- Werbung -

Andere Menschen höher achten als mich selbst?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Tom Laengner hielt seine neue Kolumne für ein Meisterwerk. Dann las seine Frau den Text … Eine Lektion in Demut.

Meine aktuelle Kolumne fand ich nahezu perfekt. Das galt auch für den Titel: „Würde ich mit Gott gerne Weihnachten feiern?“ Ich war 25 Minuten lang entzückt! Hätte meine Frau nur nicht so schnell Zeit gefunden, den Text zu lesen! Meiner Freude hätte das gutgetan. Dabei finde ich es grundsätzlich hilfreich, einen Menschen zu haben, der meinen Text liest, bevor der auf seine elektronische Reise geht.

Ich freue mich über ihr Lachen, wenn ich witzig sein wollte. Und ich werde auch ein wenig stolz, wenn sie meint, ich hätte etwas Wichtiges zu sagen gehabt. Heute war das nicht der Fall. Ulrike war ganz still, als wüsste sie nicht so recht, wie sie es ausdrücken sollte. Wenige „Ähms“ und „Hmms“ später hatte sie ihre Worte gefunden. Kein Mensch würde darauf kommen, warum ich Putzen im Bereich deutscher Folklore angesiedelt hatte. Und so wie ich Gott dargestellt hatte, müsste er etwas weich im Hirn sein. Aus gutem Grund ging es dann noch ein paar Minuten so weiter.

Auferstanden aus Ruinen

Da stand ich also vor den Ruinen meiner nicht mehr ganz so schillernden Kolumne und wusste, ich könnte alles fröhlich noch einmal und ganz von vorn beginnen. Anschließend atmete ich so tief ein, dass ich fast vergaß, wieder auszuatmen. Nicht zu vergessen: Meine Lippen wurden auch ganz schmal. Doch dann schauten meine Frau und ich uns glücklich an und genehmigten uns zur Feier der Situation einen steinkohleschwarzen Espresso.

Schließlich war doch ein kleines Alltagswunder geschehen. Worin das bestand, möchte ich gerne erklären. Es ist schließlich nicht leicht, einem Menschen zu sagen, dass das Ergebnis seiner Arbeit nicht seiner eigenen Einschätzung entspricht. Aber meine Frau hatte es gewagt. Sie hatte meine Arbeit nicht bewertet. Stattdessen hatte sie sich gefragt, ob ich mit ihr meine Ziele erreichen würde. Und sie musste in Kauf nehmen, dass ich unwirsch reagieren könnte. Um meiner Ziele willen hat sie riskiert, von mir nicht gut behandelt zu werden. In der Bibel heißt so etwas, den anderen höher zu achten als sich selbst. Da steht auch nicht die Belohnung im Vordergrund, sondern das Wohl des anderen.

Höher achten und höher geachtet werden

Und für mich war es auch nicht zum Nulltarif zu haben, all die gehörten Hinweise beinahe als Geschenke wahrzunehmen. Es gab Zeiten, in denen ich all diese Bemerkungen einer ungerechten Bestrafung gleichgesetzt hätte. Aber jetzt muss ich mich nicht mehr verteidigen. Dieser Umgang mit Kritik empfinde ich für mich selbst als sehr erleichternd. Und was diese Kolumne angeht, war ich besonders gut beraten. Hättest du sie gelesen, würdest du jetzt nicken.

Das mit den Bestrafungsgefühlen ist zum Glück schon lange her. Bereits vor vielen Jahren hatten wir in der Bibel gelesen, „in Demut einander höher zu achten als uns selbst“. Leicht fanden sich damals Argumente, die den Text bedeutungslos erscheinen ließen. Hilfreich war dabei, dass der Autor des biblischen Textes sich nicht mehr wehren konnte. Herausfordernd wurde es, die Qualität der Worte für sich auszugraben und im Alltag einzuüben. Den anderen höher achten? Das ist herausfordernd. Aber höher geachtet werden? Die Vorstellung finde ich durchaus charmant.

Doch jetzt ist Schluss mit lustig. Morgen muss die neue Kolumne in der Redaktion sein. Und bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

2 Kommentare

  1. Letzter Halbsatz vergessen: Demut biblisch steht im 1. Korintherbrief im 13. Kapitel. So wie wir da gewünscht sind, so ist allerdings auch Gott selbst.

