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Kein Scherz: Kirchliche Hochzeit im Computerspiel

Als Theologiestudent zelebriert Andreas Erdmann eine Hochzeit im Onlinespiel „World of Warcraft“. Seitdem träumt er von einer Kirche im Gameplay-Format.

Von Johanna Friese

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Alles begann mit einer Ingame-Hochzeit in World of Warcraft (WoW) [ein Rollenspiel für den Computer; Anm. d. Red.] vor sieben Jahren. Ein Paar aus seiner Gilde fragte Andreas Erdmann, ob er sie in der Kathedrale des Lichts im Spiel trauen könnte. Denn beide hatten sich in dem Online-Rollenspiel kennengelernt. Andreas Erdmann, der in dem Spiel gewöhnlich in der Rolle des Heiligpriesters unterwegs war, hat nicht lange überlegen müssen.

Der Theologiestudent nahm sich die Agende, beschäftigte sich mit der Hochzeitsliturgie und traute das Paar in einem Gottesdienst in „Sturmwind“ [die älteste und größte Stadt der Menschen in World of Warcraft; Anm. d. Red.]. „Mit Smoking, Brautkleid, Ringen und allem, was dazugehört“, erinnert er sich.

Noch heute leuchten seine Augen, wenn er erzählt, wie viele Zuschauer in der Fantasy-Welt spontan zur Kirche kamen und dem frisch getrauten Paar zujubelten. „Das Schöne ist ja, die Kirche ist viel öffentlicher als ein normales Kirchengebäude.“ In der virtuellen Welt sind die Questgeber mit dabei, Leute gehen rein und raus, sie reichen Taschentücher und winken.

„Dann sind wir durch die ganze Stadt gezogen wie ein Auto-Korso, nur als Trott auf Tigern und Widdern. Sind am Ende in der Taverne gelandet, mit Bier und Tanz, so war es eine richtig schöne Feier“, schmunzelt der Pfarrer. Das Spontane und Fantasievolle ist es auch, was ihn am Online-Gaming so fasziniert. Die Geschichten, die sich aus dem Spiel ergeben.

Der Segen Gottes hat gewirkt

Das Brautpaar hat später standesamtlich geheiratet, brauchte im echten Leben keine kirchliche Trauung mehr, denn es hätte schöner und passender für sie nicht mehr werden können. Der Segen Gottes hat gewirkt, auch dort.

Die Frage, ob ihm nach dieser Erfahrung „normale“ Trauungen in der realen Welt zu langweilig und zu wenig bunt seien, verneint der Pfarrer entschieden. Eine Trauung im Spiel und eine in einer realen Kirche könne man nicht vergleichen, weil es jeweils unterschiedliche Erwartungen an den beiden Orten gebe. Aber das Spontane möchte er auch in jeder „normalen“ Trauung immer gern möglich machen.

Gern gestaltet er frei und bezieht manchmal auch das Publikum mit ein. Er mag Interaktion im Gottesdienst und ist offen, wenn Paare Sonderwünsche mitbringen. „Das kommt tatsächlich ein wenig vom Spielegedanken her, da ist ja alles ganz anders, als man es vielleicht so kennt.“

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Ist eine Ingame-Taufe gültig?

Seit seiner ersten Ingame-Trauung hat er viel experimentiert und denkt darüber nach, wie man all die Möglichkeiten im Spiel noch besser nutzen kann. So hat er in „Sturmwind“ versucht, Events zu starten, empfand dies aber immer als aufgesetzt. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Thema „Immersion“ in Videospielen und auch damit, ob eine Ingame-Taufe oder ein Ingame-Abendmahl gültig sind; ob es einen Unterschied macht, ob man in einem 3D-Game mit einem Avatar am Bildschirm zockt oder in der Virtual Reality unterwegs ist. Für ihn zeigt sich im Spielen die Freude am Leben, weil es erstaunlich starke Gefühle weckt.

