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USA: Schwere Missbrauchsvorwürfe gegen US-Baptisten

Ein Untersuchungsbericht enthält schwere Missbrauchs- und Vertuschungvorwürfe gegen Vertreter des Südlichen Baptistenverbandes, der größten protestantischen Kirche in den USA. Eine kircheninterne Liste soll die Namen von 703 des Missbrauchs beschuldigter Pastoren aufführen.

Der Bericht war im vergangenen Jahr von der Jahresversammlung des Southern Baptist Convention (SBC) in Auftrag gegeben worden. Der 288-seitigen Untersuchung zufolge haben führende SBC-Pastoren Missbrauchsopfer jahrelang ignoriert, eingeschüchtert und diffamiert.

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Der Bericht wurde von Guidepost Solutions erstellt, einer US-amerikanischen Ermittlungsfirma. Die SBC-Führung sei mehr am Schutz der Kirche interessiert gewesen als am Aufdecken von Missbrauch, heißt es.

Vorwürfe gegen Ex-SBC-Präsidenten

Der Bericht nennt einige Verantwortliche beim Namen. Er zitierte eine E-Mail des früheren SBC-Präsidenten Ronnie Floyd, in der dieser Besorgnis über Fälle sexualisierter Gewalt äußert, doch hinzufügt, dass „unsere Priorität nicht die aktuellste Kulturkrise sein kann“.

Ex-SBC-Präsident Johnny Hunt habe 2010 die Ehefrau eines befreundeten Pastors gegen deren Willen ausgezogen und sexuell genötigt. Der Beschuldigte habe das bestritten, sei jedoch nach Ansicht der Ermittler bei der Befragung nicht glaubwürdig gewesen.

Beschuldigter bestreitet Vorwürfe

Der Missionsrat der Südlichen Baptisten für Nordamerika, der „North American Mission Board“, teilte am Sonntag mit, Hunt sei wenige Tage vor der Veröffentlichung des Berichtes von einem leitenden Posten im Gremium zurückgetreten. Hunt erklärte auf Twitter, er bestreite entschieden die im Bericht beschriebenen „Umstände und Charakterisierungen“.

Guidepost Solutions empfahl dem Verband, eine Online-Datenbank mit Namen von Tätern anzulegen, Missbrauchsopfer zu entschädigen und eine neue Anlaufstelle zu schaffen für Missbrauchsvorwürfe. SBC-Präsident Ed Litton sagte dem kirchlichen Informationsdienst Baptist Press, er sei zutiefst erschüttert von den Enthüllungen. Massive Vorwürfe gegen den Südlichen Baptistenverband sind spätestens seit Berichten in den Zeitungen „Houston Chronicle“ und „San Antonio Express-News“ Anfang 2019 bekannt.

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Der Bericht war im Auftrag der SBC-Jahresversammlung von 2021 erstellt worden. Mitte Juni treffen sich Delegierte des Baptistenverbandes in Anaheim (Kalifornien) zur Jahreskonferenz. Zur Debatte stehen Empfehlungen im Missbrauchsbericht, darunter Entschädigungen für Betroffene.

Die Südlichen Baptisten gelten in den USA als Teil der politisch und theologisch konservativen weißen evangelikalen Bewegung. Frauen dürfen im Verband nicht Pastoren werden. Der Verband wurde 1845 durch die Abtrennung von anderen Baptisten gegründet, die die Sklaverei ablehnten.

Link: Hier findest du den vollständigen Untersuchungsbericht der US-amerikanischen Ermittlungsfirma Guidepost Solutions.

Quelleepd

3 Kommentare

  1. Kein Widerspruch zu meinem Kommentar

    Hallo Joerg, leider haben die Zeugen Jehovas auch die fast schon unmenschliche Tradition, selbst ihre ausgetretenen erwachsenen Kinder zu verstoßen. Das ist zwar kein Missbrauch, aber nicht unwesentlich bösartig. Dabei sind das oft freundliche Nachbarn. Aber dies ist auch ein Beispiel für institutionelle Blindheit. Allerdings ansonsten sehe ich in deinem Kommentar keinen Widerspruch zu dem was ich schreibe, sondern eher eine inhaltlich notwendige Ergänzung. Mir ging es vor allem darum, das kirchliche Problem mit dem Missbrauch grundsätzlich anzugehen. Wenn man dies will, auch gesamtgesellschaftlich, dann geht eigentlich kein Weg daran vorbei, sich mit der eigenen Sexualität zu beschäftigen. Der mögliche Einwand, dass hier diesbezüglich die Gesunden keinen Arzt und/oder Richter brauchen, ließe sich hier schwerlich machen. Denn hier soll ja auch die Institution Kirche sich mit ihrer Sichtweise der Sexualität befassen, wenn in der Verharmlosung oder der Vertuschung von Unsäglichem ihr Grundproblem liegt. Das Problem des Missbrauches ist ein kirchliches und ein gesamtgesellschaftliches – und es dient mir nicht als Versuch einer Verharmlosung kirchlichen Versagens. Denn dies muss auch erlaubt sein zu sagen und zu schreiben. Ich glaube ja andererseits auch, dass bewusste Nichtchristen keine schlechten Menschen sein müssen und Christen nicht immer gute sind. Als Kain seinen Bruder Abel erschlug, gab es noch keine Kirche, aber die Gewalt formuliert in der Bibel schon in der Schöpfungsgeschichte (auch) zu einem (gesellschaftlichen) Problem. Wir alle sind prädestiniert Kain oder Abel zu sein, aber auch der Neue Mensch in Christus. Ich denke, man muss hier alles zusammendenken. Die Schwierigkeiten für die Kirche bestehen allerdings darin, dass sexueller Missbrauch, also Gewalt, auch eine theologisch-geistliche Kröte ist, die unsere Mutter Kirche nicht so einfach ausspucken kann und dann war es das.

