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Sri Lanka: Seelsorge im Bombenhagel

Die Enge der Erdlöcher, das Sirren der Granaten, das sinnlose Sterben: Pfarrer Nehru steht seine monatelange Odyssee in Sri Lankas Bürgerkrieg bis heute glasklar vor Augen. Er flüchtete mit seiner Gemeinde – und geriet 2009 in eine tödliche Falle.

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Der Spruch klingt harmlos, fast wie aus dem Kindergottesdienst: "Ein Hirte sollte seine Schafe nicht im Stich lassen, wenn sie in Gefahr sind." Der katholische Priester Jude Nehru in Sri Lanka beschreibt damit seine tiefe religiöse Überzeugung, für die er sein Leben riskiert hat. Im Inferno des Bürgerkrieges begleitete er seine Gemeinde auf der Flucht. Im Bombenhagel teilte der heute 37-Jährige Hunger und Todesangst mit den Familien, deren Seelsorge ihm anvertraut war.

 Statt sich am Sitz der Diözese in Mannar im Nordwesten Sri Lankas in Sicherheit zu bringen, zog Nehru in der Endphase des Krieges mit seiner Gemeinde fast ein Jahr lang umher: Eine verzweifelte Flucht, denn Tausende tamilische Zivilisten waren im Kampf zwischen Regierungstruppen und den tamilischen LTTE-Rebellen zwischen die Fronten geraten. 30 Jahre kämpften die Aufständischen für einen unabhängigen Tamilen-Staat gekämpft. Vergeblich. Im Mai 2009 waren sie besiegt.

 Nehru ist selbst Tamile. Sein strahlendes Lächeln hat er nicht verloren, obwohl er sich in vielen grausigen Details an die Odyssee erinnert. "Nach einiger Zeit konnten wir am Sirren der herumfliegenden Granatsplitter erkennen, wohin sie fliegen würden, und uns rechtzeitig zu Boden werfen", sagt der Priester mit dem langen, welligen Haar. "Aber ich habe auch viele Menschen sterben sehen." Am Ende steckten die Flüchtlinge in einer tödlichen Falle. Mehr als 300.000 Männer, Frauen und Kinder campierten schutzlos ohne ausreichend Wasser und Essen auf dem schmalen Küstenstreifen des Fischerortes Mullaitivu an der Ostküste, gefangen zwischen Meer und Lagune.

 Allein in den letzten Wochen vor Kriegsende am 19. Mai 2009 sollen dort nach UN-Schätzungen bis zu 40.000 Zivilisten getötet worden sein, obwohl das Gebiet von der Armee zur Schutzzone für Zivilisten in ihrem "Krieg gegen den Terror" erklärt worden war. Der Bischof von Mannar, Rayappu Joseph, spricht sogar von mehr als 140.000 Toten und Vermissten. "Das war ein versuchter Genozid an der tamilischen Bevölkerung", sagt der 72-jährige Menschenrechtler, der viele Daten und Zeugenberichte gesammelt hat. Gleichzeitig gibt es Berichte, dass die LTTE die Flüchtlinge als menschliche Schutzschilde missbrauchte.

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 Vier Wochen vor Kriegsende wollte der Bischof alle Priester aus dem Todesstreifen abziehen. Nehru gehörte zu den wenigen, die ablehnten. Er hielt weiter Messen, bestattete Tote, kümmerte sich um verlassene Kinder und kauerte wie alle anderen stundenlang in Erdlöchern, die als «Bunker» notdürftig Schutz vor Granaten und Streubomben boten. "Die Bomben fielen wie Regentropfen vom Himmel – Tag und Nacht. Man konnte sie schon von weitem sehen, aber man konnte nicht weglaufen," erzählt ein 13-jähriger Junge, der das Inferno überlebte.

 Die Spuren des Krieges sind im sandigen Buschland und den weiten Sumpfgebieten bis heute sichtbar. Wracks von Bussen, Autos, Treckern und Mopeds rosten vor sich hin. Verkohlte Kokospalmen überragen Erdlöcher, die von zerfetzten Plastikplanen gesäumt sind. Schuhe und Kleiderreste liegen herum. "In den letzten Tagen habe ich vom Bunker aus gesehen, wie eine junge Frau von einer Granate getroffen wurde und tot umfiel", erzählt Priester Nehru mit tonloser Stimme. "Neben ihr geriet ein Fahrzeug in Brand – und sie verbrannte zur Hälfte – wir konnten nicht raus, um sie zu holen." Dann kam ein Hund.

 Es sind solche grauenvollen Erlebnisse, die Tausende Menschen in Sri Lanka mit sich herumtragen. Aus Angst vor Repressalien schweigen die meisten. Denn nach offizieller Lesart gibt es nichts aufzuarbeiten. Doch der UN-Menschenrechtsrat hat in einer Resolution vom 21. März Sri Lanka erneut aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung der Kriegsverbrechen beider Seiten einzuleiten. Falls das geschieht, könnten auch Zeitzeugen wie Nehru gehört werden. An eine Versöhnung zwischen Tamilen und der Mehrheit der Singhalesen glaubt er nicht: "Die kann es nur geben, wenn Schuld anerkannt wird, aber das ist in Sri Lanka kein Thema."

(Quelle: epd)

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