Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Freitag sorgt weiter für Diskussion. Islamwissenschaftler begrüßten die Entscheidung gegen ein generelles Kopftuch-Verbot an Schulen. Die SPD-Politikerin Lale Akgün und der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach hingegen bedauerten das Urteil.
Lale Akgün bezeichnete das Urteil als nicht weise. "Eine Lehrerin mit Kopftuch ist für mich nicht mehr religionsneutral", sagte sie am Samstag dem Deutschlandfunk. Das Kopftuch sei einst vom politischen Islam bewusst als Symbol konstruiert worden. Es werde in erster Linie nicht getragen, um sich als Muslimin zu erkennen zu geben, sondern – zurückzuführen auf den Koran – um sich vor den Blicken der Männer zu schützen, sagte die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete. Insofern gehe es "immer darum, die Frau aus der Gesellschaft irgendwie auszuschließen."
Auch CDU-Politiker Bosbach kritisierte, die Probleme würden an die Schulen verlagert. "Denn es ist völlig unklar, nach welchen Kriterien Schulleiter und Aufsichtsbehörden feststellen sollen, ob im konkreten Fall durch das Tragen eines Kopftuchs der Schulfrieden gestört ist oder nicht", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses dem "Bonner General-Anzeiger". Das Gericht werde sich also weiter mit dem Thema beschäftigen müssen.
Die evangelische Theologin Margot Käßmann plädierte dafür, religiöse Symbole nicht aus der Schule zu verbannen. Ein Kopftuch allein sage noch nichts über die Einstellung einer Frau, schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland in ihrer Kolumne in der "Bild am Sonntag". "Aber wenn eine Lehrerin es aus Glaubensgründen trägt, muss sie dennoch auch mit dem Vater beim Elternsprechtag allein reden und ihm die Hand geben können." Ebenso müsse sie Mädchen ermutigen, den eigenen Weg zu gehen und Jungen klarmachen, "dass sie nicht die Paschas dieser Erde sind".
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag entschieden, dass ein generelles Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen, wie es unter anderem in Nordrhein-Westfalen gilt, gegen die Religionsfreiheit verstoße (AZ: 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10). Künftig soll es für ein mögliches Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen auf konkrete Konflikte oder eine konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden ankommen. Die Länder können selbst entscheiden, ob sie Verbote erlassen oder nicht.
Islamwissenschaftler begrüßen die Entscheidung der Karlsruher Richter gegen ein pauschales Kopftuch-Verbot. Hier erläutert Mouhanad Khorchide, warum das Urteil ein "Meilenstein" sei.
(Quelle: epd)