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Thomas Härry: „Wer leiten will, muss zuhören können“

Warum ist es so schwierig, gut zu leiten? Thomas Härry benennt auf dem Willow-Kongress in Leipzig zwei typische Fallen und gibt Tipps zur „Seelenpflege“.

Von Daniel Wildraut

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Leiten ist eine anspruchsvolle Aufgabe, betont der Schweizer Theologe und Autor Thomas Härry in seinem Impuls auf dem Willow-Leitungskongress. Warum? „Es gibt kein Schema F. Die menschliche Seele ist kein triviales System, das wie eine Maschine immer gleich funktioniert.“, erklärt Harry. „Den Bohrer schalte ich ein, und er läuft. Meistens.“ Menschen dagegen hätten Bedürfnisse und Sehnsüchte. „Heute kommen sie fröhlich zur Arbeit, morgen vielleicht traurig.“ Organisationen und Gemeinden bestehen aus lebendigen Menschen und seien deshalb niemals triviale Systeme. Das Problem: „Viele Leitungskonzepte entpuppen sich beim näheren Hinsehen als der Versuch, das nicht triviale System Mensch etwas trivialer zu machen – berechenbarer und konstanter.“ Aber dies sei eine Illusion.

Was macht gute Leitung aus? Härry nennt zwei Wesenskerne: „Erstens: Die Seele des Leitens ist das Leiten von Seelen.“ Dabei gebe es einen schmaler Grat zwischen richtungsgebender, guter Führung („Die ist wichtig und notwendig!“) und einem Leitungsprinzip, bei dem die Menschen nur Erfüllungsgehilfen der eigenen Leitungsphantasien seien. Menschen bräuchten Leitende, die ihnen helfen, die „Versorgungskraft des Evangeliums“ zu erfahren. „Seelen versorgen, das ist Gottes Kerngeschäft“, sagt Härry. „Leiten heißt, es ihm gleichzutun.“ Dabei dürften wir vom „Leiter aller Leiter“ lernen: Jesus.

„Wer gut leiten will, der muss zuhören“

Wie kann das aussehen? „Mitarbeitende fördern, schulen, ihre Bedürfnisse sehen.“ Wichtig sei mindestens ein Jahresgespräch zur Standortbestimmung. „Und da sollten nicht wir Leitungspersonen reden. Wer gut leiten will, der muss zuhören.“ Die Prioritäten müssten klar sein: „Verbringe mehr Zeit mit Menschen als mit Strategien“, so Härry. „Und mach es wie Gott: gib, bevor du etwas forderst.“ Leitende sollen in der Nachfolge Christi die Schafe weiden – und sich nicht an den Schafen weiden.

Die zweite Seele des Leitens bestehe laut Härry im „Leiten der eigenen Seele.“ „Ich muss verstehen, was meine eigene Seele gefährdet“, betont der Schweizer und nennt zwei Gefährdungen.

Nummer eins sei die Erfolgsfalle. „Erfolg ist gut“, sagt Härry, fügt aber hinzu: „Aber er ernährt meine Seele nicht. Die Wirkung verpufft – und schon am nächsten Tag brauche ich den nächsten Kick.“ Die zweite Gefahr bezeichnet der Schweizer als Lähmungsfalle. „Dieser Fall kann dann eintreten, wenn Erfolge ausbleiben und die Mutlosigkeit uns nach unten zieht.“ Dann stellten sich Fragen wie: „Habe ich versagt? Meint Gott es gut mit mir? Bin ich noch geeignet für den Job?“

„Lass deine eigene Seele nicht im Stich“

In solch einer Situation sei es wichtig, sich rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen. Viele warteten zu lang, weil sie sich schämten, so Härry. „Sie denken, es geht vorüber. Geht es aber oft nicht. Du bist begrenzt, du bist bedürftig. Lass deine Seele nicht im Stich.“ Wichtig sei ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen. Und, so es klingt banal, ausreichend Schlaf und Urlaub. Am wichtigsten sei jedoch die persönliche Nachfolge. „Die Nachfolge stillt die Seele,“ unterstreicht Härry, „nicht das Leiten“. Das Leiter-Sein dürfe nicht zur Kern-Identität werden. „Meine wichtigste Ressource ist meine versorgte und gesättigte Seele“, schließt Härry seinen Vortrag – und fügt sichtlich gerührt hinzu: „Bei Jesus, zu seinen Füßen, da da darf ich einfach nur Thomas sein. Und meine Seele wird versorgt.“

Link: Hier findest du die Webseite des Leitungskongresses.

Katja Zimmermann singt beim Leitungskongress in leipzig
Katja Zimmermann beim Leitungskongress in Leipzig (Foto: Daniel Wildraut)

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