Eine aktuelle Studie der EKD hat die Followerschaft christlicher Influencer untersucht. Das Ergebnis: Sie haben auch missionarisches Potenzial.
Christliche Influencerinnen und Influencer haben missionarisches Potenzial. Etwa 12 Prozent ihrer Follower sind weder Kirchenmitglieder, noch haben sie Kontakt zu einer Kirchengemeinde oder würden sich als religiös bzw. spirituell einstufen. Dies geht aus einer Pilotstudie der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) hervor. „Alles über 10 Prozent ist ein Träumchen, was missionarisches Potenzial angeht“, sagt Daniel Hörsch, Leiter der Studie.
Weiteres Potenzial steckt laut midi in der digitalen Mitgliederbindung sowie in der Kontaktpflege zu Mitgliedern, die nicht Teil einer Ortsgemeinde sind. „Social-Media-Plattformen sind wertvolle Orte für die Zukunft unserer Kirche“, sagt Hörsch. 85 Prozent der befragten Followerschaft sind Mitglieder einer Kirche. Jede oder jeder Fünfte ist zwar Mitglied einer Kirche, hat aber keinen Kontakt mehr zu einer Kirchengemeinde.
Influencer erreichen Zielgruppe, die in Gottesdiensten fehlt
„Online erreichen wir die Zielgruppe, die wir in Präsenz in den Kirchen so schmerzlich vermissen“, meint Hörsch. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Followerinnen und Follower gehörten der Generation Z (20 bis 29-Jährige; 28 Prozent) und der Generation Y (30 bis 39-Jährige; 30 Prozent) an. „Beachtlich“ sei auch der Anteil der 40- bis über 70-Jährigen mit 38 Prozent.
Josephine Teske, Influencerin, Pfarrerin und Mitglied im Rat der EKD, glaubt nicht, dass digitale Kirche die analoge ersetzen wird. Jedoch sei Social Media in Zukunft eine „unerlässliche“ Brücke für das neue oder erneute Herantasten von Menschen an Kirche. „Dort finden sie, was in Ortsgemeinden vermisst wird“, sagt Teske.
Auf Social Media werde die evangelische Pluralität sichtbar, meint Maike Schöfer vom Instagram-Kanal ja.und.amen. „Wir brechen mit verkrusteten Traditionen. Machen Kirche nahbar. Erproben neue Formen von Gemeinde und Glauben“, sagt Schöfer. Aber trotzdem verstehe sie sich nicht als „extra Kirche“, sondern als ein Teil von Kirche.
Authentizität und Förderung der Spiritualität ist Followern wichtig
Bei der Frage nach dem Mehrwert der Inhalte für den eigenen Alltag sticht heraus: Die
Authentizität der Influencerinnen und Influencer im Glauben ist für Dreiviertel der Befragten wichtig. „Es gelingt den Influencerinnen und Influencern offensichtlich“, sagt Hörsch, „auf authentische Weise Glauben, Spiritualität und Religion so zur Sprache zu bringen, dass dies Resonanz findet.“
Für Zweidrittel der Followerschaft sind laut der Studie die Inhalte für die eigene Spiritualität relevant. Sie erwarten spirituell-religiös, intellektuell und alltagsorientiert zugerüstet zu werden. Die Inhalte müssen dabei interessant, aktuell und innovativ sein.
Das Rückgrat der Kirche ist laut Hörsch weiblich – auch in der digitalen Welt. Das zeige der „überraschend“ hohe Frauenanteil von 85 Prozent in der Followerschaft christlicher Influencerinnen und Influencer.
Die Pilotstudie wurde im Juli 2022 durchgeführt. Insgesamt wertete midi 2828 Antworten aus. Befragt wurde die Followerschaft von 13 christlichen Influencerinnen und Influencern auf Instagram: ja.und.amen, theresaliebt, pastor.engel, Wasistdermensch, Einschpunk, Wynschkind, Pfarrerausplastik, koerper.poesie, Sara3klang, pynk_pastor, Riegeros, pastor_vanniekaap und Faithpwr. Zusammen haben diese Influencerinnen und Influencer etwa 109.000 Followerinnen und Follower.
Der Berg muss zum Propheten gehen
Meine Begeisterung für die mediale Netzwelt ist, was ihre Christlichkeit und Kirchlichkeit betrifft, leider auch etwas zwiespältig. Es ist einerseits durchaus atemberaubend, wie viele Menschen man mit modernen Medien überhaupt erreichen kann. Denn die Pandemie hat gezeigt – und zeigt es noch immer – wie notwendig auch die neuen Formate von Gottesdienst und Verkündigung sind, wo man sich auch mit seiner Stimme und seinem Gebet zum Beispiel einbringen kann und darf. Das Gute hieran ist: Niemand muss ohne die gute Nachricht von Gottes Liebe alleine leben.
Nur wenn ich in meiner Neuheimat die landeskirchlich evangelische Situation in meiner Stadtgemeinde ansehe, dann sitzen da sonntags meist zwischen 10 und 20 Seelen, manchmal auch weniger, vor dem Altar in die Kirchenstühlen. Die hier zumeist älteren Menschen würden sagen, wenn man sie entsprechend befragen würde, dass sie die letzte Generation Kirchgänger sind. Ich glaube dass wir neben den neuen sozialen Medien, den Netz- und Fernsehgottesdiensten und ähnliches, auch eine andere ergänzende Form von Kirche und Frömmigkeit benötigen. Eine die unsere fast völlige Komm-Struktur auch durch eine Geh-Hin-Struktur ablöst. Gottesdienste können auch in anderer Form, an unklerikalen Örtlichkeiten, sogar in Schwimmbädern, Campingplätzen oder Wohnzimmern stattfinden. So wie man mehrere oder viele Taufen an Seen und Flüssen, verbunden mit einem fröhlichen Gemeindefest, öffentlich durchführen kann. Als Christinnen und Christen müssen wir oft wieder neu lernen an die Hecken und Zäune der Welt zu gehen und notfalls – wenigstens auf Zeit – mit den Armen der Welt, und dies sind nicht nur die materiell armen Menschen – ein Stück Leben zu teilen. Damit können wir alle auch wieder mehr jesusgemäß werden. Der Glaube muss vor allem gelebt werden wo sich die meisten Menschen normalerweise aufhalten und leben. Denn (nicht nur) notfalls muss der Berg zum Propheten gehen. Die meist sehr schönen Fernsehgottesdienste im Netz oder analog sind eine wunderbare Ergänzung, aber christlich ist auch sich umarmen zu dürfen und die Lasten gemeinsam tragen zu müssen. Dies geht aber im realen Leben nur in Tuchfüllung, wenigstens im Regelfall. Ein Fernabendmahl ist auch im Notfall zu wenig. Dann sollte man den Menschen schon zuhause aufsuchen, denn auch eine christliche Gemeinde besteht aus Menschen die Füße haben und sich daher auf den Weg machen können.