Regine und Daniel Bräuer haben gemeinsam die Bibel komplett durchgelesen – in nur vierzig Wochen. Welche Höhen und Tiefen sie dabei erlebt haben, erzählen sie im Interview mit dem Magazin „Faszination Bibel“.
Faszination Bibel: Regine und Daniel, nachdem ihr ein Paar geworden seid, habt ihr beschlossen, zusammen die ganze Bibel durchzulesen. Was hat euch dazu motiviert?
Daniel: Mir war damals wichtig, dass wir eine gute Grundlage für unsere Beziehung haben, weil wir beide Christen sind. Zusammen die Bibel durchzulesen, schien mir eine gute Idee dafür. Außerdem wollten wir mal den Gesamtzusammenhang kennenlernen. Wenn man zwanzig Jahre in einem christlichen Umfeld groß geworden ist, kennt man irgendwann die top dreißig Geschichten der Bibel. Wir wollten auch diejenigen kennenlernen, die man nicht immer in der Predigt hört, die eher am Rande stehen und nicht so betont werden.
Wie seid ihr dabei vorgegangen?
Daniel: Wir haben beide die Elberfelder Bibel als Übersetzung gewählt. Inzwischen denke ich, es wäre auch eine Chance, wenn man unterschiedliche Übersetzungen liest. Vielleicht erkennt man dann noch andere Aspekte. Wir haben einfach nach der Reihenfolge der biblischen Bücher gelesen. Unser Plan war, jeden Tag vier Kapitel zu lesen. Nach neun Monaten waren wir durch. Abends haben wir immer etwa 15 Minuten lang am Telefon über die gelesenen Kapitel gesprochen: darüber, was wir gut fanden und was uns er mutigt hat, wo wir Sachen nicht verstehen und Fragezeichen haben. Das haben wir dann auch bewusst so in der Bibel markiert.
Regine: In Zeiten, wo wir das nicht jeden Tag geschafft haben, haben wir es nachgeholt, wenn wir uns dann am Wochenende gesehen haben. Dann saßen wir quasi nebeneinander, jeder hat noch schnell das gelesen, was er „geschwänzt“ hat. Und dann haben wir das besprochen. Wir hatten also zwar einen konkreten Plan, aber auch eine gewisse Flexibilität.
Wie war dieser Austausch für euch? Habt ihr mal erlebt, dass ihr völlig andere Meinungen über denselben Text hattet?
Daniel: Es kam nie vor, dass wir uns richtig uneinig waren. Eher so: Wenn ich etwas nicht verstanden oder gesehen habe, dann konnte mir Regine Textstellen erklären – oder umgekehrt. Aber es gab auch Stellen, bei denen wir beide nicht mehr weiter wussten. Stellen, bei denen wir uns gefragt haben, wie das in den Zusammenhang passt oder warum das über haupt in der Bibel steht.
„Es ging darum herauszufinden, was denn am Ende wirklich mein Glaube ist, nicht einfach nur das, was ich als Kind gelernt habe.“ (Regine Bräuer)
Wie seid ihr mit den Dingen umgegangen, die ihr nicht verstanden habt? Habt ihr nach Antworten gesucht oder es erstmal auf sich beruhen lassen?
Daniel: Letzteres. Das war unser Fehler (lacht). Wir haben die Fragen gesammelt und uns vorgenommen, hinterher jemanden zu suchen, der sie uns beantworten kann. Aber nach dem Projekt waren wir erst einmal erschlagen von all dem, was wir gelesen hatten. Vor allem von den großen Fragen, die uns dabei gekommen sind, wie: „Ist der Gott des Alten Testaments wirklich derselbe wie der des Neuen Testaments?“ Oder auch banale Beispiele. Diese Stelle, wo Jesus zu einem Feigenbaum sagt: „Du sollst verdorren!“ (Markus 11). Ich denke mir dann: „Ja, was kann denn jetzt der Baum dafür? Was will Jesus mir damit sagen?“ Oder auch in Hesekiel 26,6: „Und seine Töchter, die auf dem Feld sind, sollen mit dem Schwert erschlagen werden, und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin.“ Warum soll man an so etwas erkennen, dass Gott Herr ist? Das sind dann Verse, die so richtig reinhauen. Wenn man das nicht reflektiert, dann kann das sehr frustrierend sein.
Regine: Andererseits hat es auch gutgetan, diese Fragen einfach mal stehen zu lassen und auszuhalten. Niemanden zu haben, der gleich auf alles eine Antwort hat und weiß, wie es „richtig“ ist. Wenn man christlich aufwächst, kennt man ja Sätze wie: „Das, was in der Bibel steht, stimmt auf jeden Fall.“ Als Kind macht man das erstmal automatisch mit. Während und nach diesem Bibelprojekt kam das in Bewegung. Es ging darum herauszufinden, was denn am Ende wirklich mein Glaube ist, nicht einfach nur das, was ich als Kind gelernt habe.
Würdet ihr sagen, dass sich zu der Zeit euer Glaube stark verändert hat?
Regine: Wir hatten zwischendrin eine Phase, wo uns das, was wir lasen, überfordert hat. Es war eben nicht alles so schön und einfach, wie wir das gelernt hatten. Wir konnten einfach keinen Zusammenhang erkennen. Wir haben dabei nie gesagt: „Das ist alles Quatsch und die Bibel stimmt nicht.“ Aber zwischendurch habe ich mich manchmal gefragt: „Glaub ich das nur, weil ich das so gelernt habe, oder weil ich das wirklich glaube?“
Daniel: Es wird ja immer betont, dass Gott ein liebender Gott ist und Jesus die Sünden vergibt. Das ist ja auch korrekt. Aber man kommt beim Lesen eben auch zu Stellen wie Matthäus 12,31-32: Die Lästerung des Heiligen Geistes wird nicht vergeben. Dann frage ich mich: Warum wird das so oft weggelassen? Wenn es doch Gottes Wort ist, warum kann ich das dann nicht in seiner ganzen Fülle sagen?
Wenn ihr anderen Ratschläge geben wolltet, die auch ein solches Bibellese-Projekt vorhaben, was würdet ihr ihnen sagen?
Regine: Erstmal: Toll, dass ihr eure Zeit einsetzt, um Gott näher kennenzulernen. Ich glaube, es hilft, sich konkrete Ziele zu setzen, um dranzubleiben.
Daniel: Tauscht euch intensiv aus und fragt Vorbilder um Rat, wenn ihr nicht mehr weiterkommt. Geht mit Gott ins Gespräch und macht euch nicht selbst den Druck, auf alle Fragen sofort eine Antwort zu finden.
Vielen Dank für das Interview und für eure Offenheit.
Die Fragen stellten Lydia Rieß und Ulrich Wendel.
Dieses Interview erschien zuerst im Magazin „Faszination Bibel“ des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.