Das bundesweite Pilotprojekt «Church4night» ermöglicht es Reisenden, auf Kirchplätzen zu campen oder in der Kirche zu übernachten – für viele Gäste ein besonderes Erlebnis.
Pfarrer Martin Cachej aus der Markus-Gemeinde am Elm in Evessen bei Braunschweig hat das Camping-Projekt im vergangenen Jahr ins Leben gerufen (wir berichteten). Es hat ein englisches Vorbild. «Mein Traum ist: Ich fahre am Nordkap los bis Brindisi und habe überall die Gelegenheit, an Kirchen oder in Kirchen zu übernachten», sagte Cachej dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Herr Cachej, wie sind Sie auf die Idee zu «Church4night» gekommen?
Martin Cachej: Die Idee hatten meine Frau und ich gemeinsam, das ist coronabedingt. Wir haben uns einen kleinen Camper gekauft, waren damit unterwegs und haben uns die Frage gestellt, warum es keine Stellplätze an Kirchen gibt. Die haben in der Regel sehr schöne und schön gelegene Grundstücke, die man nutzen könnte. In Deutschland haben wir mittlerweile fünf Gemeinden gefunden, die ihre Grundstücke zur Verfügung stellen. Aber wir brauchen noch weitere. Jede Gemeinde kann selbst entscheiden, ob sie die Übernachtungsmöglichkeit kostenlos, in Kombination mit einer Spende oder zu einem Festpreis anbietet. Hier in Evessen ist es kostenlos. Gäste, die nicht in der Kirche schlafen, sondern mit ihrem Wohnwagen oder Wohnmobil kommen, müssen allerdings autark sein, weil wir für sie keine Dusche oder Toilette bereitstellen.
epd: Wie waren die bisherigen Reaktionen der Gäste?
Cachej: Sehr positiv, gerade für Frauen ist es etwas Besonderes, hier zu übernachten. Wir hatten letztes Jahr ein Pärchen, da sagte die Frau, sie fühle sich sicherer unter dem Schutz des Kirchturms. Positiv war auch die Reaktion von Leuten, die in der Kirche übernachtet haben. Wir haben dafür zwei Betten in die Kirche gestellt, samt Nachttisch und Beleuchtung. Die Gäste haben beschrieben, wie besonders es für sie war an diesem Ort, wenn sich das Licht verändert. Es wird langsam dunkel und am nächsten Morgen wird es hell, weil es ja keine Verdunklung gibt. Man lebt anders mit den Tages- und Nachtzeiten.
epd: Was gibt es hier in Evessen, worauf sich Übernachtungsgäste freuen können?
Cachej: Wir sind hier geografisch wunderbar gelegen zwischen Elm und Asse, also genau zwischen zwei Höhenzügen. Wenn man hier Urlaub macht oder zu Besuch ist, kann man Fahrradtouren machen und Wanderungen unternehmen am Elm. Till Eulenspiegel ist hier in der Nähe groß geworden, also kann man hier kulturell einiges erleben. Und hier im Ort gibt es zum Beispiel einen Schlachter, einen Bäcker und mehrere Obstbauern. Man kann hier regional einkaufen und sich leckeres Essen zubereiten, auch wenn man mit dem Camper hier steht.
Die Fragen stellte Sonja Scheller (epd)
Schlafen in der Kirche – das ist ja nun nicht gerade etwas Neues …
Der Heilige Geist bewegt, aber nicht unseren Routinebetrieb
Übernachtungen in Kirchen sind auch für Kinder und Jugendliche etwas sehr besonderes. Den Raum ein wenig zu erfühlen, ist dabei genauso wichtig, wie eine größere Nähe für Kirche auch als Ort und Heimat zu finden. Eventuell kann man den Orgel unter guter Begleitung erforschen. Oder auch nach der Kirchennacht seine Befindlichkeiten äußern. Kirchen für erwachsene Übernachtungsgäste zu öffnen ist eine wunderbare Idee. Oder Menschen ohne Obdacht hier Schutz zu gewähren in sehr kalten Wintern. Gegenüber unseren katholischen Geschwistern sind wir allgemein in der Kirche sehr zurückhaltend, offensichtlich ist der Schutz der Kirche, auch gegenüber Rabauken, doch hier bei uns Evangelen vergleichsweise hoch angesetzt. In der Stiftskirche zu Kaiserslautern gibt es aus gute Gründen Kirchenhüter:innen, die in der Regel auch die Lust und die Fähigkeit besitzen, etwa über die Geschichte des Gotteshauses in Erfahrung zu bringen. Wichtig scheint mir, nicht nur an den Hecken der Zäunen der Welt zu sein, aus einer reinen Komm-Struktur auch eine Geh-Hin-Struktur zu machen und überhaupt hinsichtlich Kasualien hier phantasievoller zu werden. Denn es kostet keine Unsumme, eine Taufe mehrerer und vieler Menschen jeden Alters am offenen Wasser oder Schwimmbad zu machen als Fest für alle. Oder evangelisch wieder mehr Salbungen und Segnungen als hilfreiche Zeichen für das Evangelium zu nutzen. Der Heilige Geist bewegt, allerdings nicht unseren Status quo oder den reinen Routinebetrieb. Es ist allerdings reichlich bequem, allen kirchlichen Niedergang dem Traditionsabbruch zuzuweisen. Jedenfalls kann man solche (auch soziologischen) Vorgänge nicht uneingeschränkt als Naturgesetz begreifen.