Kunsttherapeutin Carina J. Nill verbringt Zeit mit alten Menschen im Seniorenheim. Dabei lernt sie zwei wichtige Dinge für ihren Familienalltag.
Mein Sohn bringt derzeit regelmäßig Freundebücher mit nach Hause. Jedes Mal muss er sich mit der Frage „Was ich mal werden will“ auseinandersetzen und kann sich schwer zwischen Höhlenforscher, Busfahrer und Bürgermeister entscheiden.
Mich treibt eine ähnliche Frage um. Dabei geht es allerdings nicht um das Was, sondern um das Wie. Zum ersten Mal arbeite ich als Kunsttherapeutin mit alten und dementen Menschen. Bisher kannte ich nur die Arbeit mit Kindern. Aber manchmal ist der Unterschied gar nicht so groß. Es werden genauso viele Gläser umgeworfen, Sachen verloren, Dinge vergessen, und ich muss Ermahnungen wegen Schimpfwörtern aussprechen. Und doch geht es tiefer.
„Schwere Herzen kommen mir mit diesen Damen oft entgegen.“
Jede Begegnung scheint mir lehrreich: Eine Frau verlangt ständig nach Wurstsalat und Bier und beschwert sich über die wenigen Männer in ihrem Wohnbereich. Vorbeigehende begrüßt sie mit „dumme Kuh“. Aber wenn man selbst nicht die dumme Kuh ist, kann man herrlichen Spaß mit ihr haben. Ich frage mich, was sie in ihrem Leben wohl erlebt hat.
Eine andere Dame berichtet sehr detailliert von ihrem Erleben: Sie steckt fest im Trauma ihrer Kindheit. Sie ist immer noch zehn Jahre alt und auf der Flucht. An manchen Tagen überquert sie mehrmals den schicksalhaften Fluss, weint und verzweifelt über ihre vermeintliche Einsamkeit.
Eine dritte Frau würde am liebsten jedes Mal den Ausblick aus ihrem alten Haus malen. Sie hat Heimweh, betrauert den Tag, an dem sie ihr Haus verlassen musste und fiebert auf den Tag hin, an dem sie wieder nach Hause gehen darf. Auch wenn dies vermutlich nicht mehr passieren wird. Schwere Herzen kommen mir mit diesen Damen oft entgegen. Jedes Lächeln, das ich ihnen mit meinem Besuch schenken oder abringen kann, ehrt mich sehr.
Verbittert oder grundfröhlich
Aber auch das Gegenteil erlebe ich: Eine Bewohnerin kümmert sich rührend um ihre Tischnachbarn, schiebt sie durch die Gegend und kommentiert kühn: „Ach, da wollen Sie hin? Na, ich weiß nicht, ob wir das dürfen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Neckisch schmunzelt sie in sich hinein und genießt den Moment.
Eine blinde Frau hört gemeinsam mit mir die Nachrichten im Radio, seufzt tief und sagt, welch Wahnsinn hier auf dieser Erde vor sich gehe. Obwohl sie den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, leidet sie scheinbar noch mehr darunter, was die Zukunft für unsere Generation bringen wird. „Ich muss den Herrgott bitten, dass es mir nicht so schwer ans Herz geht“, sagt sie und meint damit, dass sie sich nicht alles so zu Herzen nimmt, was um sie geschieht. Ich staune über diese Aussage und biete ihr kurzerhand an, mit ihr zu beten. Sie freut sich sehr und sagt nach ihrem lauten Amen, wie sehr ihr das Trost gibt. Und mir ebenso.
Eine weitere Frau, schwach und nicht mehr in der Lage, aufzustehen oder zu sprechen, zeigt mir willensstark, wie viel Kraft sie noch in den Händen hat. Sie signalisiert mir so ihre Bereitschaft zu einem kreativen Angebot und strahlt dabei Freude und Würde aus. Das rührt mich, ich möchte ihre Hände gar nicht mehr loslassen. Ich erlebe Frauen und Männer, die tief verbittert oder grundfröhlich sind, dankbar über ihr Leben oder voller Groll, wie alles war oder ist. Sie trauern über die verloren gegangenen Kräfte oder holen selbstbewusst und motiviert aus jedem Tag noch das Beste heraus.
