Nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs will die Bundesregierung die Rechte lediger Väter stärken.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte in der «Süddeutschen Zeitung» (Freitagsausgabe) einen Gesetzentwurf an. Auch Politiker von Union und SPD sprachen sich für mehr Rechte für ledige Väter aus. Der Deutsche Kinderschutzbund begrüßte das Straßburger Urteil. Damit stellten die Richter das Kindeswohl in den Mittelpunkt.
Die Justizministerin betonte, die Anliegen lediger Väter seien «stärker zu berücksichtigen». Es gebe nicht wenige Väter von nichtehelichen Kindern, die Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollten. Vorbehalte äußerte sie aber – ähnlich wie Vertreter von CDU und SPD – gegen ein automatisches gemeinsames Sorgerecht für Paare ohne Trauschein.
Das sei jedenfalls dann keine gute Lösung, wenn schon bei der Geburt des Kindes Vater und Mutter nicht mehr zusammenlebten, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Väter müssten aber auch ohne zwingende Zustimmung der Mutter ein Sorgerecht bekommen können.
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), verwies auf das Kindeswohl und sagte: «Wir sind dafür, dass ein Vater bei Gericht ein Sorgerecht beantragen kann, wenn er den Kontakt zu seinem Kind pflegt und pflegen will.» Der für Innen- und Justizthemen zuständige SPD-Vizefraktionschef Olaf Scholz erklärte, dort wo Verantwortung übernommen werde, «sollte es selbstverständlich sein, dass auch der Vater das Sorgerecht erhalten kann».
Die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, nannte das Urteil «zukunftsweisend». Damit werde die rechtliche Möglichkeit geschaffen, die Eltern ehelicher und nichtehelicher Kinder auch beim Sorgerecht gleichzustellen, so die Expertin. Sie appellierte an die Eltern, sich im Streitfall «Hilfe und Unterstützung zu holen».
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter erwartet nach dem Straßburger Urteil keine Prozesslawine. «Oft stammen diese Kinder ja aus kurzen und unverbindlichen Beziehungen. Viele der Väter haben gar kein Interesse, das Sorgerecht wahrzunehmen», sagte die Verbandsvorsitzende Edith Schwab der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitagsausgabe). Bei Kindern aus dauerhaften Beziehungen sei das anders.
Für ledige Mütter gebe es nun keine Rechtssicherheit mehr. Denn jeder Einzelfall müsse jetzt geprüft werden, erläuterte Schwab. Grundsätzlich begrüße sie das Urteil, weil es die unehelichen Kinder den ehelichen gleichstelle. Die Ausübung der alleinigen Sorge könne dennoch in einigen Fällen die bessere Alternative sein.
Der Bundesvorsitzende des Verbandes Unterhalt und Familie, Josef Linsler, forderte den Gesetzgeber auf, nun eine Regelung zu schaffen, nach der Vater und Mutter mit Feststehen der Vaterschaft ein gemeinsames Sorgerecht haben. Laut einer Umfrage lehnten 54 Prozent Mütter nach einer Trennung die gemeinsame Sorge ab.
In dem Urteil vom Donnerstag hatte das Straßburger Gericht einem 45-jährigen Vater aus Pulheim bei Köln rechtgegeben, der sich gegen die bestehende deutsche Gesetzesregelung gewandt hatte. Danach können Väter ohne Trauschein das Sorgerecht nur erhalten, wenn die Mutter ausdrücklich zustimmt. Die Richter sahen das Recht des Mannes auf Familienleben verletzt und beanstandeten, dass er in Deutschland keine Chance auf eine gerichtliche Einzelfallprüfung hat. Sie beriefen sich unter anderem auf das Diskriminierungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention.
(Quelle: epd)