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Gemeinde: „Gott sei Dank sind wir so klein!“

Christina Schöffler hat sich oft gewünscht, dass ihre Gemeinde schneller wächst. Seit Corona erlebt sie jedoch den Segen einer kleinen Gemeinschaft.

Ganz oft ging es mir mit unserer Gemeinde wie dem Kind, das sich jede Woche ungeduldig vor die Messlatte im Flur stellt: Es ging mir mit dem Größerwerden nicht schnell genug! Und wenn ich dann die Messlatte an andere Gemeinden in unserer Umgebung hielt, bei denen alles so viel größer und so viel beeindruckender war, war ich erst recht unzufrieden mit uns.

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Und dann kam Corona. Die großen Gemeinden kamen ins Schwitzen. Schneller als jedes Digitalisierungsprogramm der Bundesrepublik wurden Online-Gottesdienste entworfen, Instagram und Podcasts aktiviert – alles in der Hoffnung, dass die Leute nicht abwanderten oder sich am vollen Buffet bei anderen, vielleicht attraktiveren Kanälen bedienten (so zumindest war meine Wahrnehmung von außen). Auch wir, als kleine Gemeinde, kamen erstmal ein wenig in Stress bei der Frage, wie es denn nun weitergehen könnte.

Im Garten Gottesdienst feiern

Wir haben uns ein paar Mal über Zoom „getroffen“, um dann den Rest des ersten Coronasommers auf der Gartenwiese von Gemeindemitgliedern zu verbringen. Bei schlechtem Wetter landeten wir auch mal in einer Tiefgarage (für eine Autostadt wie Stuttgart auch irgendwie passend). Und immer wieder ertappte ich mich in dieser Zeit bei einem völlig neuen Gedanken: Gott sei Dank sind wir so klein! Gott sei Dank haben wir kein riesiges Programm, das wir jetzt umorganisieren müssen. Gott sei Dank können wir uns einfach, mit Corona-Abstand, weiterhin sehen.

Und seit wir wieder ganz offiziell die Türen geöffnet haben, erleben wir tatsächlich einen kleinen Wachstumsschub. Immer mal wieder begrüßen wir neue Menschen in unserer Mitte. Wenn ich dann dazu ansetze, mich dafür zu entschuldigen, dass wir so wenige sind und so wenig Aufregendes zu bieten haben, fallen sie mir ins Wort und sagen: „Wir brauchen kein tolles Programm. Wir suchen nach einer kleinen, echten Gemeinschaft.“ Dann atme ich innerlich auf.

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Wir setzen uns an die Tische in dem Café, in dem wir uns gerade treffen, singen spontan ein Geburtstagsständchen für eins unserer Kinder, während ich nebenher noch einen Freund begrüße, der es auch heute wieder geschafft hat – trotz schwerer Lebensumstände! – nüchtern aufzutauchen. Wir lachen über ein etwas schräg gesungenes Lied und versuchen, uns auf die Predigt zu konzentrieren, während in der Spielecke ein Zweijähriger Klangexperimente mit Holzklötzchen macht. Die Gäste können sich freuen: alles sehr klein. Sehr echt. Und ich könnte meine Gemeindefamilie dafür knutschen (zumindest an den meisten Sonntagen!).

„The church needs to move from the stage to the table“ („Die Kirche muss von der Bühne an den Tisch wandern“) – sagte mein Lieblingsprediger Mike Pilavachi, der viele Jahre große Jugendfestivals in England geleitet hat. Und weil ich das gemeinsame Essen mit anderen so liebe, gefällt mir dieser Gedanke sehr, dass die Kirche sich von der Bühne Richtung gemeinsamer Tisch bewegen sollte. (Ich setze jetzt einfach mal voraus, dass mit dem „table“ auch ein Esstisch gemeint sein könnte!).

„Die Kirche muss von der Bühne an den Tisch wandern.“

Mike Pilavachi

Angesichts von so manchen Auflösungserscheinungen und Spaltungen großer Kirchen und dem Scheitern einiger ihrer Leiter könnte es vielleicht genau das sein, was uns guttun und richtig neu beleben würde? Weg von den Bühnen und Programmen, hin zu den Tischen, an denen man einander ehrlich in die Augen schauen und alles auspacken kann, was man mitgebracht hat. Kleine Runden, in denen man sich traut, die Fragen zu stellen, die einen wirklich umtreiben und in denen viel zugehört wird. Und gelacht. Und auch ein paar Tränen verdrückt werden. In der jede Predigt in ein Gespräch übergeht und wo neben der aufgeschlagenen Bibel Brot und Wein und ganz viel Gnade auf dem Tisch liegt.

Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen! So steht es in unserem apostolischen Glaubensbekenntnis. Darin steckt das Vertrauen auf die Worte von Jesus, dass er dort, wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind, mitten unter uns ist. Und das glaube ich tatsächlich – zumindest an meinen guten Tagen: Hier liegt die Kraft der Kirche! Nicht in unseren Begabungen, nicht an der Qualität der vorgetragenen Lieder, nicht am Alter und Coolnessfaktor der Leute in den Reihen, nicht an der Begabung des Predigers und auch nicht darin, wie groß die Gruppe ist, die zusammenkommt! Die Kraft und Attraktivität unserer Gemeinschaften liegt schlicht und ergreifend an Jesus, der versprochen hat, unsere Treffen (von zwei Personen aufwärts) mit seiner Gegenwart zu bereichern.