Jetzt, nicht später
Wir haben es nicht in der Hand, welche Situationen uns das Leben zumutet. Aber ich frage mich, ob die Art und Weise, wie ich mit meinen Situationen umgehe und welche Entscheidungen ich treffe, mein zukünftiges, älteres Ich prägen können. Manchmal sehen wir alte Menschen und denken: „So will ich nicht werden!“ Was wir wahrnehmen, sind ihre zittrigen Hände, ihre Vergesslichkeit oder Inkontinenz. Aber was ich gesehen habe, waren diese feinen Menschen, ihre Geschichten, ihr Wesen. Und ich denke: „Jeder Mensch ist Kunst – gezeichnet vom Leben.“
Inzwischen sind mir durch diese Begegnungen zwei Dinge klar und wichtig geworden – vor allem für den Alltag mit meinen Kindern, meine Aufgaben im Muttersein und die Gestaltung meiner Zeit:
1. Manchmal bin ich schon jetzt eine von ihnen: Ich kann jammern darüber, wie es gerade ist, sehne mich zurück oder nach vorn. Aber ich kann mich auch für den heutigen Tag entscheiden – jeden Tag neu.
2. Die Frage „Wie will ich später werden?“ muss ich beantworten mit: „Wie will ich jetzt sein?“ Dafür habe ich noch viel zu lernen. Aber ich habe einen Ansatz. Alles hat seine Zeit. Und jede Phase ihren Charme. All das gilt es zu sehen und zu schätzen.
„Warum passiert mir das scheinbar immer wieder, dass ich will, was ich noch nicht oder nicht mehr habe?“
Während eines Corona-Lockdowns beschloss ich, neue Fotos an die Wohnzimmerwand zu hängen. Dies führte zu stundenlangem Schwelgen in alten Zeiten. Ich habe mein Leben als Studentin genossen: die Freiheiten, die Menschen, den tiefen Austausch, das Lernen und Weiterwachsen … Ich freute mich an jeder einzelnen Erinnerung und hätte am liebsten diese Fotos an die Wand gehängt. Dann sah ich die Fotos von mir und meinem Mann als junges Paar. Ich sah so viel Nähe, Zärtlichkeit und Zuneigung. Auch das machte mich wehmütig – wann haben wir zuletzt ein Foto nur von uns beiden gemacht? Schließlich landete ich bei den Fotos, als meine Schwägerin das erste ihrer vier Kinder bekam. Ich war stolze Tante und trug dieses Kind umher. Ich weiß noch genau, wie ich mich dabei in die Zukunft sehnte mit eigenen Kindern – sofort bereit, unsere Zweisamkeit dafür aufzugeben.
Warum passiert mir das scheinbar immer wieder, dass ich will, was ich noch nicht oder nicht mehr habe? Beim Anschauen der Fotos werde ich nicht nur sentimental, sondern auch wachgerüttelt: Bestimmt sitze ich in zehn Jahren wieder über meinen Fotos, staune darüber, wie klein und süß meine Jungs doch mal waren, wie toll es war, sie in den Armen zu halten. Ich werde all das, was ich jetzt so anstrengend finde, bitterlich vermissen. Also nehme ich mir fest vor, das Hier zu genießen und über das Jetzt zu staunen. Die therapeutischen Stimmen in mir mahnen mich dazu. Sie raten mir zu einer positiven Grundeinstellung und einem dankbaren Lebensstil. All das befürworte ich. Aber ich kann nicht leugnen, dass es mir manchmal im Hamsterrad des Alltags schwerfällt, das zu sehen.
