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Freakstock: Christsein zwischen Seifenblasen und Tiefgang

23 Jahre – und ein bisschen erwachsen geworden ist das Freakstock, das größte alternative christliche Festival Europas. Die Jesus-Freaks und ihr Gathering verkörpern die Sehnsucht, sich für Jesus nicht bürgerlich verbiegen zu müssen. Ein Erfahrungsbericht.

Von Laura Schönwies

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„One way“ prangt in Großbuchstaben auf einem Schild. Es geht geradeaus, den staubigen Abhang hinunter. Ein junger Mann fühlt sich veranlasst, diesen Hinweis in der Melodie des gleichnamigen Hillsongklassikers zu singen. Ich stimme ein: „Jesus“. Wir grinsen uns an. Wir sind unterwegs zum 23. Freakstock-Festival des Vereins Jesus Freaks Deutschland auf Gut Haarbecke im sauerländischen Kierspe.

Auf dem Weg Richtung Festival-Gelände sauge ich Eindrücke rechts und links vom Wegesrand auf. Ich laufe an bunten Zeltplätzen vorbei. Zwei Kinder haben ihre Hängematten zu Schaukeln umfunktioniert, überall schmücken Lichterketten und Lampions die Campingstadt. Sie ist voller Leben. Zwischen Seilen und Heringen kuschelt ein Kind mit einem Golden Retriever.

Auferweckung statt Auferstehung

Schnell bringen mich meine inzwischen staubigen Füße in Sandalen zum Anmeldepoint. Als Journalistin bekomme ich eine Scherpe umgehangen „Damit man Sie als Pressevertreter erkennt, wenn Sie Fotos machen“, erklärt man mir.

Heute habe ich einen ganz besonderen Presseeinsatz, denn ich darf dem Vortrag von Siegfried Zimmer zur Auferweckung Jesu lauschen. Der umfunktionierte „Kuhstall“ ist bereits brechend voll. Um die 200 junge Männer und Frauen hocken im Schneidersitz auf dem Boden, andere haben sich einen gute Aussicht mit ihrem Campingstuhl gesichert, andere quetschen sich noch in die Türe. Bei der Hitze fächeln sich viele Luft mit dem Programmheft zu. Alle sind gespannt auf den 71-jährigen Worthaus-Referenten.

Siegfried Zimmer ist die Aufmerksamkeit der Jesus Freaks sicher (Bild: Jesus.de).

Der Theologie-Professor hält keine schnöde Vorlesung. Seinen Vortrag beginnt er mit einem Kalauer von Lothar Zenetti:

„Ich war im Kino: Blutüberströmt, fertiggemacht fiel einer um, als Letzter von allen – das war ein Western! Ich war in der Kirche: Blutüberströmt, fertiggemacht stand einer auf, als Erster von allen – das war ein Ostern!“ Gelächter.

Zimmer kann aber auch für überraschendes Schweigen unter den Zuhörerinnen und Zuhörern sorgen, etwa, wenn er verkündet, er glaube nicht an ein „Weiterleben nach dem Tod“. Stille. Das „Weiter“ störe ihn, klärt er auf.

Ich nehme viel mit aus seinem Vortrag. Etwa, warum es sinnvoller sei, von Jesu „Auferweckung“, als von Jesu „Auferstehung“ zu sprechen. Die „Auferweckung“ mache das aktive Handeln Gottes an Jesus deutlich, das göttliche Einwirken von außen, während „Auferstehung“ implizieren würde, Jesus habe selbst aus sich heraus gehandelt. Man dürfe laut Zimmer von „Auferstehung“ sprechen, müsse diese aber von der „Auferweckung“ her denken. Spannend.

„Wenn Gott sogar mich gewinnen konnte, warum dann nicht auch Andere?“

Ausführlich erklärt er uns, warum die Bezeugung der Auferweckung Jesu und die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen kein „religiöser Strohhalm“ sei, an dem sich die verzweifelten Jünger in ihrer Trauer festklammerten. Es sei wohl kaum durch Kompensation zu erklären, dass die Jünger sich zum Pfingstfest wieder nach Jerusalem wagten und den Auferstandenen predigten, wo doch Anhänger von vermeintlichen Gotteslästerern häufig selbst am Kreuz endeten.

Und was war mit Paulus? Er war doch Christenverfolger, hat Jesus nie zu Lebzeiten kennengelernt, er musste doch nichts kompensieren und hat den auferstandenen Christus doch bezeugt. Nach seinem Vortrag dürfen wir uns über das Gehörte austauschen. Mir ist besonders Zimmers Bemerkung hängen geblieben: „Wenn Gott sogar mich gewinnen konnte, warum dann nicht auch Andere?“ Am Ende erfüllt ein lauter Applaus den „Kuhstall“ und Zimmer bedankt sich beim Publikum.

Das Herzstück des Freakstocks 2018: Die Hauptbühne (Bild: Jesus.de).

Glaubwürdige Improvisation

Es geht raus aufs Gelände. Mir fällt ein Besucher mit schwarzer Kappe auf, auf der in weißen Buchstaben „JESUS“ prangt. „Und, wie gefällt dir das Freakstock?“, frage ich ihn. „Gut, aber es gibt zu wenig Lobpreis“, antwortet er spontan. Besonders lobt er die „kreativen Aufbauten“ auf dem Festivalgelände. Tatsächlich erinnern die verschiedenen „Areas“ mit ihren Holzkonstruktionen und flatternden, bunten Bändchen-Girlanden an Indianerdörfer. An meterhohen Holzlatten etwa, die wie zu einem Lagerfeuer geschichtet sind und dabei dem Gerüst eines riesigen Zeltes ähneln, sind Lautsprecher befestigt. Auch nach über zwei Jahrzehnten routinierter Improvisation hat sich die Infrastruktur ihre alternative Glaubwürdigkeit bewahrt.

Strandkörbe laden in den „Chill out“-Bereichen zum Füße-hochlegen ein. In der Luft vermischen sich Metal-Klänge mit Elektromusik. Auf zwei Bühnen und einem Club wird unterschiedlichste Musik gespielt, darunter Indie, Folk und Hardcore. Und genauso gemischt ist das Publikum. Die Festival-Besucher lassen sich für mich nicht auf einen Nenner bringen. So manche Jesus-Begeisterung lässt mich schmunzeln, doch der Grillmeister mit einem übergroßen leidenden und blutschwitzenden Jesus auf seinem T-Shirt wirkt doch etwas bizarr, gerade im Kontext des Brutzelns von Würstchen in der heißen Mittagssonne …

Die Kinder stört das alles gar nicht. Sie jagen vergnügt Seifenblasen nach. Ein typisches Bild fürs Freakstock. Eine Besucherin fasst mit einer anderen Szenerie „ihr Freakstock“ zusammen: „Typisch Freakstock war für mich, als vor der Hauptbühne ein Kind mit großen Ohrenschützern tanzte und daneben ein Typ mit Gummihuhn auf dem Kopf feierte.“

Neben all dem Spaß macht das Freakstock eine geistliche Tiefe aus: „Christsein ist hier selbstverständlich“, schwärmt ein Besucher. Nach einem intensiven Gespräch mit einer unbekannten Person, habe diese spontan für ihn gebetet. „Das war so angenehm.“ Da hat er Recht. „Wirklich beeindruckend“, denke ich und lasse den Blick über die Freaks streifen. Ich beobachte, wie hinter den sauerländer Tannenwäldern die Sonne untergeht. Ein schönes Erlebnis. Ich komme bestimmt wieder.


Mehr Informationen:

Homepage Freakstock

Homepage Jesus Freaks Deutschland

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