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Missionsexperte Pompe: „Kirche hat die beste Zeit noch vor sich!“

Pfarrer Hans-Hermann Pompe, Missionsexperte der EKD, ist überzeugt: Kirche hat auch dem postmodernen Menschen noch viel zu sagen.

Erklären Sie mal jemandem, der nicht kirchlich sozialisiert ist, was sich hinter dem sperrigen Begriff ZMiR verbirgt.

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Hans-Hermann Pompe: Als wir unser Haus renovierten, erklärte ich es einem kirchendistanzierten Bekannten so: Ich möchte Gemeinden helfen, dass Leute wie du das Gefühl haben, sie verpassen etwas, wenn sie nicht kommen. Darauf grinste dieser und sagte: „Da hast du aber viel vor“. ZMiR ist ein Innovationsinstrument der evangelischen Kirche, um die zwei zentralen Begriffe „Mission“ und „Region“ innovativ zusammenzubringen.

Wie viele durchschnittliche Gottesdienstbesucher in Westfalen oder im Rheinland können wohl mit dem Begriff ZMiR etwas anfangen?

(lacht) Von hundert vielleicht 0,5 %.

Ist das nicht ein bisschen ernüchternd? 0,5 % kennen das Innovationszentrum der EKD?

Nein, weil wir keine Breitenwirkung haben müssen. Es ist ein Spezialinstrument, welches mit Multiplikatoren arbeitet. Unsere Hauptzielgruppe sind leitende Verantwortliche der lokalen und mittleren Ebene, also Leute auf der Ebene der Dekanate oder der Kirchenkreise. Auf dieser Ebene haben wir eine relativ hohe Durchdringung.

Das ZMiR wurde 2009 im Kontext des Reformprozesses „Kirche der Freiheit“ gegründet. Was ist von dem Schwung geblieben?

Bild: Rolf Krüger

Wir haben in über sechzig Regionen in Deutschland Pilotprojekte durchgeführt. Da sind eine Fülle von praktikablen Ideen entwickelt und multipliziert worden, die auf der Homepage bereitstehen. Und wir sind nach wie vor dran an der Frage: Wie kann sich Kirche aufstellen, wenn das „Einfach weiter so“ nicht mehr geht und das „Jeder kocht sein Süppchen für sich selbst“ ausgedient hat? Wir bringen nach wie vor Menschen zwischen den verschiedenen Landeskirchen zusammen. Und solche Kontakte befruchten sich gegenseitig.

Welche Chance bietet für Sie die Region?

Fatal ist, wenn die Kirche zuerst größere Einheiten schafft und dann denkt: Jetzt können wir wieder Nähe erzeugen. Größere Einheiten machen nur Sinn, wenn sie den Aufwand reduzieren, den jeder Einzelne für sich hätte. Größere Einheiten machen Sinn, wenn sich Gaben ergänzen können, wenn man schaut: Was kann ich, was kannst du? Ich glaube z. B., es ist eine Illusion, dass jeder, der ein zweites theologisches Examen hat, automatisch mit pubertierenden 13-Jährigen klarkommt. Andere haben aber eine super Gabe dafür. Warum sollen Begabte nicht in einem größeren Kreis die Verantwortung für die Konfirmanden übernehmen, und andere bringen dafür Gaben in puncto Organisation oder Erwachsenenbildung oder Seelsorge ein?

Das ist sicher ein gutes Modell in der Stadt. Doch wie sieht es aus auf dem Land?

Meine Erfahrung ist: Die Kollegen auf dem Land praktizieren dies schon. Die erleben die Ergänzung durch die Kollegin, die Zusammenlegung des Konfirmandenunterrichts als eine enorme Erleichterung. Oder zwei Chöre üben getrennt und treten dann gemeinsam auf. Oder sie organisieren zusammen einen Gottesdienst. Plötzlich ist Masse da. Kirche handelt dann gabenorientierter, verheißungsorientierter und mehrwertorientierter.

Das ZMiR trägt ja den Begriff „Mission“ zentral in der Mitte. Warum fremdeln nach wie vor viele Menschen mit diesem Wort? Ist es noch zeitgemäß?

Ich habe auf meinem Computer eine Sammlung von über vierzig Motiven, wo dieses Wort „Mission“ außerhalb der Kirche positiv benutzt wird. Die Fußballmannschaft Hannover 96, die Fluggesellschaft Germanwings, der Otto-Versand, der Sparkassenverband, SPIEGEL ONLINE, Bündnis 90/Die Grünen und viele weitere reden ungeniert von „Mission“, weil sie ihre Mission kennen. Weil Mission Sendung oder Auftrag heißt, kann eine Kirche ohne solche Mission nicht existieren. Die Kirche ist entstanden, weil Jesus seinen Jüngern einen Auftrag gegeben hat. Hier lautet meine Empfehlung: Lasst uns selbstbewusst zu unserer Mission stehen.

