Christianity Today:

Ein guter Gottesdienst muss langweilen

Manche Gottesdienste fühlen sich an wie ein Actionfilm, meint Kevin Gary, Professor für Bildungswissenschaften. Er hält es für einen Fehler, Langeweile zu vermeiden.

Kevin Gary hält nichts von Gottesdiensten, die unterhalten wollen und sich wie ein Avengers-Film (die Avengers sind eine Gruppe Superhelden; Anm. d. Red.) anfühlen. Wir sollten nicht versuchen, Langeweile zu vermeiden, meint er im Interview mit dem US-amerikanischen Nachrichtenportal Christianity Today. Es gelte, sich mit der Langeweile auseinanderzusetzen. Er erzählt, wie seine Kinder sich langweilten und dadurch neue Möglichkeiten entdeckten. „Die Langeweile führte zu einer Explosion der Kreativität.“

Langeweile geduldig auszuhalten, sieht Gary als eine Tugend an. Nur wer durchhalte, erlebe, wie bedeutungsvolle und freudige Momente durchbrechen. „Wir können lernen, vollkommen im Moment zu sein“, sagt Gary. Das sei nichts Passives. Es benötige Aufnahmebereitschaft, um die Realität wahrzunehmen und sich daran zu erfreuen. „Wir müssen in Gott ruhen, um die Wahrheit der Dinge zu sehen.“ Gottesdienste könnten dabei helfen, aber dazu „müssten wir unsere Vermeidungsmechanismen (der Langweile; Anm. d. Red.) aufgeben.“

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Während Predigten versinke er häufig in Gedanken, sagt Gary, und das sei gut so. Er hält es außerdem für wertvoll zu lernen, einfach nur zu sitzen. „Abgesehen von der Kirche gibt es nicht mehr viele Orte, wo wir mit uns selbst dasitzen.“

Link: „You should be bored in Church“ (Christianity Today; Englisch)

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9 Kommentare

  1. Gottesdienst darf nie langweilig sein

    Als landeskirchlich evangelische Christinnen und Christen genießen wir – hoffentlich – Gottesdienste mit einer festen Liturgie. Ich habe erlebt, wie wunderbar und kreativ auch sich immer wiederholende Abläufe doch lebendig mit Inhalt füllen und entsprechend gestalten lassen. Erfreut war damals meine alte Heimatgemeinde, als der dortige Pfarrer, auch auf meine Bitte hin, seine gute Fähigkeit des Gesangs mit einsetzte und einen geeigneten Teil der Liturgie gesungen hat. Ab und zu andere Formen von Gottesdiensten, also ohne bzw. mit einem anderen Ablauf, haben alle Gemeindemitglieder immer dankbar angenommen. Oder auch mal ein Osterspiel im Gottesdienst und nicht nur das allseits bekannte traditionelle Weihnachtsspiel am Heiligabend. Und Anfang der 1980er-Jahre hatte ein Theologie (oftmals auch spontane) Einfälle. Etwa am Heiligabend sich ein Baby auf die Kanzel reichen zu lassen um bewusst zu machen, was wir mit dem Gotteskind in der Krippe eigentlich meinen. Einmal stand eine dürre und fast schon nadellose Tanne in einer Bank, zunächst als stumme Anklage aufgrund des damalig schon schlechten Waldzustandes, und selbstverständlich als Aufhänger für die Predigt.

    Predigt ist eine Kunst, die auch die Prädikanten ausgesprochen gut beherrschten. Und unsere Pfarrerinnen und Pfarrer haben uns mit guten Ansprachen dann verwöhnt, wenn sie geistlich-geistig nicht tiefgestapelt haben. Auch anspruchsvollere Gedankengänge, oder einen Bibeltext mal von einer ungewohnten Seite zu betrachten, entblättert die Reichhaltigkeit von Gottes Wort. Theologische Erkenntnisse ebenfalls zu erwähnen ist keine Ketzerei, dabei habe ich nicht erlebt dass dies auch nur einen Menschen irritierte. Leider haben mich in meiner langjährigen Mitarbeit in der Gemeinde auch die vielen einfaltslosen, langweiligen und überlangen Predigten genervt, vor allem wenn man den oder der Prediger/in abspürte, dass sich wahrscheinlich schon in der Vorbereitung mit dem Bibeltext herumgequält hat. Langweile ist das schlimmste was ein Gottesdienst generieren kann, denn die liegt nicht nur als Problem im Zuhörer. Selbstverständlich ist Gottesdienst kein Show und nicht der Ein-Personen-Auftritt vor dem Altar nach dem Motto: „Selig sind die Bene, die da stehn vor dem Altar allene“! Allerdings ist die Feier auch keine Aufforderung alltagsferne salbungsvolle Reden zu halten. Wenn man nachhause kommt und sich nicht mehr an den Inhalt der Predigt erinnert, dann hat diese entweder zu viele fromme aber inhaltsleere Worthülsen enthalten, und/oder ihre fehlte der rote Faden. Kann passieren. Eine gute Idee ist ebenso das Predigtnachgespräch. Auch ist es grundsätzlich förderlich, wenn die Gestaltung unserer gottesdienstlichen Feiern, manchmal auch mit vielen Kerzen, oder auch zeichenhaften Handlungen (Segnungen/Salbungen etc.), Lesungen durch Gemeindemitglieder, sich nicht eine Ein-Personen-Angelegenheit darstellt. Humor ist Gottesdienst ist erlaubt und wenn die Gemeinde klatscht statt döst, ist dies nicht ungeistlich.