  2. Das ist Demut ?

    „In Demut einander höher zu achten als uns selbst“! Das ist biblische Sprache, durchaus also keine des Alltages. Ich denke, diesen Satz – der ja ein wichtiges Leitmotto sein soll – muss ich erst einmal für mich übersetzen. Will sagen: Vor allem, was ich daraus für mich als sehr wichtig erachte.
    Demut ist keine Unterwürfigkeit. Mit Demut meint nicht sich klein machen, sich unwichtig fühlen müssen, oder dem Gegenüber eine sehr hohe Dominanz einzuräumen. Niemand muss eines anderen Sklave sein, denn Gott hat durch Moses die Israeliten aus der Versklavung befreit. Mit Jesus wurden wir alle (!!!) Kinder Gottes und die freiesten Menschen die es geben kann. Vielleicht liege ich richtig, dass Demut eine Haltung ist aus der heraus ich auch dem den Mut habe, dem (oder der) anderen zu dienen. Auch die Begrifflichkeit „dienen“ ist in moderner Zeit nicht mehr wirklich eingängig. Es gibt kaum mehr Diener in Haushalten, die sich verneigen, jeden Handgriff tun, nie streiken, immer zuvorkommend sind – und nach heutiger Gefühlslage – in einer Komödie oder Sketch eher als menschliche Roboter daherkommen würden.

    Demut verstehe ich als eine Haltung, dass der Andere wichtiger ist als ich mich momentan empfinde. Ein Grundsatz hierzu wäre, wenn ich einen anderen Menschen, der wegen seinem Anderssein weil er nicht wie ich selbst ist, in seinem Anders-sein auch akzeptiere. Ein Anderer hat oft die Angewohnheit, meine Meinung oder Lebensphilosophie nicht zu teilen. Oder auch nicht meinen christlichen Glauben. Wie das Sprichwort sagt, sieht er die Welt mit anderen Augen, nämlich durch seine spezielle Brille. Super wäre, seine Gründe zu erkennen, dann kommen wir uns näher. Meine und die Rechte der anderen Menschen werden jede Minute und jeden Tag abgewogen in der Demokratie, in dem die Herrschaft durch das Volk stattfinden, in einer repräsentativen Demokratie, und hier entscheiden Mehrheiten. Im persönlichen Umgang mit uns nahen Menschen geht es um Toleranz. Oder auch um meine kritische Sicht meiner selbst. Sagte Jesus doch, niemanden zu verurteilen, oder uns selbst unter einen gleichen Maßstab zu stellen, mit dem wir dann messen möchten. Ich soll zuerst den Balken aus meinem Augen ziehen und dann darf ich – wenn überhaupt – den Splitter im Auge des anderen kritisieren. Wenn ich einem x-beliebigen Menschen begegne, dann ist er sofort mein Nächster. Dem schulde ich eigentlich nichts, aber er würde sich über ein Lächeln freuen. Demütig war der katholische Heilige, dessen Namen mir jetzt nicht einfällt. Dieser Priester ging im KZ für einen anderen Menschen in den Tod, und rettete damit dessen Leben. Jesus war demütig, er diente uns weil Gott uns unendlich liebt. Er lies sich für unseren Mangel an Liebe zu Gott und den Menschen an ein Kreuz schlagen. Auch er verzichtete auf jede Gewalt. Weil eben Gewalt immer Gegengewalt erzeugt und dies in einer endlosen Kette. Aber Gott selbst ist von Herzen demütig. Er sitzt nicht auf dem Thron des Universums, weil ihm alles möglich ist und er es auch tut. Als Friedefürst schafft er einen Neuen Himmel und eine Neue Erde, in der es nur noch Liebe und Barmherzigkeit gibt für alle, auch die es nicht verdient haben. Am Ende sind alle Menschen demütig, sie fallen (bildlich gesehen) im Himmel auf ihre Knie und kapitulieren vor der Liebe Gottes. So wie Saulus der Christenmörder vor Damaskus, als er Petrus wurde. Was Demut biblisch bedeutet, steht wortgetreu im 1. Brief an die Korinther.

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.

Die neusten Artikel