Gestalten und genießen
Ich beobachte die Damen und Herren im Seniorenheim. Ich beruhige sie und erkläre ihnen, dass sie in Sicherheit sind. Ich zeige ihnen, dass sie hier zwar einen anderen, aber auch schönen Ausblick haben. Oder ich tröste sie, wenn sie wieder einmal registrieren, dass sie nicht mehr nach Hause können. Manchmal fürchten sie sich vor den Erinnerungen genauso wie vor der Zukunft. Genauso freue ich mich mit ihnen über jede kleine Kraft für den einzelnen Tag, über den Mut, auch mit 90 noch etwas Neues zu wagen oder über ihre Entschlossenheit, für Hoffnung zu beten. Und verrückterweise hat es jedes Mal so viel mit meinem Alltag zu tun.
Ich lerne von diesen Situationen, dass auch ich immer wieder mit neuen Ausblicken konfrontiert werde, dass auch bei mir manche Lebensphasen abgeschlossen sind. Dass auch ich an vielen Tagen meine Kraft und meinen Mut zusammensammeln muss, wenn ich das Leben gestalten will. Und dass sowohl Erinnerung als auch Zukunft in mir liegen.
„In all dem Wahnsinn des Hier und Jetzt, mit jedem Tag Alltag bin ich doch reich beschenkt.“
Vor allem im Familienalltag schaffe ich es mittlerweile, mich mit den Kindern nicht immer zurück oder nach vorn zu sehnen. Es kostet mich weniger Kraft, mich daran zu erinnern, dass jede Zeit ihr Besonderes hat – besonders schöne und besonders anstrengende Dinge. Vieles wird einfacher, je älter die Kinder werden, manches wird herausfordernder. Ich habe die Kinder im Tragetuch sehr genossen und genieße jetzt die Fahrradtouren mit ihnen. Ich freue mich, kompliziertere Brettspiele mit ihnen zu spielen und nehme dafür in Kauf, dass in diesem Alter auch Trotzphasen und Hausaufgabenkämpfe dazugehören.
Ich will nicht mehr jammern, dass die eine Phase vorbei ist, oder mich danach sehnen, dass die nächste beginnt. Denn ich weiß: Insgeheim ist in all dem schon mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen. In all dem Wahnsinn des Hier und Jetzt, mit jedem Tag Alltag bin ich doch reich beschenkt. Das muss ich aufschreiben, lesen, leben und verinnerlichen. Ich will mich immer wieder bewusst für die Chance entscheiden, meine Gegenwart zu gestalten und zu genießen – um nicht geprägt zu werden von Überforderung, Frust und meiner Unzulänglichkeit, sondern von Liebe, Dankbarkeit und Glück.
Meine Hoffnung ist es, später eine Frau zu sein, die dankbar und zufrieden zurückschaut und sagen kann: Das, was Gott mir geschenkt hat, habe ich versucht, in vollen Zügen zu genießen. Ich habe mit den Kräften, die ich hatte, versucht zu gestalten. Vielleicht wäre daher der Postkartenspruch, der bei meiner eigenen Oma am Badspiegel hängt, die Lösung für die Frage, wie ich mal werden will: „Wenn ich alt bin, will ich nicht jung aussehen, sondern glücklich.“
Carina J. Nill ist Kunst- und Lerntherapeutin. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Deizisau bei Esslingen.

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Family erschienen. Family ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.