  2. Das Wort „langweilig“ habe ich als Pastor von meinem Sohn über Gottesdienste gehört. Darum geht er nur uns zu Liebe ab und zu mit uns hin.
    Darum finde ich dieses Wort völlig unpassend. Ich bin aber ganz bei dem Author, dass viele so genannte Gottesdienste vor lauter „Action“ nicht mehr erkennen lassen, was wir da eigentlich „feiern“.
    Ich liebe auch Abwechslung und das Entdecken von Überraschungen. Aber Abwechslung braucht auch Routine im positiven Sinn. Wenn mir das „Normale“ (und das ist hier wohl mit „langweilig“ gemeint) verloren geht, weiß ich das Besondere nicht mehr zu schätzen.
    So sollte m.E. jeder Gottesdienst aus dem Vertrauten mindestens eine Überraschung und/oder neue Erkenntnis hervorbringen, von der ich dann zehren kann.
    (Und manchmal finde ich es auch einfach nur schön, dass nichts „Besonderes“ war 😇)

  3. Nein, ich möchte mich im Gottesdienst geistig absolut nicht langweilen. Ich möchte vielmehr dazu angeregt werden, immer wieder neu über meinen Glauben nachzudenken und auf Gedanken gebracht werden, auf die ich selbst nicht komme.

    • Niemand hat behauptet, dass es geistige Langeweile braucht. Es geht doch gerade vielmehr darum, im Gottesdienst nicht so unterhalten zu werden, dass geistig nichts mehr passiert.

      • Mich unterhält es im Gottesdienst optimal, wenn ich dazu angeregt werde, neu über mein Leben und mein Denken und vor allem über meinen Glauben angeregt zu werden. Das tut beileibe nicht jeder Gottesdienst. Banale Predigten oder unterkomplex formulierte Fürbitten oder erstarrte Frömmigkeitsrituale langweilen mich sehr und „motivieren“ mich höchstens zum Zuhause-Bleiben.

        Deshalb freue ich mich, wenn ich eine Gemeinde mit einem Pfarrer oder einer Pfarrerin finde, die ausgezeichnet ausgebildet sind, gerne ihre Fächer studiert haben und auch voll in den Themen unserer Zeit stehen. Aber bitte keine seichten Show-Acts oder Entertainment-Einlagen!

        Die Kirchen sollten vor allen bei „Gottes Bodenpersonal“ in Bildung, Aus- und Weiterbildung investieren und sowieso und vor allem eine gute Herzensbildung zur Eingangsvoraussetzung für diesen Beruf machen.

        • Volle Zustimmung

          Originalzitat Siegfried Zentgraf-Gerlach: „Deshalb freue ich mich, wenn ich eine Gemeinde mit einem Pfarrer oder einer Pfarrerin finde, die ausgezeichnet ausgebildet sind, gerne ihre Fächer studiert haben und auch voll in den Themen unserer Zeit stehen. Aber bitte keine seichten Show-Acts oder Entertainment-Einlagen!“ Da bin ich vollkommen mit Ihnen einig. Leider habe ich in vielen Jahrzehnten so viele schlechte, langweilige und solche Predigten erlebt, wo der Mensch vor dem Altar nicht nur geistlich sondern auch geistig sehr tiefgestapelt hat. Leider hört man gute und sehr gute Predigten meist nur im Fernsehen oder im Netz. Oder ich war zu oft am falschen Ort. Auch Prediger*innen verfügen durchaus über eine gute Rhetorik, das kann aber leider auch darüber hinweg täuschen, dass der Inhalt eher an der Abendkasse geblieben ist. Ich liebe gute Predigten. Und sicher freut man sich darüber auch im Himmel. Vor allem dürfen – und müssen – Bibeltexte ausgelegt werden.

  4. Ein guter Gottesdienst sollte sich nicht an Actionfilmen orientieren – da bin ich dabei.
    Er sollte auch nicht zu einer Show verkommen – absolut richtig.
    Wenn man sich die halbgaren Versuche ansieht, mit mittelmäßigen Talenten aus einem Gottesdienst eine ansprechende Show oder Event zu machen, kann man nur dazu raten, mit seinen Ansprüchen auf dem Teppich zu bleiben. Wenn nicht, wirkt der Gottesdienst nur lächerlich und albern – wenn er überhaupt noch als Gottesdienst wahrgenommen wird.
    Aber ein Gottesdienst soll langweilig sein? Lass mich raten: Da hat sich jemand, der es einfach nicht schafft ansprechend zu predigen oder einen GD zu gestalten, in den Irrtum verrannt, seine Unfähigkeit nun zum Maßstab zu machen?
    Wenn ein Gottesdienst langweilig ist, zeigt er lediglich das andere Ende der Extreme, zwischen denen sich ein guter Gottesdienst bewegt. Nein, ein Gottesdienst sollte weder langweilig sein, noch soll er zu einer Show verkommen.
    Ein guter Gottesdienst holt die Menschen ab und bringt sie in die empfundene Gegenwart Gottes. Er inspiriert und motiviert zur Nachfolge Jesu.

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