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Pfarrer Klaus Douglass: „Die Bibel ist kein Rezeptbuch“

Er schätzt und integriert verschiedene Frömmigkeitsformen: Pfarrer Klaus Douglass wurde durch seine „GoSpecial“-Gottesdienste deutschlandweit bekannt. Im Interview spricht er über persönliches Scheitern, sein Bibelverständnis, die Naturgesetze und Gottes Handeln.

Pfarrer Dr. Klaus Douglass (56) studierte Theologie und Philosophie. Von 1989 bis 2009 war er Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Niederhöchstadt bei Frankfurt/Main. Mit dem Gottesdienst „GoSpecial“ wurde er deutschlandweit bekannt. Seit 2010 arbeitet er als theologischer Referent im Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Frankfurt am Main. Er arbeitet dort für die Stiftung „Gemeinde im Aufbruch“

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Klaus Douglass, was heißt für Sie liberal, charismatisch, evangelikal?

Douglass: Statt von „evangelikal“ rede ich lieber von „pietistisch“. Es betont die persönliche Jesusbeziehung. Da geht es um eine Glaubensbeziehung zu Jesus, nicht im Sinn von „für wahr halten“, nicht im Sinne eines Regelsystems, sondern im Sinn einer Vertrauensbeziehung. Das heißt, der Glauben ist eine personale Kategorie. Das hat Luther meiner Meinung nach sehr schön wiederentdeckt und in den Vordergrund gestellt und der Pietismus hat es – wenn auch mit einigen Verzerrungen, Verengungen und Vereinseitigungen – aufgenommen.

Und die wären?

Da ist zum Beispiel die Frage des Schriftverständnisses. Das pietistische Bibelverständnis hat oft dazu geführt, dass man die Bibel eins zu eins übertragen hat. Im Extremfall muss man dann glauben, dass nie eine Evolution stattgefunden hat oder dass die Erde 6.000 Jahre alt ist. Und wenn dann da steht: „Der Hase ist ein Wiederkäuer“, dann muss man das irgendwie aus Gottes Mund nehmen, ebenso wie beispielsweise die Rachepsalmen. Man kommt wirklich in große Schwierigkeiten, wenn man die Bibel wörtlich versteht, statt sie beim Wort zu nehmen.

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„Der Akt der „Inspiration“ umfasst nicht nur das Schreiben, sondern auch das Lesen der Bibel.“

Redet Gott noch durch die Bibel?

Sehr wohl, aber nicht im Sinn einer Verbalinspiration, sondern indem er beim Lesen der Bibel Menschen anpackt, berührt und anspricht. Der Akt der „Inspiration“ umfasst nicht nur das Schreiben, sondern auch das Lesen der Bibel.

Was können wir von dem liberalen Element lernen?

Zum Beispiel, dass sich Christsein nicht in einem moralistischen Selbstverständnis erschöpft. „Liberal“ heißt seinem Wortsinn nach „großzügig“. Ich glaube an einen großzügigen Gott, darum muss meine Theologie immer auch liberal sein. Die Liberalität kann den Fächer aufmachen für eine Großzügigkeit, für Buntheit, für die Weite des Glaubens. In diesem Raum ist Platz für gemeinsames Ringen, ohne gleich zu sagen: „Ein Christ muss so und so denken. Ein Christ muss gegen dieses oder jenes sein.“ Auch die liberale Seite nimmt die Bibel ernst, allerdings mehr als göttlichen Impuls statt einfach als Rezeptbuch.

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Diese Weite führt dann dazu…

…dass die Gesetzmäßigkeiten der Schöpfung und des menschlichen Lebens und Zusammenlebens wieder stärker in den Glauben integriert werden. Dazu gehört die Freude an der Schöpfung sowie eine gewisse Offenheit für neue Entdeckungen, zum Beispiel im Bereich der Hirnforschung, der Psychologie oder der Sozialwissenschaften. Da erlebe ich bei vielen „Frommen“ eine große Zurückhaltung, um nicht zu sagen: Angst.

