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Johannes Hartl warnt vor einseitigem Fortschritts-Enthusiasmus

Theologe und Philosoph Johannes Hartl zeigt die negativen Seiten des Fortschritts auf. Er erklärt, was die Gesellschaft dadurch verloren hat – und wie es wiedergefunden werden kann.

Herr Hartl, „Wie bleibt die Welt menschlich?”, heißt es im Trailer zum EDEN FEST. Wird die Welt etwa immer unmenschlicher?

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Johannes Hartl: Sie wird auf jeden Fall technischer. Technik ist nicht negativ, sie muss sich aber am Menschen orientieren. Wo der Mensch aber selbst immer besser technisch manipuliert werden kann, sollten wir das Menschliche neu entdecken, verteidigen und in den Mittelpunkt stellen.

“Wir werden gelebt …“, schreiben Sie. Wie sieht das aus?

Hartl: Das beginnt schon mit der bloßen Geschwindigkeit unserer Gesellschaft. Noch vor wenigen Jahren schrieb man einen Brief, brachte ihn zur Post und wartete einige Tage auf eine Antwort. Heute geht all das in wenigen Sekunden. Das spart einerseits viel Zeit, doch erstaunlicherweise haben wir deshalb nicht weniger Stress. Jeder erwartet heute eine Reaktion innerhalb kurzer Zeit.

Wann haben Sie zuletzt auf eine WhatsApp-Nachricht erst Tage später reagiert? Das ist nur ein Beispiel von vielen. Technik ist Fluch und Segen zugleich. Mir scheint, dass es einfach darum geht, das spezifisch Menschliche nicht aus dem Blick zu verlieren.

Sie sind überzeugt, dass uns als Gesellschaft etwas verloren gegangen ist. Worum handelt es sich?

Hartl: Verbundenheit zu uns selbst. Verbundenheit miteinander. Verbundenheit zur Natur. Verbundenheit zu Kultur und Traditionen. Verbundenheit mit Gott.

Wie kann das Verlorene wieder gefunden werden?

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Hartl: Bevor man eine Antwort gibt, sollte man sicher sein, dass man die Frage verstanden hat. Eden Culture will eine Bewegung von Freunden sein, die in ganz verschiedenen Gesellschaftsbereichen dem nachspüren: Wie könnte eine Zukunft mit menschlichem Gesicht in Erziehung aussehen? Wie in der Medizin? Wie in den darstellenden Künsten? Wie in der Architektur? In sozialen Brennpunkten? Wir glauben, dass alles mit der Frage beginnt, was das menschliche Leben ausmacht.

Was können Christinnen und Christen dazu beisteuern?

Hartl: Die Frage nach dem Menschen ist untrennbar von der Frage nach Gott. Wir leben in einer Zeit, die Kirche und Christentum sehr kritisch gegenüber steht. Es kann also nicht darum gehen, der säkularen Welt die Leviten zu lesen. Doch das christliche Welt- und Menschenbild hat auch heute noch ein ungeheures Potenzial.

Die Fragen nach einer „Ökologie des Menschen“ führen sehr schnell auf ganz zentrale Inhalte des Glaubens. In der heutigen Zeit brauchen wir eine empathische, offene und nicht-vereinnahmende Form, über diese Inhalte zu sprechen und zu einem echten Miteinander auch jene einzuladen, die diese Inhalte nicht oder nicht vollständig teilen. 

„Während über die Ökologie der Natur (zu Recht!) viel gesprochen wird, wird meist übersehen, dass es auch eine Ökologie des menschlichen Herzens gibt.“

Johannes Hartl

Sie plädieren für eine “future with a human face” [Zukunft mit menschlichem Antlitz; Anm. d. Red.] – was lässt sich darunter verstehen?

Hartl: Wir Menschen brauchen zum Leben mehr als das körperliche Überleben. Während über die Ökologie der Natur (zu Recht!) viel gesprochen wird, wird meist übersehen, dass es auch eine Ökologie des menschlichen Herzens gibt. Wenn die Zukunft menschliches Antlitz haben soll, dann gibt es einige Trends, denen wir uns entgegenstellen müssen: der schleichenden Vereinsamung unserer Gesellschaft, den Verlust von Sinn und Transzendenz, die ungebremste Technisierung und letztlich Vermarktung des Lebens.