Gäbe es einen besseren Begriff dafür?

Da er in der Gesellschaft weit verbreitet und durchaus auch positiv besetzt ist, sehe ich nicht ein, warum wir auf diesen Begriff verzichten sollen. Jeder fragt uns: Was ist eure Mission als Kirche? Nein, wir müssen die Inhalte, die da drinstecken, mit Leben füllen. Unser Laden ist 2.000 Jahre alt. Wir haben einen Auftrag von dem, dem die Kirche gehört. Es gilt, das Evangelium von Jesus Christus unter die Leute zu bringen.

„Lasst uns selbstbewusst zu unserer Mission stehen!“

Was hat die Kirche dem postmodernen Menschen heute noch zu bieten?

Dasselbe wie immer. Eine Nachricht, die das Leben umkrempelt, eine Ausrichtung des Lebens, die befreit ist vom Kreisen um sich selbst, und eine Hinwendung zum Nächsten, die den Menschen mehr als bereichert.

Wie kann Kirche diese Menschen erreichen?

Das haben wir nicht in der Hand. Das ist ein Werk des Heiligen Geistes. Was wir können, ist Haltungen zu stärken und in uns wachsen zu lassen, die es wahrscheinlicher machen, dass Menschen mit dem Evangelium erreicht werden.

Die da wären?

Erstens: Gastfreundschaft! Es gibt fast kein erfolgreiches missionarisches Werkzeug, welches ohne gemeinsames Essen auskommt. Zweitens: Neugier! Es darf nicht nur darum gehen, was ich dem anderen beibringe. Wir müssen auch fragen: Was kann ich von dir lernen? Fulbert Steffensky hat den Satz geprägt: Mission bedeutet, mit anderen teilen, was man liebt. Drittens: Vertrauen! Um das Recht zu haben, von dem erzählen zu dürfen, was mir wichtig ist, muss ich eine Beziehung aufbauen. Beziehungen sind für mich der fundamentale Ansatzpunkt der Mission heute.

Weniger ist mehr: Wo kann und muss Kirche abspecken?

Wir sollten lieber einen Fitnessclub, einen Bienenzüchterverein, einen Chor besuchen statt den dritten Gemeindekreis. Spätestens wenn abends ein Bier zusammen getrunken wird, kommt die Frage: Was machen Sie denn so? „Geht hin“ bedeutet nicht „Macht zusätzliche Termine“, sondern „Verknüpft euer Leben mit dem Leben der anderen“. Die Fragen kommen dann von ganz alleine. Die wieder einzuübende Grundbewegung der Kirche ist die des Gehens.

Was erwarten Sie im Blick auf die Zukunft der Kirche?

Ich hoffe und ersehne, dass wir in der großen Breite verstehen, dass die Kirche ein Werkzeug Jesu ist und der Heilige Geist so in das Leben vieler Menschen hineinspricht, dass es für sie relevant und lebensverändernd wird. Ich bin überzeugt: Die beste Zeit der Kirche liegt noch vor uns. Das Kleinerwerden ist für mich keine Katastrophe. Das fordert uns dazu heraus, ehrlicher und profilierter zu werden. Ich habe nichts gegen große Mitgliederzahlen, aber die Reihenfolge wird sich ändern: Die Leute entdecken erst den Glauben und dann wollen sie auch zur Kirche dazugehören. Der missionarische Modus muss zur Normalität werden, oder die Kirche wird verschwinden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Rüdiger Jope.


Das EKD-Zentrum für Mission in der Region (ZMiR) in Dortmund

Die Arbeit des EKD-Zentrums für Mission in der Region (ZMiR) geschieht durch Begleitung von Pilotregionen, Studientage, Fachgespräche und wissenschaftliche Fach- tagungen, Schulungen und Seminare, geistliche Begleitung, Beratungsprozesse und Coaching, Beratung bei Kooperationen und durch Evaluationen von bisherigen Erfahrungen. Das Zentrum kooperiert mit dem Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) in Greifswald. Zudem arbeitet das Zentrum in den Projekten und Prozessen vor Ort eng mit den Ämtern für missionarische Dienste bzw. mit den Gemeindeberatungen der Landeskirchen sowie mit bundesweiten oder landeskirchlichen Partnern im Feld der kirchlichen Regionalentwicklung und Mission zusammen. www.zmir.de

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