  2. Es gibt nur eine wirklich sinnvolle Problembehandlung

    Sexueller Missbrauch benötigt grundsätzlich eine durchgängige Bereitschaft von Kirchen, Gemeinschaften und der gesamten Gesellschaft, genau hinzusehen, Regeln zu finden sowie strikt einzuhalten und neben der juristischen Verfolgung vor allem eine große Bereitschaft, alles zur Aufdeckung und Aufklärung beizutragen. Dies ist aber noch keine wirkliche und gründliche Behandlung. Ich will die Fragestellung nun bewusst fokussieren auf unser weltweites Christentum mit seinen Kirchen und Gemeinschaften. Offensichtlich ist doch Sexualität eine das ganze Leben der Menschen nicht unerheblich ausfüllende Lebensäußerung. Man müsste hier Sexualität einordnen unter Kommunikation. Selbst der Urmensch wird nicht die Keule als prioriesierte Form von Kommunikation eingesetzt haben, indem er seinem Mitmenschen auf den Schädel geschlagen hat. Kommunikation mit Worten und Argumenten wird auch niemand notfalls mit dem Einsatz eines Messers abschließen dürfen. Wenn Sexualität zur Kommunikation gehört, dann ist sie eine Lebensäußerung auch mit den Sinnen wie essen, trinken, schlafen, träumen und fühlen. Für Christinnen und Christen sowie für alle Menschen gilt es, die mehr als 2000 Jahre alten Goldenen Regel vor Augen zu haben, dem anderen so zu begegnen wie man dies von ihm auch wünscht. Also – christlich gesprochen: Mit Einfühlungsvermögen, Achtsamkeit, Freundlichkeit und genauso auch mit Sachlichkeit und Toleranz. Jede und jeder hat Anspruch auf eine von ihm gewünschte (abgewogene Form) von Nähe und Distanz. Bereits in der Bibel steht sinngemäß, dass die Liebe dem Nächsten nichts böses antut. Der Bibeltext in 1. Korinther 13 ist eine genaue Punktlandung in Sachen „Begegnung mit Mitmenschen in allen Lebenssituationen“. Wenn aber Sexualität zur Gewalt wird, dann ist dies meist viel katastrophaler als wenn Sport in Gewalt ausartet. Die heutigen Missbrauchsvorwürfe und -skandale nicht nur unter Christen, sondern in weiten Teilen der Gesellschaft, deuten darauf hin, dass die menschliche Sexualität – insbesondere weil sie einen sehr wichtigen Stellenwert einnimmt – leider häufig entartet. Es gibt daher nur eine sinnvolle Problembehandlung, hier – analog einer Zahnbehandlung – eine tiefliegende Wurzelbehandlung durchzuführen. Will sagen: Wir müssen insbesondere als Christen, nicht nur wenn wir Katholiken oder Baptisten sind, eine völlig neue (menschliche) Perspektive auf die Sexualität finden, uns mit anderen, und daher auch mit uns selbst, in einem breit ausgelegten Diskurs auseinandersetzen. Dabei muss über alles geredet werden, auch wenn es wehtut und gewissermaßen gegen die gesellschaftliche Intimität verstößt. Bei den katholischen Geschwistern muss die Frage geklärt werden, warum Frauen keine wichtigen Ämter haben sollen und nicht Priesterinnen werden dürfen. Ähnlich auch die Frage, ob das Zwangszölibat sinnvoll oder eher problemerzeugend erscheint. Moralische und ethische Fragen müssten auch unter der schwierigen Fragestellung besprochen werden. Etwa was Jesus wohl heute dazu sagen würde. Ich sage hier auch angreifbar und ganz hart, dass Homosexuelle und Lesbische als Sünder*innen zu bezeichnen, weder das Gebot der Nächstenliebe berücksichtigt, sowie nicht die eindeutig wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisse einer Nicht-Erkrankung respektiert. Es werden Menschen ausgeschlossen, auch stillschweigend, die Jesus gerne als seine Nachfolger*innen dabei hätte. Hier muss sich Kirche mit Fundamentalem befassen und zugleich auszuloten, was menschenmöglich ist und unter Auslegung biblischer Literatur akzeptabel erscheint. Dabei müssen die Kirchen- und Gemeinschaftsleitungen die Gläubigen mit einbeziehen und ihnen gegenüber auch die Ergebnisse solcher Beratungen und Entscheidungen erklären. Soweit Demokratie in kirchlichen Institutionen, etwa in Synoden und dergleichen stattfindet, müssen hier formale Entscheidungen fallen. Christinnen und Christen sind keine dummen Schafe, sondern in der Regel erwachsene Menschen. Ich glaube allerdings, das wir bei all diesen Bemühungen frömmer und christuszentrierter werden sollten: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann arbeiten die Bauleute vergebens.