Die Begeisterung für Glaubensfragen und sein müheloses Navigieren in Spielwelten: Beides hat sich nicht zufällig ergeben. Seit er zehn Jahre alt ist, programmiert er. Bevor Andreas Erdmann Theologie und Gemeindepädagogik studierte, ließ er sich zum Fachinformatiker ausbilden, um einen Plan B zu haben, falls sich keine Pfarrstelle findet. Er hat als Systemadministrator und Programmierer gearbeitet, auch als hauptberuflicher Hacker.

Das Zocken macht ihm Spaß, seit er denken kann. Zu Hause wurde viel gebastelt: Konsole, Commodore 64, Atari und Amiga – noch immer stehen Kisten voller Disketten mit Spielen von damals im Keller des 42-Jährigen. An all das, was heute im Online-Gaming möglich ist, war damals noch nicht zu denken. Erdmann sieht in Netzwerkspielen mit anderen Gruppen auch die Möglichkeit, charakterlich zu reifen, weil man mit anderen gemeinsam so viel ausprobieren kann.

Glaube teilen in WoW: „Es gab nicht eine einzige negative Erfahrung“

Er spielt durchschnittlich drei bis sechs Stunden täglich, ist häufig der Heiligpriester im Online-Rollenspiel World of Warcraft. Mit den Fähigkeiten „segnen“, „heilen“ oder „Seele stärken“ ausgestattet, bringt er manchmal auch biblische oder christliche Sprüche ein. Anfangs scheute er sich davor, um nicht aus der Gruppe gekickt zu werden, aber die Game-Community ist offen und bunt. „Es gab nicht eine einzige negative Erfahrung.“

Auch wenn so ein Bibelzitat zunächst etwas fremd oder irritierend sein könne, wie er zugibt, denn „so eine Fantasy-Welt ist ja keine christliche Welt, sie hat eigene Mythen, Gottheiten und Geschichten“. Deshalb möchte der studierte Gemeindepädagoge auch nicht als Erstes mit Jesus um die Ecke kommen, sondern mit christlichen Gedanken, die zum Moment im Spiel gerade gut passen. Das werde auch gut angenommen, weiß er, ebenso, wenn er etwa Wertedebatten um Krieg und Frieden im Spiel anstößt.

Ein Spiel um eine Kirche herum bauen

Von charismatisch-missionarischen Spielen, die es am Markt gibt, hält er indes wenig. „Das ist mir oft zu plump.“ Die Vision einer Kirche im Gameplay-Format lässt ihn seit seiner ersten Ingame-Hochzeit nicht mehr los. Die Gelegenheit, mehr Zeit in die Entwicklung des Projektes zu stecken, bot sich, als er ein Jahr lang eine Digital-Pfarrstelle innehatte.

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Die Online Kirche im Gameplay-Format ist nicht einfach eine virtuelle Kirche. Die Idee dabei ist, um eine Kirche herum ein Spiel zu bauen, das man wie ein normales Online-Rollenspiel spielen kann. „Einerseits wollte ich eine Kirche bauen, in der Gottesdienste stattfinden und wo man sich virtuell treffen kann, und andererseits aber ein Rollenspiel, das sich entwickelt, mit christlichen Themen und Anekdoten.“

Blickpunkt

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Schnell begeisterte Andreas Erdmann viele davon, besorgte Gelder und die Genehmigung, für das Projekt junge Menschen ausbilden zu können. Für jede Fähigkeit, die Interessierte mitbrachten, suchte er den passenden Job. Zum Beispiel hat eine Architektin die Häuser entworfen, ein anderer, der geübt war im Skinnen von Minecraft-Avataren, hat die Kleidung der Figuren designt.

Es geht dabei weniger um das fertige Spiel, sondern um den Prozess der Spielentwicklungen mit vielen anderen gemeinsam. „Es hat mich wirklich überrascht, wie wir einander bereichert haben“, resümiert er. Zwischen 20 und 30 Ehrenamtliche haben bereits aktiv an der Kirche im Gameplay-Format zeitweise mitgebaut. Am liebsten würde er ihnen später im fertigen Spiel einen Gedenkstein widmen. „Darüber hinaus waren viele im Stream dabei und haben uns per Chat beraten“, freut sich Erdmann noch immer. Die Projektidee lebt als ehrenamtliches Projekt weiter und nimmt zwischenzeitlich auch noch ganz andere Formen an.