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Als positive Beispiele nennen Sie in Ihrem Buch “Eden Culture” Ihre eigene Schulzeit, als Mütter nur halbtags arbeiteten und alle Kinder erst mit vier Jahren in den Kindergarten kamen. Beim Lesen entsteht der Eindruck, dass früher alles besser war. Entspricht das Ihrer Meinung?

Hartl: Ich schreibe an mindestens zehn Stellen im Buch, dass früher überhaupt nicht alles besser war. Doch die Vergangenheit ist die einzige Zeit, mit der wir die Gegenwart vergleichen können. Und wenn wir überprüfen wollen, ob der Fortschritt, den wir gerade betreiben, überhaupt in die richtige Richtung fortschreitet, – dann müssen wir eben reflektieren, wo wir herkommen und wo wir hinwollen.

Wir betonen oft, was uns der Fortschritt alles Positives gebracht hat. Dass wir dabei auch viel Natur zerstört haben, hat die ökologische Bewegung uns gelehrt. Ich stelle einfach die Frage, ob wir nicht auch in der Natur des Menschen etwas verloren haben inmitten all der positiven Aspekte von Fortschritt.

Anna Lutz vom christlichen Medienmagazin PRO unterstellt Ihnen in einer Rezension Ihres Buchs “Eden Culture” Fortschrittsskepsis und stereotype Rollenbilder. Was sagen Sie dazu?

Hartl: Dass sie da etwas hineinliest, was ich gar nicht schreibe.

“Wir brauchen eine Renaissance der Schönheit!”, schreiben Sie in Ihrem Buch. Warum?

Hartl: Weil viele moderne Gebäude und Innenstädte in einem erschütternden Maße hässlich sind. Gerade in so verzweckten und leistungsorientierten Zeiten ist das Schöne ein wichtiges Korrektiv. Es geht im Leben um mehr als ums Arbeiten. Deshalb ist uns auch das Feiern sehr wichtig und allgemein die Kunst.

Das EDEN FEST ist letztlich aus der SCHØN-Konferenz vor ein paar Jahren entstanden. Bei der SCHØN haben wir gemerkt, dass das Thema Schönheit viel mehr gesellschaftliche Relevanz hat als „nur“ Kunst und Kreativität.

„Die letzte These ‚Transzendenz statt Egotrip‘ enthält den schönen Satz ‚in der Gegenwart des Heiligen wird der Mensch heil‘.“

Johannes Hartl

Auf edenculture.de finden sich 14 Thesen für ein gutes Morgen. Welche drei liegen Ihnen am meisten am Herzen? Und wie können diese Ziele erreicht werden?

Hartl: Wenn ich die massiven Zukunftsängste der jungen Generation sehe, dann sage ich erst mal: „Gestaltungsmut statt Zukunftsangst“. Als Vater von vier Kindern ist mir auch diese These wichtig: „Bindung in der Kindheit begründet emotionale Gesundheit“, denn ich finde, da läuft einiges falsch in unserer Welt.

Die letzte These „Transzendenz statt Egotrip“ enthält den schönen Satz „in der Gegenwart des Heiligen wird der Mensch heil“. Das ist meine persönliche Erfahrung und ganz tiefe Überzeugung. All diese Ziele werden nur erreicht, wenn man erst mal darüber spricht und Menschen trifft, die sie konkret umsetzen. Genau das wollen wir zum Beispiel durch das EDEN FEST im Juni erreichen. 

An welcher Welt wollen Sie bauen?

Hartl: An einer Welt, die ich meinen eigenen Kindern gerne hinterlassen würde. An einer Welt, in der wir nicht nur das Klima unseres Planeten schützen, sondern auch das Klima unserer Beziehungen. Eine Welt, die den Sinn, das Schöne und die Wahrheit nicht aus dem Blick verliert. 

Momentan ist ja eher die Gefahr, dass wir aus Angst vor der Zukunft erstarren. Ich glaube, wir brauchen wieder eine Bewegung der Hoffnung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Pascal Alius.

Der katholische Theologe und Philosoph Johannes Hartl hat das Gebetshaus Augsburg gegründet.

