt auch der gute Wille und die Ehrlichkeit.
Moin Ulrich….ich habe auch meine eigene Art zu beten.
Jeder hat da so seine Art und Weise denke ich.
Rituale…Zeiten….wie auch immer.
Mich interessiert es schon, wie Menschen beten.
Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott…einfach ein Gespräch.
Er ist mein Papa und er kennt mich.
Papa Gott kennt Jeden.
Es würde keinen Menschen geben, den er nicht kennen würde….denn was entgeht seinem Auge?
Nichts!
Seine Augen sind überall…er ist ein Gott, der uns sieht! Amen
Und hört!
Ich finde es schön, dass Gebet erklärt wird.
Für Menschen ,die nichts damit anfangen könne n, ist das wichtig.
Ich habe keine festen Gebetszeiten.
Aber schon meine Lieblingssorte für verschiedenste Gebete.
Meistens bete ich da,wo ich bin.
Immer so,wie es dann gerade kommt….
wenn ich traurig bin, bete ich.
Wenn ich in Not bin, bete ich….
Wenn ich dankbar bin,bete ich.
Für Andere bete ich….
ich denke ein Leben mit Gott ist Gebet.
Ich grüße dich auch Ulrich….jeder hat seine Art mit dem Papa Gott zu sprechen.
Meike
Wie kompliziert kann man „Gebet“ eigentlich machen?
„Und das ist die Zuversicht, die wir ihm gegenüber haben, wenn wir etwas bitten nach seinem Willen, dass er auf uns hört. Und wenn wir wissen, dass er auf uns hört, was wir auch bitten, dann wissen wir, dass wir die Dinge haben, die wir von ihm erbeten haben.“ (1 Jo 5,14-15)
Und hier noch ein Wort von Kierkegaard:
„Beten ist nicht sich selbst reden hören, sondern verstummen, so lange verstummen und warten, bis der Betende Gott hört.“