Viele wissen, dass emotionale Strafen in der Erziehung nicht gut sind. Trotzdem wenden Eltern sie teilweise an.
Emotionale Gewalt in der Erziehung wird grundsätzlich von der Mehrheit der Menschen in Deutschland abgelehnt. Bestimmte emotionale Strafen stoßen bei manchen Eltern aber immer noch auf Zustimmung. Das ergab eine repräsentative Umfrage von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm und UNICEF Deutschland.
Demnach halten 16,1 Prozent der Befragten es für eine angemessene Erziehungsmaßnahme, Kinder anzuschreien, heißt es in einer Pressemitteilung des Kinderhilfswerks UNICEF. Für 9,2 Prozent erscheint es angemessen, Kinder in ein Zimmer einzusperren, für 8,6 Prozent das Nicht-mehr-Sprechen mit dem Kind. Laut einer stichprobenartigen Umfrage gab ein Drittel der Befragten mit Erziehungserfahrung an, schon einmal emotionale Gewalt angewendet zu haben.
„Schutz vor Gewalt endlich ernst nehmen“
UNICEF beobachtet eine „Diskrepanz zwischen Einstellung und Handeln“ – denn fast drei Viertel der Befragten lehnen emotionale Gewalt grundsätzlich ab. Am 8. November 2000 wurde das Recht auf gewaltfreie Erziehung in Deutschland gesetzlich verankert – „ein gesellschaftlicher Wendepunkt, dessen Wirkung bis heute spürbar ist“. Dennoch bleibe viel zu tun, um Kinder vor Gewalt in der Erziehung zu schützen.
„Zwar wissen viele Menschen, dass emotionale Strafen in der Erziehung nicht mehr angemessen sind – wenden sie jedoch trotzdem an. Auf der Handlungsebene besteht also noch erheblicher Bedarf an Aufklärung, Prävention und Unterstützung“, erklärt Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut. Besonders wichtig sei es, Menschen zu erreichen, die selbst emotionale Gewalt in ihrer Kindheit erlebt haben. Bei ihnen sei das Risiko erhöht, entsprechende Muster weiterzugeben.
Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, betont: „Gewalt hinterlässt Spuren – oft ein Leben lang. Körperliche und emotionale Gewalt gefährden nicht nur die Gesundheit von Kindern, sondern auch ihre Bildungschancen und ihre seelische Gesundheit im Erwachsenenalter.“ Der Schutz vor Gewalt in der Kindheit müsse „endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ernst genommen und deutlich verstärkt werden“.
Forderungen von UNICEF
Laut UNICEF sind folgende Ansätze „dringend notwendig“, um Kinder vor Gewalt zu schützen:
- Kinderrechte stärken: „Eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz würde … die Rahmenbedingungen für einen wirksamen Kinderschutz und die Teilhabe von Kindern in allen Lebensbereichen verbessern.“
- Den Begriff der gewaltfreien Erziehung erweitern: „Während körperliche und zunehmend auch emotionale Gewalt gesellschaftlich weitgehend abgelehnt werden, fehlt die gleiche Sensibilisierung für die Folgen unterlassener Fürsorge. Der Begriff der gewaltfreien Erziehung sollte daher im Bürgerlichen Gesetzbuch auf Vernachlässigung ausgeweitet und auch diese Form der Gewalt gesetzlich geächtet werden.“
- Gezielte Prävention fördern: „Neben Aufklärungskampagnen braucht es gezielte Strategien, die auch die digitalen Lebenswelten junger Menschen und das Setting Familie berücksichtigen. Neben allgemeiner Aufklärung und Sensibilisierung sollten gezielte Unterstützungsangebote für Risikogruppen sowie frühzeitige Hilfen bei erkennbaren Belastungen ermöglicht werden, um Gewalt in der Erziehung vorzubeugen.“
- Datenlage zu Gewalt in der Erziehung verbessern: „Systematische Datenerhebungen sind entscheidend, um Ausmaß und Risiken zu erkennen, wirksam gegenzusteuern und politischen wie gesellschaftlichen Handlungsdruck zum besseren Schutz von Kindern aufzubauen.“