Tickets und weitere Informationen zu Programm sowie Referentinnen und Referenten unter www.eden-fest.de. Nähere Details zur Eden Culture Bewegung gibt es auf www.edenculture.de.

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5 Kommentare

  1. Gestern, am Ostersonntag haben wir uns beim Osterfrühstück mit dem Rest unserer Familie der Frage gestellt, was würdest du tun, wenn jemand von dir fordert, du sollst jemand anderen töten, um dein Leben zu behalten. Die Meinungen gingen insbesondere zwischen den Frauen und den Männern auseinander. Wir Frauen waren uns einig, dass wir nicht töten wollen und demzufolge wahrscheinlich auch nicht töten würden. Die Männer am Tisch trafen dahingegen Abwägungen, die in ihren Argumenten zwar verständlich waren, jedoch mit dem Leben, das in seiner Einheit auch nach dieser Entscheidung weiter bestehen würde, nur wenig zu tun hatte.

    Das Ergebnis aus dieser Frage blieb in gewisser Weise offen, denn wir konnten durch diese Frage nur eine Feststellung treffen, die auf den Unterschied zwischen Mann und Frau zurückzuführen wäre.

    Damit will ich sagen, Fortschritt unterscheidet das alte Denken von einem neuen Denken, sodass sich daraus auch wirklich ein Fortschritt durch das bestehende, schon ewig bestehende und für immer aus Zeit bestehende Leben ergibt. Wir Menschen sind auch nur ein Bestandteil dessen, was sich aus diesem Leben immer zu der Zeit ergibt, für die es überlebenswichtig ist. Wir können dem Klima unsere Resilienz entgegensetzen, indem wir durch sie die Aufmerksamkeit gewinnen, die sich aus Diskussionen um unsere Möglichkeiten im Umgang mit ihrem Einfluss auf das Leben ergeben. Unsere Existenz wirkt nicht weltverändernd, doch sie bedeutet einen Fortschritt. Dieser Fortschritt wird nur dann sichtbar, wenn er sich an jedem von uns Menschen vollzieht und nicht nur an denen, die sich heute nicht an Recht und Gesetz halten, indem sie ihren Pflichten daraus nicht nachkommen.

    Egal wo der Mensch tätig ist und wem er sich verpflichtet fühlt, es beginnt und endet immer beim eigenen Haushaltsbudget. Womit hat sein Budget begonnen und worin endet es? Das Leben bietet sich uns in Form von Zeit an. Was machen wir aus diesem Angebot? Konsumieren wir es oder setzen wir uns dafür ein, dass Zeit in ihrem ganzen Volumen auch durch uns erhalten bleibt? Ich persönlich setze mich für Gott ein, denn dadurch kann ich zwar unterscheiden, worum es im Leben geht, muss jedoch die großen Dinge des Lebens nicht selbst entscheiden, sondern mittragen, worum es dabei geht.

    Einen Fortschritt zu denken, ist also in einem Handeln begründet, dass sich nicht zu weit von dem entfernt, der es letztendlich zu verantworten hat.

  2. Endlich entdeckt auch Herr Hartl, dass das.Thema Bewahrung der Schöpfung zutiefst und unzertrennlich žúr Jesusnachfolge gehört. Leider hat auch er.wie so viele andere Christen jahrelang die ökologsche Szene in Misskredit gezogen anstatt sie zu unterstützen. Dadurch hat er viel wertvolle
    Chancen der Vertrauensbilding bei den besorgten Jugendlichen verschenkt. Ich hielt beí FfF Reden, in denen ich mich bei diesen zurecht besorgten Jugendlichen bedankte und sagte, dáss Gott genau das von uns Christen möchte, was sie tun, nämlich als Anwälte seiner geschundenen Schöpfung zu fungieren und deren Zerstörung anzuprangern. Die Organisation „A Rocha international“ tut das seit genau 40 Jahren, was leider viel zu wenig Christen tun: sich aus Liebe zum Schöpfer und aus Gehorsam Jesus gegenüber für den Schutz der bedrohten Schöpfung einzusetzen! Dázu gründeten wir auch einen deutschen Verein mit entsprechenden Verantstaltungen., z. B im Mai im Haus Sonneck in Marburg das „Artenreich-„Wochenende. Infos dazu auf unserem Instagram-account!

