Immer mehr ältere Menschen haben das Gefühl, anderen zur Last zu fallen. Das stellt der Spiegel in einer aktuellen Titelgeschichte zum Thema Sterbehilfe fest – und warnt vor einer Aufweichung des Lebensschutzes.
Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen ist der Meinung, ältere Menschen fühlten sich mehr denn je dazu gedrängt, im Alter den Freitod zu wählen, um andere nicht zu belasten. Das hat das Institut TNS Infratest im Auftrag des Spiegel ermittelt. Das Magazin warnt im Hinblick darauf vor den Folgen einer gesetzlichen Zulassung der Sterbehilfe. "Mich treibt eine große Sorge um: Wenn es einen so einfachen Weg zur Selbsttötung gibt, entsteht Druck auf schwerstkranke Menschen, ihren Angehörigen am Ende des Lebens nicht zur Last zu fallen", zitiert der Spiegel Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery.
Die Vorstellung, Hilfe anzunehmen, gelte in der heutigen Zeit als furchtbares Zeichen von Schwäche, sagt Palliativmediziner Lukas Radbruch, und weiter: "Es fällt Menschen offensichtlich leichter, Hilfe zu leisten, als sie anzunehmen."
Der Spiegel thematisiert die Frage nach einem Dammbruch: In Belgien, wo Sterbehilfe legal ist, habe sich im vergangenen Jahr ein Mann töten lassen, weil er mit seiner Geschlechtsumwandlung nicht zufrieden gewesen sei. Eine Frau Mitte Vierzig habe Sterbehilfe in Anspruch genommen, weil sie nach einem Schlaganfall pflegebedürftig geworden sei. Und die Zahl der assistierten Tötungen nimmt zu: In Belgien ist sie von 349 Fällen in Jahr 2004 auf 1.432 im Jahr 2012 gestiegen. Das Magazin schreibt: "In welche Richtung die Entwicklung gehen kann, wenn der Lebensschutz aufgeweicht wird, zeigt das Thema Spätabtreibungen. Seit die Abtreibung behinderter Föten straffrei gestellt wurde, werden Schätzungen zufolge 90 Prozent der vorgeburtlich diagnostizierten Kinder mit Down-Syndrom nie geboren."
Unter Hausärzten sei Sterbehilfe schon jetzt weit verbreitet, sagt der Anwalt für Medizinrecht, Wolfgang Putz aus München. Geahndet würden solche Fälle so gut wie nie – und das, obwohl Ärzten ein Berufsverbot droht, wenn sie anderen beim Sterben assistieren.
Der Spiegel berichtet außerdem von einer geheimen Sitzung zum Thema Sterbehilfe im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Bert Persson, Leiter der Projektgruppe des Ministeriums, die sich mit der sozialpolitischen Dimension des letzten Lebensabschnitts beschäftigt, habe dort in der vergangenen Woche über die explodierenden Pflegekosten gesprochen, die Belastungen der jungen Generation durch den demografischen Wandel. Anschließend habe er gefordert, Senioren müsse klar gemacht werden, welche Opfer sie der Gesellschaft abverlangten. In diesem Zusammenhang referierte der Medizinethiker Caspar Strom über eine "neue Lebens- und Todesethik".
(Quelle: Christliches Medienmagazin Pro)