Von der Heilung des Inneren Kindes
„Wir haben es nicht in der Hand, welche Situationen uns das Leben zumutet. Aber ich frage mich, ob die Art und Weise, wie ich mit meinen Situationen umgehe und welche Entscheidungen ich treffe, mein zukünftiges, älteres Ich prägen können“! Dies scheint mir wohl auch ein altes psychologisches Gesetz zu sein, insofern man in dieser Kathegorie so davon schreiben kann: Nämlich dass uns auch schon unser Kindheits-Ich, unser Inneres Kind, in jedem Alter signalisiert , wenn wir als Kinder, Jugendliche, oder im Laufe des Lebens nicht genug geliebt wurden, Traumata nie wirklich überwunden sind und daher fast jede/r seine seelischen Wunden (auch wenn sie verheilt sind) mit sich herumträgt. Und um zum ersten Satz zurückgehen, bestimmt uns oft die eigene Art des Umganges mit dem Leben, wie es um unsere Seele im höheren Alter bestellt ist.. Wir sind ein Kunstwerk Gottes, aber auch die Lebenserfahrungen der guten und der schlechten Art prägen jederman. Ich kann mir da auch gut vorstellen, daß demente Menschen wieder bockig werden wie kleine Kinder. Aber dies werden wir bisweilen auch und kleiden dies vielleicht sehr raffiniert in die Form von Kritik oder Populismus. Wer vielleicht immer wieder erlebt, dass ihm öfters Menschen ein ganzes Leben nur ungern zuhörten, mag es an ihm gelegen haben oder nicht, der wird immer dazu neigen, alles zwei oder drei mal zu erzählen. Wir sind immer auch ein Kunstwerk Gottes, jeder für sich ein unverwechselbares und sich nicht wiederholendes Einzelwerk, aber auch das Leben hat dieses Werk geprägt, unsere Ecken und Kanten abgeflacht, oder im Gegensatz dazu spitz gemacht, sodaß wir anderen weh tun. So wie bei Jesus seine Biografie präsentiert, indem er dem ungläubigen Thomas als Beweis seiner Auferstehungsrealität seine Wundmale der Kreuzigung zeigt. Menschen mit Behinderungen, Krankheiten oder anderer Hilfsbedüftigkeit sind ein indirekter Auftrag des Himmels, mit ihnen auf Augenhöhe umzugehen.
Vielleicht ist es nie zu spät, auch für Menschen, auch wenn sie schon älter oder sehr alt wurden, doch noch die Liebe zu vermitteln. Aber auch die Wichtigkeit ihre Kreativität zu unterstützen und ihnen damit die im Leben manchmal nicht ausreichende Aufmerksamkeit zu schenken. Ich halte dies zwar für einen hohen Anspruch, aber die darf Kunst und Kreativität auch haben und da ist auch der Weg schon das Ziel. Alle Menschen sind auch das Ergebnis ihrer Biografie. Deshalb ist die Liebe, Achtsamkeit und Wertschätzung keine Luxus-Sahnehäubchen über unserem Verhalten, sondern eine sinnvolle und notwendige Sache. Will sagen: Liebe ist ein großes Wort und deshalb (nicht nur, aber) vorallem auch eine Haltung.
Die Menschenwürde ist nicht vom Alter abhängig, und ob ich noch viele Jahre oder nur Stunden zu leben haben könnte, wenn ich sehr alt sein würde, ändert nicht die unveräußerlich erforderliche Wertschätzung. Daher wäre es wichtig, daß die ungenügende Heimsituation aufgrund des oft gravierenden Personalmangels und Überforderung der Mitarbeiter:innen in Senioreneinrichtungen, möglichst auszugleichen wäre durch gut einzubindende Ehrenamtliche, als Menschen mit Kreativangeboten und/oder Kunst.
