Viele Ethikkommissionen, viele Meinungen: Kritiker befürchten, dass die Rechtverordnung zur PID die engen Grenzen der Anwendung verwässert. Im Ministerium hat man für diese Befürchtungen kein Verständnis.
Der Widerstand gegen die Rechtsverordnung zur Anwendung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) wächst. Vertreter der Union befürchten eine Ausweitung der Fälle. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), sagte der Tageszeitung «Die Welt» (Freitagsausgabe), die Verordnung zu den Gentests an Embryonen sei «so formuliert, dass letztlich alle PIDs durchgeführt werden können, die nur verlangt werden». SPD und Grüne befürchten eine schlechte Qualität der Anwendungen, weil die Zahl der zugelassenen PID-Zentren nicht begrenzt werden soll. Die Kirchen stören sich an der Zusammensetzung der Ethikkommissionen.
Auch Hüppe kritisierte, dass in den Kommissionen vier Mediziner, aber nur ein Ethiker, ein Jurist sowie zwei Behinderten- oder Patientenvertreter vorgesehen sind. Weil es nicht nur eine Ethikkommission geben soll, äußerte Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) die Befürchtung, «dass wir künftig sehr große Unterschiede bei der Beurteilung dessen haben werden, wann eine PID zulässig ist und wann nicht». Laut Singhammer ist ebenfalls «nicht hinzunehmen, dass laut Entwurf den Ethikkommissionen keine Vertreter der Kirchen angehören sollen». Seine Parteikolleginnen Ingrid Fischbach und Maria Flachsbarth forderten die Zulassung allein einer unabhängigen und interdisziplinären Ethikkommission.
Für nur eine oder zumindest «ganz wenige» Kommissionen sprach sich auch der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Friedrich Hauschildt, aus. «Nur so wird eine einheitliche Entscheidungspraxis möglich sein», sagte er dem epd. Auch er forderte eine Beteiligung der Kirchen. Er halte es «weiter für geboten, dass die Perspektive der Seelsorge bei der Entscheidungsfindung ein ausreichendes Gewicht erhält», sagte Hauschildt. Laut Begründung der Verordnung kann der Platz des Ethikers in der Kommission durch einen Theologen besetzt werden.
Mit Blick auf die vier Plätze für Mediziner sagte der Leiter des katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, dies sei bei Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit «ein medizinisches Vetorecht». Er verlangte, dass zumindest die Fachrichtungen spezifiziert werden, damit nicht nur Reproduktionsmediziner in den Gremien sitzen.
Auf Ablehnung stößt bei den Kritikern auch, dass die Zahl der zugelassenen PID-Zentren nicht begrenzt werden soll. Wenn es tatsächlich nur wenige PID-Fälle gebe, «wären jene vielen Zentren überhaupt nicht ausgelastet und könnten mangels praktischer Erfahrungen nicht die erforderliche Qualität gewährleisten», sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt Bender, der «Welt».
Ähnliche Befürchtungen gibt es auch in der SPD-Fraktion. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und die Vize-Fraktionsvorsitzende Elker Ferner forderten, dass Zentren eine Mindestanzahl an Untersuchungen vorweisen müssten.
Im Bundesgesundheitsministerium werden diese Sorgen nicht geteilt. «Wir sehen die Gefahr nicht», sagte Sprecher Christian Albrecht. Es sei überhaupt nicht gesagt, dass die Anzahl der Zentren darüber bestimmt, wieviele Anwendungen der PID es geben werde.
Bei der Präimplantationsdiagnostik werden künstlich erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht. Im Juli 2011 hatte der Bundestag die Gentests in Ausnahmefällen gestattet. Die Verordnung, die die Rahmenbedingungen für die Anwendung absteckt, wurde nach Angaben des Ministeriums an Länder, Verbände und Ministerien versandt, die bis zum 20. August Stellung nehmen sollen. Wenn Kabinett und Bundesrat im Herbst zustimmen, soll die Verordnung Anfang 2013 in Kraft treten.
(Quelle: epd)