    • Für mich liegt das Hauptproblem hier an anderer Stelle. Deine Vorstellungen sind natürlich richtig, da Missbrauch nie hinzunehmen ist.

      Aber es ist mehr als auffällig, wie flächendeckend Missbrauch (und nicht nur das, ich denke da auch an die vielen entdeckten Kinderleichen) bei christlichen Kirchen weltweit auftritt. Wobei das Auftreten ja kein neues Phänomen ist, neu ist, dass es aufgedeckt und gesellschaftlich thematisiert und angeprangert wird. Das ist zunächst einmal sehr positiv.

      Missbrauch ist ein gesellschaftliches Problem. Ein Argument, das stimmt, aber auch gern immer wieder zur Entschuldigung dienen muss. Es ist doch bei Kirchen nicht anders als anderswo.

      Doch, es ist anders.

      Denn sowohl bei der r.-katholischen Kirche, bei der EKD wie auch hier bei den Baptisten gab (und gibt wohl auch noch) es ein institutionelles Versagen, ja gar eine institutionelle Unterstützung des Missbrauchs (wenn Priester z.B. wieder so versetzt wurden, dass sie erneut Missbrauch begehen konnten) und der Vertuschung. Verbunden mit der religiösen Besonderheit, dass Kirche auch seelisch einen hohen Druck auf Opfer ausüben kann. Man gibt diesen das Gefühl, dass sie mit ihrer berechtigten Anklage Gott selbst angreifen. Das kann kein Sportverein, keine Schule.

      Auch ist die Verbindung mit staatlichen Institutionen viel stärker. Anders ist es kaum erklärbar, dass diese so lange weggeschaut haben und immer noch Beißhemmungen haben.

      Christliche Kirchen sind Machtgeflechte. Im Kleinen wie im Großen. In allen christlichen Institutionen wurde von der Führung bis runter zu den Tätern die Institution selbst viel wichtiger gestellt als die Opfer und auch die christliche Botschaft. Es geht um Macht über andere Menschen.

      Kann man sich irgendeine andere nichtkirchliche Organisation vorstellen, der man weiterhin massenweise Kinder anvertraut, die diese bisher strukturell und institutionell missbraucht hat in einem riesigen Umfang und sich der Aufklärung über Jahrzehnte verweigert hat? Würde man irgendeine andere Organisation weiterhin steuerlich begünstigen und weiterhin große gesellschaftliche Mitsprache bei gesellschaftlichen Themen auch der Sexualität einräumen? Würde man ihnen gar selbst die Aufklärung ihrer eigenen Verbrechen überlassen? Nein, würde man nicht.

      Wir müssen zu einer anderen Sichtweise der Kirchen kommen. Wir müssen nicht mehr deren Werbung und Selbstbildnis glauben sondern sie endlich so nehmen wie sie sind. Und das bedeutet ‚Schluss mit allen Sonderrechten‘. Im Gegenteil, der Staat muss hier viel mehr kontrollieren.

      In Deutschland z.B. sind wir bei den kleinen christlichen Gruppierungen ja noch gar nicht angelangt, vielleicht auch, weil die beiden Großen so versagen. Kaum wahrscheinlich, dass es bei den kleineren Gruppierungen, die ja auch oft sehr fundamentalistisch und leitungsorientiert organisiert sind, es derartige Verbrechen nicht gibt. Die Strukturen sind die gleichen wie bei der RKK oder hier bei den US-Baptisten.

      Oder nehmen wir die Zeugen Jehovas: Es gibt reichlich Hinweise, dass es dort ähnliches geben könnte. Von staatlicher Aufklärung höre ich nichts. Man lässt die Opfer wohl auch hier im Stich.

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