Die Goldene Regel, die bereit zur Zeit Jesu bekannt war, besagt nicht umsonst, dass wir anderen Menschen all das geben sollten, was wir selbst von ihnen erwarten. Der Effekt ist logisch: Dies kann Wunden heilen oder die Schmerzen seelischer Verletzungen abmildern. So wie in Kitas sollten in Seniorenheimen Menschen nicht nur betreut, gepflegt und versorgt werden, sondern auch eine angemessene Heimat finden. Vielleicht wird eine Zeit kommen in dem wir Senioreneinrichtungen als Institutionen einfach schließen und daraus entsprechende WG`s als Wohngruppen einrichten. Vielleicht weil man dann Pflegebedürftige und relativ Gesunde genauso ein gemeinsames Leben ermöglicht auch jungen und älteren Menschen. Im israelischen Kibuz funktioniert dies gut, aber umfasst da auch nur einen winzigen Teil dortiger Bürger. Dort ist man eher eine Gemeinschaft, in der jede/r etwas möglichst freiwillig, aber auch als Pflichtanteil, beiträgt. Die starke Individualisierung unserer Gesellschaft hat auch zu einem Übermaß an institutioneller Hilfe und Solidarität geführt. Wohngruppen gibt es immerhin schon in vielen Einrichtungen der Behindertenarbeit. Damit werden Betreute eher als Teil einer kleinen Gemeinschaft.
Die Frage, wo die Leute ihre Ewigkeit zubringen, scheint sich heutzutage offenbar überhaupt nicht mehr zu stellen …
Da die Frage nicht seriös zu beantworten ist, ist das doch eine gute Nachricht.
„Denn wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst, und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat,
wirst du gerettet.“ (Röm 10,9)
Die Frage ist offensichtlich seriös zu beantworten …
Lieber Ulrich Wößner: Sie nehmen einen einzigen Bibelvers und dann behaupten Sie „dies ist die absolute Wahrheit“. Ich will nicht Wahrheit und Klarheit der Bibel leugnen, aber sie muss ausgelegt werden. Denn sonst steht ggfls. der eine Vers gegen den anderen und damit im Widerspruch. Die sinnvollste Einstellung ist immer: 1) Die Bibel wird vom Neuen Testament her ausgelegt 2) Es geht um die ganze Schrift des Alten und Neuen Testamentes. 3) Gottes Wort ist immer Gotteswort durch Menschenwort (also Irrtum, Vorurteil und Irrtum ist der Bibel immanent, nicht Gott, aber auch aller unserer Verkündigung, denn die ist immer menschlich). Die Erklärung unter 3) wurde auch von den Evangelikalen einst mitunterzeichnet.
Paulus hat an dieser Stelle also gelogen?
Das ist doch möglich.
Die meisten Menschen auf der Welt sehen das zumindest anders als Paulus.
Und beweisen kann weder er noch ein anderer Christ diese Aussage. Insofern ist es eben keine seriöse Aussage in dem Sinne, dass sie sicher stimmt.
Gott liebt jeden Menschen auf Erden
Nun, lieber Herr Wößner, dass Sie gegen jede Form eines freien Denkens sind, wundert mich nicht mehr. Ausserdem sollte es (eigentlich !!!) völlig unstrittig sein, dass Jesus die gesamte Sünde aller Menschen auf sich genommen hat. Insofern ist das Kreuz auch ein großes Ärgernis: Weil es quasi für die Frommen genauso gilt wie selbst für die allerbösesten Spitzbuben. Heil ist immer unverdient. Saulus wurde auch nicht zum Paulus durch rigerosen Glauben und Guttaten der Selbsterlösung, sondern durch freie und unverdiente Gnade. Gott wird alles erneuern und sich alle Knie – am Ende aller Zeiten – vor Jesus freiwillig beugen. Christinnen und Christen können daher auch ihr Heil nicht erarbeiten, sondern bekommen es wie alle anderen nur geschenkt. Dass Gott wie ein Brötchenbäcker ist, dem 999 von 1000 Brötchen misslangen, er daher nur eine heilige winzige Elite rettet, scheint vor dem Hintergrund seiner Liebe völlig absurd.
Was da über die Jahrtausende auch an Gottesvorstellungen entstanden ist, erscheint da schon grass. Unsere jüdischen Mitgläubigen haben dann allerdings auch eine Sicht auf Gott, dass er der Schöpfer und auch der Vater (Mutter) aller Menschen auf diesem Planeten ist und auch dann ebenso aller Kreatur im Universum. Am Ende steht als Anfang ein „Neuer Himmel und eine Neue Erde“! Ich bin also nicht so vermessen zu glauben, nur für mich und einige Gleichgesinnte sei der Platz im Himmel schon reserviert, gewissermaßen automatisch. (Wobei Sie mich wie auch fast alle Kirchenchristen sowieso aussortieren).