Der Pluspunkt des charismatischen Elements besteht dann worin?

In der Überzeugung, dass Gott auch heute noch handelnd in diese Welt eingreift. Von dieser Sichtweise haben sich leider weite Teile unserer landeskirchlichen Frömmigkeit verabschiedet. Das charismatische Element erinnert uns: Gott greift ins Hier und Heute ein. Es gibt Gebetserhörungen, es gibt Führung, es gibt Leitung durch den Heiligen Geist, es gibt Begleitung, es gibt Tröstungen sozusagen „direkt von oben“.

„Gott hat die Lebens- und Naturgesetze ja nicht geschaffen, um sie anschließend pausenlos zu durchbrechen.“

Also Gott contra Naturgesetze?

Nein! Ich glaube, dass 99,9 Prozent der Dinge in völlig natürlichen Gesetzmäßigkeiten ablaufen. Gott hat die Lebens- und Naturgesetze ja nicht geschaffen, um sie anschließend pausenlos zu durchbrechen. Und doch passiert es immer wieder mal, dass Gott sich auch als Gott zeigt und, dass Gott als Gott eingreift – das heißt als ein Wesen, das größer ist als wir und unsere Welt. In der Bibel wird das dokumentiert durch ein Reden und ein Handeln Gottes, das nicht aus dieser Welt heraus zu erklären ist. Etwa durch Wunder, nicht zuletzt durch das Wunder überhaupt: die Auferstehung. Die charismatische Theologie verortet dieses „Reden und Handeln Gottes hier und jetzt“ in der Lehre vom Heiligen Geist und ermutigt uns, uns für das Wirken dieses Heiligen Geistes zu öffnen. Dies schafft noch mal ganz neue Spielräume an Kraft, an Spiritualität, an Freude, an Fantasie, von daher finde ich das charismatische Element als das Dritte auch als sehr bereichernd und befruchtend. Kirche bleibt blutleer, wenn sie dieses Element und damit den Heiligen Geist ausgeklammert.

Inwiefern hat Ihre Scheidung vor zwölf Jahren Ihr Predigen, die Nachfolge, die Einstellung zum Dienst verändert? 

Ich bin barmherziger geworden. Ob dies nur mit dem Scheitern meiner ersten Ehe, dem Älterwerden oder meinem in den letzten Jahren dazugekommenen gesamtkirchlichen Blick zu tun hat, weiß ich nicht. Es ist vermutlich eine Mischung. Das Scheitern ist jedenfalls eine ganz wesentliche Erfahrung meines Lebens. An diesem Tiefpunkt musste ich meine Berufung neu durchbuchstabieren. Ich habe mich gefragt, ob ich weiter Pfarrer sein kann, darf, will? Bin ich noch authentisch? Neh- men mir die Leute überhaupt noch einen Bissen Brot ab? Darf ich noch von Gott (her) reden? Habe ich noch ein Wort für die Leute?

Das war sicher eine schmerzhafte Wegstrecke.

Ja! Der Prozess hat mich durch eine zwei Jahre andauernde Talsohle geführt, bis es dann ganz langsam wieder aufwärtsging. Ich bin meiner Gemeinde sehr dankbar. Die hat mit großer Geduld einen ziemlich wund geschossenen Pastor mitgetragen.

Wie haben Sie zu einer neuen Berufung gefunden?

Letztlich durch das Wort eines Kollegen und väterlichen Freundes. Der hat mich, obwohl wir jahrelang keinen Kontakt hatten, eines Tages angerufen und mir sozusagen aus dem Blauen heraus das Bibelwort aus Römer 11,29 zugesprochen: „Gottes Gaben und Berufungen können ihn nicht gereuen.“
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Das komplette Interview mit Klaus Douglass können Sie in Ausgabe 1/2015 der Zeitschrift „3E“ lesen. 3E steht für „echt, evangelisch, engagiert“ und ist ein Ermutigungs- und Ideenmagazin für Menschen, die ihre Heimat in der Evangelischen Kirche haben und sich dort einbringen. 3E erscheint viermal pro Jahr und wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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