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Gewagtes Experiment: Einladung zum eBay Gottesdienst

Normalerweise erleben Kirchenbesucher geplante Gottesdienste. Eine Gemeinde in Lohbrügge hat den Spieß umgedreht: Die Besucher bestimmten den Gottesdienstablauf.

Von Jonas Goebel

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Die Idee: das Predigtthema bei eBay versteigern und den Ablauf von allen Besuchern bestimmen lassen. Das Fazit: ein sehr gut besuchter Gottesdienst und die Erfahrung, dass sich Mitbestimmung für alle lohnt.

Sonntagmorgen, halb zehn in Deutschland – ich bin ziemlich aufgeregt. Wir haben vorsorglich ein paar mehr Stühle gestellt, es stehen etliche Stellwände im hinteren Bereich der Kirche, ein Filmteam und ein paar Journalisten sind schon da. Unser Küster hält Gottesdienstzettel und Klebepunkte parat und heute sind zwei statt einem Kirchenmusiker dabei. In einer halben Stunde feiern wir ein Gottesdienst-Experiment! Wir wissen noch nicht genau, wie dieser Gottesdienst ablaufen wird. Denn: Alle Besuchenden erhalten am Eingang zehn Klebepunkte, mit denen sie über den folgenden Ablauf abstimmen dürfen: Glaubensbekenntnis: ja oder nein? Gesprochen oder gesungen? Psalm im Wechsel oder nur der Pastor? Welche Instrumente sollen begleiten: Orgel, Flügel oder Gitarre?

Überraschende Ergebnisse

Es kommen rund 120 Leute (sonst kommen durchschnittlich 50 Personen zum Gottesdienst) und kleben eifrig ihre Punkte. Manche Abstimmungen sind eindeutig, andere haarscharf und einige Ergebnisse sehr überraschend. Als Instrumente gewinnen Orgel und Flügel, die Gitarre wurde kaum gewählt. Glaubensbekenntnis und Vaterunser wollen die meisten mitsprechen. Eine Lesung scheint völlig zu reichen. Bei den Liedern gibt es eine bunte Mischung von Liedern aus dem Evangelischen Gesangbuch bis Lobpreis.

Am Ende feiern wir keinen außergewöhnlichen Gottesdienst. Aber wir feiern einen Gottesdienst, bei dem wir versucht haben, die Beteiligung hochzuschrauben. Ein Gottesdienst, der viele überrascht und angesprochen hat. Natürlich: Das war für uns in der Vorbereitung mehr Arbeit. Die Kirchenmusiker mussten sich auf mehr Lieder vorbereiten, denn niemand wusste vorher, auf welchem Instrument welches Lied begleitet werden sollte. Natürlich ist es auch für mich entspannter, wenn ich nicht erst um 10:03 Uhr weiß, was wir jetzt genau im Gottesdienst machen werden. Und dennoch kann ich sagen, dass sich die Mehrarbeit für uns gelohnt hat. Es war für alle Beteiligten ein besonderes Erlebnis.

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Experimentierfreude lohnt sich

Besonders war nicht nur die Art, wie der Gottesdienst zustande gekommen ist, sondern auch vorweg die Planung des Predigtthemas. Denn wir haben es bei eBay versteigert. Wer am meisten Geld geboten hat, der durfte mir das Thema vorschreiben. Das fanden manche schwierig und man kann mit Sicherheit (auch gut begründet) darüber streiten, ob das theologisch einwandfrei ist. Mein Eindruck ist aber: Darüber haben sich vor allem Theologen Gedanken gemacht. Alle anderen fanden es witzig, interessant und (die Medien) sehr berichtenswert.

Der Höchstbietende hat am Ende rund 200 Euro gezahlt (und dann auf 250 Euro in der Überweisung aufgerundet) und sich das Thema „Mit einer 4- kommt man auch in den Himmel“ gewünscht. Kurioserweise ein Katholik aus dem Schwarzwald, der die Idee einfach gut fand. Die Einnahmen der eBay-Auktion gingen direkt in die Kollekte des Sonntags. Der erste eBay-Gottesdienst fand im September 2019 statt – der zweite im Januar 2021.

Wir feiern zwar jetzt nicht regelmäßig eBay-Gottesdienste – und doch versuchen wir die Idee weiterzutragen: Hin und wieder gibt es in unseren Gottesdiensten nun am Eingang Abstimmungen über gewisse Elemente im Gottesdienst; wir lassen online über kommende Predigt-Serien abstimmen, meine Predigten kann man testlesen und Feedback geben – und natürlich wird weiter experimentiert! Ein „Kunst-Gottesdienst“ kam so gut an, dass er es direkt regelmäßig ins Gottesdienst-Programm geschafft hat, und die Liste an Ideen für kommende Experimente wird zum Glück immer länger. Unsere Erfahrung: Experimentieren lohnt sich! Es sorgt für Abwechslung bei unseren Hochverbundenen und für Aufmerksamkeit über unsere klassische „Kirchen-Bubble“ hinaus.


Diesen Artikel schrieb Pastor Jonas Goebel (Ev. Luth. Auferstehungskirchengemeinde Lohbrügge) für die Zeitschrift 3E (01/2021). Das Ideenmagazin für die evangelische Kirche erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört. Bekannt geworden ist Jonas Goebel durch Auftritte auf Preacher Slams und durch seinen Blog juhopma.de.

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1 Kommentar

  1. Eine interessante Idee, – und so wild muss man anscheinend Inhalte und Ablauf am Ende gar nicht ändern um für viele (neue) Besucher interessant zu sein 😉
    (Orgel, Flügel, Glaubensbekenntnis sprechen, …)

    Da wäre es doch auch schön, die deutsche Sprache unverkrampft zu sprechen. Also Gottesdienstbesucher und -teilnehmer einfach als solche zu bezeichnen, – statt diese merkwürdig-geschraubte Partizipkontruktion mit „Besuchenden“ …

    Ich wünsche weiterhin alles Gute und Gottes Segen 🙂

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