    • Lilo Horsch, Ihrem Kommentar kann ich nur voll zustimmen. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und eine gute Osterzeit.

  3. Nur Gott ist das Vollkommene in allen Dingen

    Das liebe Stammtischbruder, ist für mich nicht zu richtig zu fassen. Warum sollte Hartl nicht die „reine christliche Lehre“ vertreten? Oder wer vertritt die christliche Lehre praktisch so unverdünnt, dass sie vollkommen wäre? Das geht gar nicht, denn alles was wir von Gott wissen, oder was wir als Glaubenserfahrung und Gottesbegegnung erleben, bekommen wir nur in irdenen Gefäßen. Wir können als Realität nur wahrnehmen, was uns unser Gehirn als Wahrheit serviert. Es gibt den reinen christlichen Glauben nicht, es sei denn ich vertrete nicht irgend eine bestimmte Richtung oder Lehre des Christentums, sondern es geht mir darum ob Gott genug in meinem Leben Platz findet und ich dann mit dem, was ich verstanden habe, Jesus nachfolge. Beziehung zu Gott ist das wichtigste. Daher würde ich mich nicht gerne in Schaubladen einordnen lassen, so wie ich dies gerne auch nicht mit anderen machen würde. Wenn ich doch kritisieren, dann wenn es gar nicht anders geht. Wenn es nicht so viele Vorstellungen von Gott gäbe, der doch höher ist als unsere Vernunft, gäbe es nicht so viele Kirchen, Konfessionen und Frömmigkeitstraditionen. Es kann auch nur jemand immer nur selbst Jesus nachfolgen, mit seinen Gaben, seinen Einsichten und seinen Glaubenserfahrungen. Und natürlich ist das Zentrum des Glaubens das Kreuz von Golgatha, welches das schon vollzogene Gericht über die Welt ist und weshalb allen Menschen die Erlösung versprochen wurde. Wie Gott das einlöst ist eine andere Sache. Aber die andere ist, dass er nicht scheitern kann. Er ist nämlich Gott. Zu meinem Credo gehört dann auch, dass n u r GOTT GUT IST – nicht ich – aber ich kann aus seiner Vergebung leben. Wenn Gott in allem das Absolute ist, dann in seiner Gerechtigkeit, seiner Liebe, Langmut und auch Barmherzigkeit. Wer ihn dann zum Scharfrichter macht, oder zum launischen Gott, der hat Jesus nicht verstanden. Dies muss so postuliert werden, gerade wenn alles von Kreuz ausgeht und Gottes Gericht das Kreuz ist, dann ist sein Gericht nicht menschlich verstandene Gewalt. Gottes Gewalt ist Liebe. Da wird die menschliche Logik umgekehrt. Gott straft nur mit Liebe – aber dies hat er schon vor 2000 Jahre für alle Zeiten gemacht. Jetzt werden wir – menschlich verstanden – nur noch erzogen. Und gerettet.

  4. Hartl ist ohne Zweifel ein kluger Kopf und dazu noch ein sympathischer Kerl, aber es muss gesagt werden, die „reine christliche Lehre“ vertritt er nicht. Jetzt könnte man sagen, was solls ? Hauptsache ein paar fromme Einsprengsel sind dabei. Das Evangelium, dass Jesus gekommen ist, Sünder selig zu machen, scheint nicht wirklich sein Ansatz zu sein, Schönheit, Kreativität, etwas Gesellschaftskritik und natürlich die Schöpfung bewahren, scheinen sein Hauptanliegen zu sein, freilich alles mit einem Schuss Transzendenz.
    Komisch, aber von alldem lesen wir bei den Aposteln reichlich wenig, liegt das an ihrer überschaubaren Bildung, ihrem täglichen Überlebenskampf oder hatten die Männer tatsächlich einen ganz anderen Schwerpunkt ? Will Hartl geliebt werden, geniest er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit? Mit dieser seiner Botschaft könnte ihm das gelingen ! Die Predigt vom Kreuz dagegen war und ist ziemlich unpopulär und etwas dümmlich ( eine Torheit sagt Paulus). Blumentöpfe lassen sich damit nicht gewinnen, aber vielleicht ein paar verlorene Seelen !

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