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Bibelwissen: Hat die Rauchsäule gezeigt, was Gott gefällt?

Es gibt weit verbreitete Ideen und Geschichten über die Bibel, die einer Prüfung nicht standhalten. Dazu gehört auch die Deutung der Rauchsäule in der Geschichte um Kain und Abel.

Von Dr. Ulrich Wendel

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Schon in der zweiten Generation der Menschheit passierte ein Mord. Kain erschlug seinen Bruder Abel. Die Szene gehört zu den bekanntesten Geschichten der Bibel: Kain, der Bauer, bringt einen Teil seiner Ernte als Opfergabe zu Gott. Abel, der Viehzüchter, macht es ebenso mit den erstgeborenen Schafen oder Ziegen seiner Herde. Gott nimmt das Opfer von Abel an, das von Kain aber nicht. Aus Neid und Zorn bringt Kain dann seinen Bruder um.

Wenn man versucht, sich die Szene plastisch vorzustellen, als die beiden Brüder ihre Gaben zu Gott bringen, dann erscheinen von dem inneren Auge ganz häufig ein oder zwei Altäre. Dort lassen Kain und Abel ihre Gaben als Brandopfer in Rauch aufgehen. Und wer diese Geschichte im Kindergottesdienst gehört hat (oder die alten Bibelillustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld kennt), der glaubt auch zu wissen, wie Kain erkennen konnte, dass Gott sein Opfer ablehnt: Während die Rauchsäule von Abels Opfer schön senkrecht aufsteigt, qualmt Kains Opfer vor sich hin und der Rauch verweht. Das Glasfenster der Madeleine-Kirche in Troyes (Frankreich) zeigt statt der Rauchsäulen Flammen – eine kommt bei Gott gut an, die andere drückt er weg.

Buntglasfenster der Schöpfung, frühes 16. Jahrhundert, Madeleine-Kirche in Troyes. Die Szenen illustrieren das Buch Genesis. Hier: Kain und Abel.
Buntglasfenster der Schöpfung, frühes 16. Jahrhundert, Madeleine-Kirche in Troyes. (Foto: Wikimedia / Vassil / public domain)

Ein so klares Erkennungszeichen dafür, was Gott gefällt, wäre vielleicht praktisch. Es würde uns auch helfen, diese biblische Geschichte besser zu verstehen. Aber die Sache mit der Rauchsäule steht schlicht so nicht in der Bibel.

Brandopfer – hier nicht!

Die Nacherzählungen der Bibel und die Illustratoren haben sich vielleicht davon anregen lassen, dass Gott bei anderen Brandopfern schon mal eingriff und anhand des Feuers klarmachte, wie er dachte. So wurde das Brandopfer Elias von Gott selbst entzündet, mit Feuer, das vom Himmel fiel (1. Könige 18,38). Das Fleisch und das Brot, das Gideon einem Boten Gottes vorsetzen wollte, wurde ebenfalls von Feuer verzehrt, als der Engel mit seinem Stab daran tippte. Hier schlug die Flamme vom Felsen zum Himmel empor (Richter 6,21). Und als die Eltern von Simson ein Brandopfer brachten, fuhr der Engel Gottes in der aufsteigenden Flamme aufwärts (Richter 13,20). All das waren Momente, in denen Gott sich zu erkennen gab.

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Bloß: Bei Kain und Abel ist überhaupt nicht von einem Brandopfer die Rede, und auch einen Altar findet man im Bericht nicht. Im hebräischen Text steht einfach „Gabe“ – ein Wort, das später auch für eine Opfergabe verwendet wurde, aber sonst einfach „Dankgeschenk“ heißt. Zwei Männer geben Gott etwas.