Gottesdienste in Minecraft feiern

So veranstaltet er in Kooperation mit der von Cansteinschen Bibelanstalt Berlin zu den großen christlichen Festen Gottesdienste in Minecraft, wobei die Predigt mit eigenen Bauprojekten gespielt wird. Dabei haben Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland schon eine Kirche mit viel Aufwand Block für Block nachgebaut. Auch Bibelbauevents in Minecraft sind offen für alle, die Lust haben, einen Bibelvers nachzubauen und darüber via Discord und im Chat ins Gespräch zu kommen.

Intensiver wird es dann wöchentlich in seinem Streaming-Format „Start in die Nacht“. Ein kleiner Teil der Zuschauer sind „Lurker“, die den Stream einfach nebenbei offen lassen und damit den Streamer unterstützen. Andere sind gezielt dabei, wegen des christlichen Profils. Solche Themen sollen zwar nicht künstlich aufgeworfen werden, aber manchmal triggert ein Spiel bestimmte christliche Fragen und diese können dann auch gemeinsam im Chat reflektiert werden. Mancher Nutzer will aber auch einen entspannten Abend verbringen und einfach dem Gameplay zuschauen.

Gamer: Vernachlässigt von der Kirche

Alles kann, nichts muss – Andreas Erdmann probiert viel aus und bleibt dabei offen fürs Gelingen und Scheitern. Gamer seien insgesamt eine vernachlässigte Zielgruppe innerhalb der Kirche, findet er, „da gibt es jede Menge Interessierte“. Zwar gibt es Netzwerke christlicher Gamer in Deutschland, wie Main Quest Ministries, die sich regelmäßig austauschen, oder Ignition Gaming, denen es wichtig ist, mit christlichen Grundwerten zu zocken.

Mit einer Kirche im Gameplay-Format könne man noch weiter gehen und andere erreichen, ist Erdmann überzeugt, und denkt dabei auch insbesondere an die Jugendlichen in den Kirchengemeinden. Ältere könnten sich nebenberuflich bei der Spielentwicklung einbringen, andere wären als Nutzerinnen und Nutzer des fertigen Spiels interessiert.

Ein geschärfter Blick für Zielgruppen sei überall in der Kirche nötig, findet Andreas Erdmann. „Wir denken manchmal zu wenig darüber nach, dass wir mit traditionellen Gottesdiensten nur eine Nische schön pflegen.“ Digitale und analoge kirchliche Angebote würde er nie gegeneinander ausspielen oder das eine dem anderen vorziehen. Aber alle kirchlichen Angebote müssten sich daran messen lassen, wie erfolgreich sie sind und welche Ressourcen dafür sinnvoll eingesetzt werden. Und wenn er das mit seinem klaren schnellen Blick sagt, sieht es so aus, als hätte er schon eine neue Idee. Mit spielerischem Ernst.

Johanna Friese ist Pfarrerin in Berlin und moderiert die TV-Reihe „So gesehen – Gedanken zur Zeit“ auf Sat 1 (www.johanna-friese.de).

Andreas Erdmann ist Gemeindepädagoge und ausgebildeter Fachinformatiker für Systemintegration und für Anwendungsentwicklung. Er arbeitet als Gemeindepfarrer in Berlin, hat einen Stellenanteil für Kirche im digitalen Raum und ist im Ehrenamt spezialisiert auf „Kirche und Gaming“ (@ecclesiadigitale auf YouTube, Instagram und Twitch und mail@ecclesiadigitale.de).


Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist im Kirchenmagazin 3E erschienen. 3E ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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1 Kommentar

  1. Christliche Handlungen keinen Schaden zufügen

    Ist eine Ingame-Taufe gültig? Ich zögere hier eine ernsthafte Antwort zu geben. Sicher kann man heute alles spielen. Etwa Monopolie, damit wäre die Welt des Geldes abgebildet. Biblische Szenen lassen sich in die Jetztzeit versetzen. Das darf und sollten wir dann lieber als lebende Menschen spielen. Dann macht es auch mehr Spaß und Spielfreude, als nur auf einem Spielbrett oder elektronisch. Da gibt es sicherlich viel Selbsterkenntnis und Aha-Erlebnisse. Ich bin zwar sehr dafür, erst einem Menschen selbst zu begegnen, dann möglichst auch auf Augenhöhe, wenn es geht mit Empathie und vor allem zuhörend. Dann kann es sein – oder muss es sein – ihm oder ihr von Gottes Liebe zu berichten. Dies alles (nur) in ein Spiel zu packen, ist so „wie von hinten durch das Auge geschossen“! Solche Strategien würden mir – wenn ich mich in die Situation von einem anderen Menschen versetze – doch fragwürdig vorkommen. Hinterlistig und strategisch sollen wir mit unseren Mitmenschen nie versuchen umzugehen, das kann dann schief gehen. Ob der andere es attraktiv finden würde, eine Christin oder ein Christ zu werden, dafür braucht man am besten eine Bibel mit zwei Beinen, die unsere heutige Sprache spricht, dem auch die ganz normalen menschlichen Fragen und Probleme nicht fern sind und der die Alternative möglichst exemplarisch vorlebt. Dies sind – zugegeben – sehr hohe Ansprüche. Aber wie auch in anderen Fragen des Lebens: Die Praxis lässt sich besser erklären als die Theorie. Wobei unser Glauben in der Praxis eigentlich immer die Versuch beinhaltet, sich Gott möglichst in die Arme zu werfen und ihm insofern auch das allergrößte Vertrauen zu schenken. Die Theorie über Gott hat immer die Schwäche, dass seine Gedanken immer höher sind als unsere Gedanken. Was wir wissen ist oft das, was wir als Jesusnachfolger erleben: Er ist der Gott mit uns, der uns liebt und erlöst hat. Der nie jemanden aufgibt. Nur Gott ist der Gute. Aber da fängt oft der Streit mit unseren Mitchristen an. Deshalb ist die Praxis besser als die Theorie. Wenn wir das versuchen zu leben was wir glauben, reicht das oft völlig aus. Dazu muss sich auch niemand zum Überchristen aufplustern. Dafür dass Jesus Gott war, war er sehr bescheiden. Er wusch wie ein Diener den Jüngern die Füße und zeigte damit seine Zuwendung. Nichts halte ich davon, jemand in einem Spiel zu taufen. Auch auf dem Rücken eines Pferdes wäre das eher schon grenzwertig. Über einen alten Gemeindepfarrer, dessen Predigten überlang (aber oft gut) waren, haben wir einen nicht ganz harmlosen Witz gemacht. Wir haben uns da sodann vorgestellt, er würde eine kirchliche Trauung während eines Fallschirmabsprunges halten. Das hielten wir dann für gefährlich. Er hätte es vielleicht nicht geschafft die Reißleine zu ziehen. Wenn ich dies so schreibe will ich damit darlegen, dass man christlich-kirchliche Handlungen praktisch überall und in jeder Form vollziehen kann. Aber damit würden wie die Form über den Inhalt stellen und möglicherweise der Ernsthaftigkeit der Handlung Schaden zufügen. Wenn Gamer meinen, ihre Spiele seien christlich und wichtig, dann dürften sie aber keine Taufen, Trauungen oder ähnliches beinhalten. Wie sagt eine Volksweisheit: Wenn der Käse keine Form hätte, wäre er Quark. Selbst wenn ich Gäste zum Frühstück einlade, lege ich die Wurst ja nicht auf den blanken Tisch, sondern auf Teller. Christliche Formen sollten in einer gewissen Ehrerbietigkeit Gott gegenüber erfolgen. Vor Jahrzehnten gab es ähnliche Spiele, damals noch mit Bauklötzchen und wir bauten unsere Stadt. Dabei wurde aber eher nicht so ehrenwerte Dienste unter den Holzdächern angesiedelt, aber die Kirche nicht selten vergessen. Es kommt immer auch unseren Blick an.

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