Das Berliner Verwaltungsgericht hat islamische Mittagsgebete an Schulen der Stadt erlaubt.
Mit ihrem Urteil bestätigten die Richter am Dienstag eine im März 2008 ergangene Eilentscheidung. Geklagt hatte ein 16-jähriger muslimischer Schüler aus dem Stadtteil Wedding.
Der Kläger Yunus M. habe gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht, dass es für ihn eine religiöse Pflicht sei, fünf Mal am Tag zu beten, sagte der Vorsitzende Richter Uwe Wegener. Die Berliner Senatsbildungsverwaltung hatte dagegen auf die Pflicht des Staates zu weltanschaulicher Neutralität verwiesen und sich gegen die Zulassung des Mittagsgebets ausgesprochen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließen die Richter Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.
In einer ersten Reaktion bedauerte der Senatsbildungsverwaltung, dass das Gericht dem Grundrecht auf Religionsfreiheit Vorrang vor der Neutralitätspflicht der öffentlichen Schule eingeräumt habe. Ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird, solle erst nach eingehender Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung entschieden werden. Dagegen begrüßte die evangelische Kirche das Urteil. Es mache deutliche, dass die Neutralitätspflicht der Schule nicht im Gegensatz zum Grundrecht eines Schülers auf Religionsfreiheit stehe, sagte Volker Jastrzembski, Sprecher der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, dem epd.
Nach Ansicht des Gerichts ist der Kläger berechtigt, während des Schulbesuchs einmal täglich ein islamisches Gebet außerhalb des Unterrichts zu sprechen. Da für einen gläubigen Muslim die Gebetszeiten einen hohen Stellenwert hätten, könne von einem Strenggläubigen nicht erwartet werden, grundsätzlich nur außerhalb der Schulzeiten zu beten, sagte Richter Wegener. Voraussetzung sei allerdings, dass er bereit sei, in der unterrichtsfreien Zeit zu beten und den Schulbetrieb nicht zu beeinträchtigen.
Yunus M. hatte geklagt, nachdem ihm das öffentliche Gebet zusammen mit mehreren Schülern im Flur des Diesterweg-Gymnasiums untersagt worden war. Der 16-Jähríge ist Sohn muslimischer Eltern. Seine Mutter ist Türkin, sein Vater Deutscher. In seiner Stellungnahme vor Gericht betonte der Schüler, das Gebet sei seine religiöse Pflicht und er müsse die Gebetszeiten einhalten.
In seiner Argumentation stützt das Gericht sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Erlanger Islamwissenschaftlers Mathias Rohe. Rohe sah die Ausführungen von Yunus M. als glaubwürdig an. Sie deckten sich mit dem, was er in seinem Gutachten zu der Praxis des muslimischen Gebets herausgearbeitet habe.
Wie es im Urteil heißt, hat das Gericht im konkreten Einzelfall nicht erkennen können, dass der Kläger durch sein Verhalten Konflikte im Schulalltag zwischen den Schülern vertieft. Ebenfalls sehe das Gericht keine akute Gefahr, dass von einer breiteren Schülerschaft räumliche Möglichkeiten zum Gebet eingefordert werden.
Zudem argumentierte das Berliner Gericht, das Gebet des Schülers stehe der Neutralitätspflicht des Staates, dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie der Störung des Schulfriedens und beschränkten räumlichen Kapazitäten nicht im Weg. Die Neutralitätspflicht verlange vom Staat Zurückhaltung bei eigenen religiösen Veranstaltungen, jedoch nicht das Vorgehen gegen religiöse Betätigung Einzelner.
(Quelle: epd)