Auf der Suche nach dem Erkennungszeichen

Wie haben die beiden dann erkannt, dass der eine von Gott angenommen, der andere aber abgelehnt wurde? Hier gibt es verschiedene Antwortversuche. Das Nächstliegende scheint zu sein, dass Abel später einen guten Ertrag seiner Herden hatte, Kain aber keine guten Ernten. Segen war im Alten Orient und im Alten Testament oft materiell erfahrbar. Die Szene von 1. Mose 4 hätte sich dann nicht innerhalb einer Stunde abgespielt, sondern zwischen Opfer und Mord hätte eine längere Zeit gelegen. Andere suchen die Erklärung in einer inneren Gewissheit der Opfernden. Abel hätte demnach irgendwie gespürt, dass er bei Gott willkommen war – vielleicht an der ungetrübten Freude, die er beim Opfern hatte. Kain hätte diese Freude gefehlt; vielleicht tat es ihm Leid um die schönen Feldfrüchte, die er da aus der Hand gab. Und dass solcher Missmut von Gott abgewiesen würde, das kann ihm dann klar geworden sein.

Diese Deutungsversuche zeigen: Man will etwas erklären, das die Bibel eben gerade nicht erklärt. Aus diesem Bedürfnis, vermeintliche Lücken im Bericht aufzufüllen, kommt wohl auch die Vorstellung von der senkrecht aufsteigenden Rauchsäule. Viele Bibelleser merken beim Lesen kaum, dass sie etwas „sehen“, was da gar nicht steht, das Feuer und die Altäre zum Beispiel.

Gott sieht das Herz an

Oft überlesen wird auch eine andere Einzelheit: Wen oder was Gott denn genau wohlwollend ansah und wen oder was Gott ablehnte. Es war nicht das Opfer, mit dem bei Kain etwas schieflief. Gemeint ist nicht, dass seine Feldfrüchte nicht wertvoll genug gewesen wären, und auch nicht, dass Gott nur solche Opfer gemocht hätte, die mit Blutvergießen einhergehen (ja, auch so deuten einige diese Geschichte: Kains Fehler sei gewesen, dass er Gott ein unblutiges Opfer angeboten hätte)!

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In Wirklichkeit sagt der biblische Bericht: „Der Herr blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht.“ Gott interessiert sich also nicht für die Sache, sondern für die Person. „Der Herr sieht das Herz an“ (1. Samuel 16,7) – dieser Grundsatz ist schon auf den ersten Seiten der Bibel gültig. Was Gott an Kain auszusetzen hat und was ihm an Abel gefällt, das bleibt wieder im Unklaren. Auch hier füllen Leser und Ausleger gern die Lücke auf – zum Beispiel damit, dass Kain von vornherein neidisch auf Abel gewesen wäre. Aber auch das steht nicht im Bericht. Und Neid hätte ja allenfalls erst nach dem Opfer aufkommen können – nachdem Kain gemerkt hatte, dass er zurückgesetzt worden war. Der Hebräerbrief sagt im Rückblick, Abel habe im Glauben geopfert, er habe Gott also vertraut. Offenbar war dies der „Vorsprung“ von Abel (Hebräer 11,4).

Religion und Glaube

Äußerlich ist aber kein Unterschied erkennbar. Beide Männer kommen zu Gott und geben ihm etwas. Genau dies ist ja die Definition von Religion: Menschen suchen Gott und leisten etwas für ihn. Glaube im Sinne der Bibel ist gerade das Gegenteil: Gott sucht die Menschen und erwartet, dass sie sich einfach auf ihn verlassen. Der Unterschied zwischen Religion und Glauben ist von außen meist nicht erkennbar. Er wird auch im Bericht von 1. Mose 4 nicht aufgezeigt. Nur Gott hat den Durchblick.

Legenden über die Bibel wollen manchmal die biblischen Texte leichter fassbar machen. Sie tragen eine Anschaulichkeit hinein, die nicht alle Texte in sich haben. Für Bibelleser ist es immer eine gute Übung, das sehen zu lernen, was da steht. Das zu erkennen, was da nicht steht. Und manchmal die Schroffheit der biblischen Texte auszuhalten.

Dr. Ulrich Wendel ist Chefredakteur von Faszination Bibel.


Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen. Faszination Bibel wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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4 Kommentare

  1. Ich hänge eher der „Blut-Variante“ an ! Im Blut ist das Leben, ohne Blutvergießen, keine Vergebung. (Heb. 9 )
    So schlachtete Gott selbst Tiere, um Adam und Eva zu bekleiden, die Schlachtopfer der Juden waren verordnet und der Tod Jesu am Kreuz war das ewig gültige Sühneopfer für eine verlorene Menschheit.
    Kain schien dieses „Basiswissen“ nicht gehabt zu haben, das wurde ihm zum Verhängniß, wie auch sein neidvolles Herz und zorniges Wesen.
    Wichtig für uns, die wir heute leben, „das Blut Jesu reinigt uns von allen Sünden“ (1 Joh)
    Das sollte Fundament unseres Glaubens sein, mit den neidischen Herzen, dem zornigen Wesen und was wir sonst noch so an bösen Eigenschaften herumschleppen wird Gott schon fertig werden !

  2. es gibt eine Auslegung die besagt dass aus dem hebräischen bei Abels Opfer das erste und beste und bei Kain das Erstbeste übersetzbar sei, was. ich aus dem Stehgreif nicht überprüfen kann. da wäre ein Hinweis auf die Haltung möglich was den Unterschied machte.
    Wenn zwei das Gleiche machen ist es eben wie im Leben nicht auch das Gleiche

  3. Die Bibel ist Gottes Wort und und muss sie doch auslegen

    Ich würde es so sehen, wie es auch im obigen Text steht, hier als Zitat: „In Wirklichkeit sagt der biblische Bericht: „Der Herr blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht.“ Gott interessiert sich also nicht für die Sache, sondern für die Person. „Der Herr sieht das Herz an“ (1. Samuel 16,7) – dieser Grundsatz ist schon auf den ersten Seiten der Bibel gültig. Was Gott an Kain auszusetzen hat und was ihm an Abel gefällt, das bleibt wieder im Unklaren. Auch hier füllen Leser und Ausleger gern die Lücke auf – zum Beispiel damit, dass Kain von vornherein neidisch auf Abel gewesen wäre“! (Zitut Ende). Dies ist SINN dieses Textes. Gott sieht das Herz an, was wir wirklich denken und fühlen.

    Gut und schön. Allerdings muss man die Aussagen hier insofern relativieren, daß auch unsere Schöpfungsgeschichte, die auf jeden Fall Gottes Wort ist (weil sie in der Bibel steht), keine historische Tatsache darstellt, sondern ist immer Aussage eines Antikes Glaubensbekenntnisses und zugleich ein Schöpfungshymnus. Ich glaube daran, so wie ich an Hiob-Text glaube inhaltlich als Gottes Wort, dem auch die biblische Autoren als Überlieferer keinesfalls unterstellten, Hiob habe wirklich gelebt. Genauso unterstelle ich allen biblischen Texten des Alten und Neuen Testamentes, daß sie Gottes Wort sind, wenngleich Menschen entschieden haben welche Texte in den Kanon der Bücher der Bibel aufgenommen werden und welche ebena aus bestimmten Gründen auch nicht. Die Bibel existiert für uns als Wort Gottes, weil er es so will und daß ich hier sitze und schreibe. Wenn dies Gott nicht wollte, wäre ich garnicht geboren worden, oder ich würde etwas anderes tun. Zusammenfassend: Die Bibel ist nicht wie das Buch Mormon oder der Koran sinnbildlich vom Himmel gefallen und wurde auch nicht von den Engeln wortwörtlich aufgeschrieben. Sie ist vorallem die Überlieferung von Glaubens- und Gotteserfahrung Damit meine ich nicht, daß ich recht habe, sondern nur Wahrheit sagen darf, (oder leider auch das Gegenteil). Gott verhindert keine Untaten, auch nicht von Kain bzw. einem Menschen, der Kain gleicht. Die Aussage über Kain und Abel ist Gottes Wort: Das Töten eines Menschen ist große Sünde. Übrigens: Jeder von uns könnte hier auch seine eigene Bibel schreiben seiner Privatereignisse und Glaubenserfahrungen. Die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift sind die vielen Generationen, die gleiche oder ähnliche Glaubens- und Gotteserfahrungen machen durften und auch der Urgemeinde daher alle Überlieferungen glaubten.