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Hier trifft sich die Familie – Schwierigkeiten inklusive

Aber – um hier keine romantisch verklärte Vorstellung aufkommen zu lassen – es ist kein Freundeskreis, der sich um diese Tafel versammelt! Es sind auch nicht Menschen, die alle auf dieselbe Weise ticken. Es sind nicht mal Menschen, die genau dieselben (theologischen) Überzeugungen haben! Hier trifft sich die Familie. Mit allem, was Familie so reich und schwierig macht. Schau sie dir an, die Geschwister: Nervig. Streitsüchtig. Egoistisch. Skurril. Anstrengend. Liebenswert. Menschen wie du und ich.

Und Jesus mittendrin. Mit strahlenden Augen. Weil er etwas in uns sieht, was wir oft so schwer entdecken. Er liebt uns, wie wir heute sind, und er liebt auch das in uns hervor, was wir in seiner Nähe alles werden können. Was da noch an Segen wachsen kann. Was von diesen Tischen an Heilung und Hoffnung in diese Welt fließen kann. Wir haben ja keine Ahnung, was er aus den paar Brotkrümeln machen kann, die wir ihm da Woche für Woche hinhalten!

Ich will aufhören, den Vergleich mit anderen zu suchen.

Doch, ich will immer noch, dass wir weiterwachsen. Jeder gesunde Organismus wächst. Aber ich will aufhören, den Vergleich mit anderen zu suchen. Ein Brombeerstrauch hat ein anderes Wachstumsziel als ein Apfelbaum; und ein alter Weinstock bringt vielleicht weniger, dafür aber qualitativ sehr hochwertige Früchte hervor. Und letztlich geht es bei einem Organismus nicht darum, immer größer zu werden, sondern Jahr für Jahr (oder manche Pflanzen auch nur alle paar Jahre!), entsprechend seiner Bestimmung, gute Früchte hervorzubringen.

Und für uns alle – egal wie groß wir sind! – hoffe ich auf ein tief angelegtes, beständiges Wachstum in der Gnade. Und in der Liebe. Zu Jesus. Zu seiner Familie. Und zu seiner so sehr geliebten Welt. Ich hoffe, dass wir in der Hoffnung und im Vertrauen auf Gottes große Geschichte mit uns, seiner Kirche, wachsen. Dass es am Ende eine Segensgeschichte wird, weil Jesus sich selbst in jedes unserer Kapitel schreibt. Ich bleibe dabei. Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen!

Christina Schöffler lebt, liebt und leidet mit ihrer kleinen Gemeinschaft in der Nähe von Stuttgart seit nun fast 30 Jahren und ist von diesem Thema so fasziniert, dass sie ein ganzes Buch darüber geschrieben hat: „Warum ich da noch hingehe. Die Kirche, Jesus und ich“ (Neukirchener Verlag).


JOYCE 4/22

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift JOYCE erschienen. JOYCE ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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1 Kommentar

  1. Kirchen nicht selten in Routine erstarrt

    Die Kirche muss (wirklich) von der Bühne an den Tisch wandern. Allerdings (dann!), wenn es im Einzelfall so ist, dass beispielsweise bei unseren landeskirchlich evangelischen Gemeinden manchmal die Kerngemeinde abhanden gekommen ist. Ich meine damit: Die kleinen und größeren Gemeindegruppen, kirchlichen Chöre, Treffs, Bibelstunden usw. Wenn dann also, und da gibt es einen Zusammenhang, am Sonntagvormittag nur noch wenige, meist ältere Menschen, vor dem Altar sitzen. Wenn man – und dies kommt häufiger vor – in der christlichen Gemeinde immer nur die gleichen Akteure als Ehrenamtliche, als Gottesdienstgemeinde, oder aus der Gemeindeleitung (Kirchenvorstand) trifft. Dies wird gerne auf einen Traditionsabbruch geschoben, aber die beiden großen Kirchen konnten aus dem immer noch großen Heer der Kirchensteuerzahlende seit Jahrzehnten allerhöchstens 5 % der vorhandenen Seelen erreichen. (abgesehen von den Kirchenaustritten) Ein progressiver Jesuit hat schon in den 1970er Jahren postuliert, die Kirche/n der Zukunft sei/en die vielen kleinen aktiven (auch ökumenischen) Gruppen von Christinnen und Christen, die ihren Glauben – teilweise auch gemeinschaftlich leben – und Licht der Welt sind. So kann es kommen, und dies wäre dann auch nicht weniger gesellschaftliche Wirkung. Vielleicht sogar mehr: Denn Menschen die Jesu Botschaft ganz und gar leben, auch mit armen Menschen zusammen, an durchaus unheiligen Orten und Gelegenheiten, die können sein wie Leuchttürme und Fackeln in der Dunkelheit: An den Hecken und Zäunen.

    Zitat: Schneller als jedes Digitalisierungsprogramm (in der Coronakrise) der Bundesrepublik wurden Online-Gottesdienste entworfen, Instagram und Podcasts aktiviert – alles in der Hoffnung, dass die Leute nicht abwanderten oder sich am vollen Buffet bei anderen, vielleicht attraktiveren Kanälen bedienten (so zumindest war meine Wahrnehmung von außen)“! Allerdings glaube ich weniger, dass solche recht eigensüchtige Motive wirklich vorherrschend sind. Nach fast 50 gewesene Jahr in der Mitarbeit und Mitleitung einer Kirchengemeinde scheint dies eher der Ballast der zäher Bürokratie zu sein, die Kirchen in einer komplizierten und geregelten Welt bzw. Gesellschaft benötigt, die wenig Raum lässt für geistliche Kreativität und Sensibilität für den Heiligen Geist. Es ist dann eher die Routine und dass alles so weiterfunktionieren soll wie seit vielen Jahren, die der Heiligen Geistkraft allerdings Knüppel zwischen die Beine wirft.

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