Und was soll also geschehen mit den Abermilliarden Menschen, seit sie von den Bäumen gestiegen sind? Wenn Jesus also fordert, 70×7 mal zu vergeben, also immer, wird er sich wohl auch eine seine eigene Ethik halten. Die Vorstellung vorallem in der Antike hat sich allerdings über einige Jahrtausende erhalten, der Schöpfer aller Dinge verhalte sich wie die damaligen Alleinherrscher und Scharfrichter, nach dem Motto: „Gehorsam oder Tod“! Ich halte dies für eine grausame Ansicht, die quer steht zur Glaubens- und Gotteserfahrung ganz vieler Menschen. Fundamentalisten können die Welt nicht retten und auch nicht ihre Ideen und negativen Ansichten über Religion, in Form einer uralten dunklen Pädagogik. In der Liebe ist idealerweise keine Angst, höchstens Ehrfurcht und Liebe gegenüber Gott. Vielleicht wird sich daher der Himmel bei Herrn Ulrich Wößner entschuldigen müssen, weil er nicht mit seinen Ansichten übereinstimmt: Gott ist Liebe und sie ist so unendlich wie das Universum und sein Schöpfer. (Dieser Schluss-Satz ist eher zugespitzt formuliert und dient nicht als Beleidigung. Er stellt gutgemeinte Ironie dar). Folgt man der Lehre von der Ewigen Verdammnis, die man auch aus allen Glaubensbekenntnissen nicht ableiten kann, dann wird dadurch auch Jesu Hilfe auf Erde für damalige Menschen in den Gleichnissen vom Barmherzigen Samariter, dem Verlorenen Sohn und dem Verlorenen Schaf völlig ignoriert. Das Schaf erhält auch keinerlei Standpauke, muss sich keine Vorwürfe anhören, es wird keine Vorbedingung gestellt, sondern Jesus legt es einfach liebevoll auf seine Schultern und trägt es lediglich nachhause. Zu unserer Erlösung können wir nichts beitragen. Als praktizierende Christen erfordert es nur Dankbarkeit und sich auch eigenen christlichen Idealen mit guten Willen anzunähern. Wir bleiben immer unvollkommen und auf Erden Sünder.
> Ausserdem sollte es (eigentlich !!!) völlig unstrittig sein, dass Jesus die gesamte Sünde aller Menschen auf sich genommen hat
So wie Du es auslegst in Richtung Allversöhnung würde ich sagen, dass das innerchristlich äußerst umstritten ist und Deine Ansicht eine Minderheitenmeinung.
Du ignorierst die Aussage von Jesus, dass nur er der Weg ist. Was schon mal alle Nichtchristen ausschließt.
Und dann gibt es mehrere Aussagen von ihm, wonach nicht jeder, der meint, er glaubt richtig, dies auch tut und Jesus diese nicht kennen wird. Kann man jetzt sehr individuell nach der eigenen Überzeugung auslegen, aber unter dem Strich heißt das: Es wird auch für einen Teil derer, die sich als Christen verstehen, nicht für den Himmel reichen.
> dem Verlorenen Schaf völlig ignoriert. Das Schaf erhält auch keinerlei Standpauke, muss sich keine Vorwürfe anhören, es wird keine Vorbedingung gestellt, sondern Jesus legt es einfach liebevoll auf seine Schultern und trägt es lediglich nachhause.
Das Gleichnis sagt aber auch, dass ein Schaf verloren gehen kann und dass es letztlich in die Herde zurück kehren muss. Sonst hätte man es ja nicht suchen müssen.