    Dies schließt ein, daß wir die Bibel auslegen und zwar an der Person und dem Werk Jesu. Auch unsere evangelikalen Geschwister haben hierfür ursprünglich mit unterzeichnet, daß Gottes Wort immer Gottes Wort durch Menschenwort ist. Es ist überliefert, es kann menschliche Meinungen und Vorurteile oder Irrtümer enthalten. Auch Predigten muss man so einschätzen. Gleichermaßen würde man ja auch nicht das Pauluswort auf heute gerichtet für richtig halten „das Weib aber schweige in der Gemeinde“. Das scheint mir eher sogar eine indirekte Kritik an der Frauenskepsis des weiblichen Geschlechtes damaliger Männer zu sein. Die Frauen waren doch die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu und leider wollten ihnen die anderen Jünger nicht glauben. Die Frauen waren ebenso Jünger:innen, auch wenn sie so nicht bezeichnet werden.

  4. Die Bibel ist Gottes Wort und und muss sie doch auslegen

    Ich würde es so sehen, wie es auch im obigen Text steht, hier als Zitat: „In Wirklichkeit sagt der biblische Bericht: „Der Herr blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht.“ Gott interessiert sich also nicht für die Sache, sondern für die Person. „Der Herr sieht das Herz an“ (1. Samuel 16,7) – dieser Grundsatz ist schon auf den ersten Seiten der Bibel gültig. Was Gott an Kain auszusetzen hat und was ihm an Abel gefällt, das bleibt wieder im Unklaren. Auch hier füllen Leser und Ausleger gern die Lücke auf – zum Beispiel damit, dass Kain von vornherein neidisch auf Abel gewesen wäre“!

    Gut und schön. Allerdings muss man die Aussagen hier insofern relativieren, daß auch unsere Schöpfungsgeschichte, die auf jeden Fall Gottes Wort ist (weil sie in der Bibel steht), keine historische Tatsache darstellt, sondern immer ein prinzipiell richtiges Antikes Glaubensbekenntnis ist, und zugleich ein Schöpfungshymnus. Ich glaube daran, so wie ich an Hiob glaube als Gottes Wort, dem auch die biblische Autoren keinesfalls unterstellten, er habe wirklich gelebt. Genauso unterstelle ich allen biblischen Texten des Alten und Neuen Testamentes, daß sie Gottes Wort sind, wenngleich Menschen entschieden haben welche Texte in den Kanon der Bücher der Bibel aufgenommen werden und welche nicht. Die Bibel existiert für uns als Wort Gottes, weil er es so will und daß ich hier sitze und schreibe. Wenn dies Gott dies wollte, wäre ich garnicht geboren worden, oder ich würde etwas anderes tun. Zusammenfassend: Die Bibel ist nicht wie das Buch Mormon oder der Koran sinnbildlich vom Himmel gefallen und wurde auch nicht von den Engeln wortwörtlich aufgeschrieben. Sie ist vorallem die Überlieferung von Glaubens- und Gotteserfahrung Damit meine ich nicht, daß ich recht habe, sondern nur Wahrheit sagen darf, (oder leider auch das Gegenteil). Gott verhindert keine Untaten, auch nicht von Kain bzw. einem Menschen, der Kain gleicht. Die Aussage über Kain und Abel ist Gottes Wort: Das Töten eines Menschen ist große Sünde.

    Dies schließt ein, daß wir die Bibel auslegen und zwar an der Person und dem Werk Jesu. Auch unsere evangelikalen Geschwister haben hierfür ursprünglich mit unterzeichnet, daß Gottes Wort immer Gottes Wort durch Menschenwort ist. Es ist überliefert, es kann menschliche Meinungen und Vorurteile oder Irrtümer enthalten. Auch Predigten muss man so einschätzen. Gleichermaßen würde man ja auch nicht das Pauluswort auf heute gerichtet für richtig halten „das Weib aber schweige in der Gemeinde“. Das scheint mir eher sogar eine indirekte Kritik an der Frauenskepsis des weiblichen Geschlechtes der Bibelautoren zu sein, die Frauen waren doch die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu waren und leider wollten ihnen die anderen Jünger nicht glauben. Die Frauen waren ebenso Jünger:innen.

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