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Theologin: Christen tragen dazu bei, dass sie an Relevanz verlieren

Das Christentum nimmt an Bedeutung für die Gesellschaft ab, meint die Theologin Mihamm Kim-Rauchholz und fordert: Weniger verzetteln, stattdessen mehr Fokus auf das Zentrale des Glaubens.

Mihamm Kim-Rauchholz, lange wurden West- und Zentraleuropa als „christlich-jüdisches Abendland“ verstanden. Das betrachten viele heute kritisch, als nicht historisch. Darum allgemein gefragt: Wie ist es um ein christliches Wertefundament in Deutschland und Europa bestellt?

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Als jemand, der aus dem Ausland kommt – ich bin in Korea aufgewachsen, habe ein Großteil meiner Kindheit in dem buddhistisch geprägten Land verbracht – merke ich den Wahnsinns-Unterschied zwischen einem Kontinent, der in den Werten vom christlichen Glauben geprägt ist, und einem Land wie Korea, Laos, China oder Japan, wo der buddhistische oder konfuzianische Glaube stark ausgeprägt ist.

Vielleicht werden die christlichen Werte im Bewusstsein nicht mehr immer als positiv dargestellt – aber sie bilden das Fundament. Ein Beispiel: In Europa schreibt man einen schwachen Menschen nicht gleich ab, Schwäche ist etwas, das unserer Hilfe bedarf. Das ist nicht selbstverständlich, sondern kommt aus dem christlichen Fundament, aus der Barmherzigkeit heraus.

In Europa existiert eine Gesellschaft, die Werte wie Wahrheit, Barmherzigkeit, Zuverlässigkeit, Treue, ein Festhalten auch durch schwierige Situationen hindurch, aufrechterhält – Werte, die ich persönlich sehr schätzen gelernt habe. Die über 1.000 Jahre Geschichte des christlichen Glaubens, die Europa geprägt hat, lässt sich nicht einfach ausradieren.

„Und dass der christliche Glaube mit seinen Werten allen säkularen Zeitströmungen standhält, da bin ich mir sicher.“

Sie leben inzwischen einige Jahrzehnte in Europa. Beobachten Sie in puncto christliche Werte eine Entwicklung? War früher alles besser?

Die Selbstverständlichkeit wie noch im Mittelalter, der Zwang fast, christliche Inhalte und Werte im Staat übernehmen zu müssen – die ist weg. Ich sehe darin aber nicht nur eine traurige Entwicklung. Natürlich: Wenn die Werte nicht mehr als selbstverständlich gelten, sehen wir vielfach tragische Konsequenzen im täglichen Leben. Aber es zwingt jede Christin, jeden Christen auch, sich bewusst zu fragen: Ist dieser Wert so wertvoll für mich, dass ich dafür einstehe, auch öffentlich? Ein Wert, den ich meinen Kindern weitergeben möchte?

Dieses bewusste Nachdenken über die Werte kann dem christlichen Glauben nur guttun. Denn es macht ganz klar: Diese Werte sind tatsächlich relevant, für mich, meine Familie, meine Kinder, die nächste Generation. Und dass der christliche Glaube mit seinen Werten allen säkularen Zeitströmungen standhält, da bin ich mir sicher.

Wie hat sich das religiöse Verständnis in der modernen Gesellschaft in Deutschland und Europa in den zurückliegenden Jahren in dieser Hinsicht entwickelt? Wird es säkularer? Oder besinnen sich die Menschen wieder auf ihren Glauben?

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Mein Gefühl ist, dass es eine Bewegung gibt in das Vage, Allgemeine, Nicht-Konkrete von Glaubensüberzeugungen. Und alles, was vage ist, bestärkt mich darin, mich nicht binden zu müssen. Je konkreter man in einer Religion, einem Glauben beheimatet ist, desto mehr binde ich mich auch daran.

Mit der konkreten Bindung im christlichen Glauben an Jesus Christus ist ein großer Teil der vagen Vorstellung von Gott beiseitegeschoben. In diesem Jesus Christus ist Gott. Deswegen ist das Bekenntnis so angefochten, weil man das oft gar nicht will.

Man will Gott auf eine „Superpower“ beschränken, wo alle sagen können: Gott ist irgendwo. Wenn Religion und Glaube, dann bitte allgemein! Aber in dem Moment, in dem sich Gott konkretisiert, ist natürlich eine Antwort gefragt: Binde ich mich an diesen Jesus Christus, an das, wofür er steht – oder nicht?

Was können und sollten Christinnen und Christen beitragen zu einer guten Gesamtentwicklung in Kirche und Gesellschaft?

Ich bin überzeugt, dass der Fokus: sich neu besinnen, neu fokussieren auf das Wesentliche der wichtigste Beitrag von uns Christen für Gesellschaft und Kirche ist. Wir tragen in einer unguten Weise dazu bei, dass wir an Relevanz verlieren, wenn wir uns nicht auf das Wesentliche konzentrieren; weil wir uns verzetteln in vielen Bereichen und Themen, die gewiss nicht unwichtig sind.

„Was ist der Kern des christlichen Glaubens, der unaufgebbar ist?“

Aber der christliche Glaube steht zentral für etwas – und das ist: Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter. Das müssen wir unbedingt noch einmal neu für uns gewinnen: Wofür stehe ich als Christ? Was ist der Kern des christlichen Glaubens, der unaufgebbar ist? Wenn ich das weiß, dann kann ich auch interagieren, auch Kompromisse schließen, auch mit säkularen Menschen viel besser kommunizieren – und vielleicht auch mehr überzeugen.

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Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Jörg Podworny.


Dieser Artikel ist im EiNS-Magazin der Evangelischen Allianz in Deutschland erschienen. EiNS wird in Teilen vom SCM Bundes-Verlag produziert, zu dem auch Jesus.de gehört.

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8 Kommentare

  1. Welche beurteilende Bildsprache ?

    Heinrich Wüschem hat mir empfohlen, an meiner vergleichenden und beurteilenden Bildsprache zu arbeiten. Was damit nun gemeint sei würde ich gern wissen, denn für konstruktive Kritik bin ich immer zu haben. Allerdings bei der theologischen Pommesbude, wobei ich das gutgekochte Mahl ihr bevorzuge, würde ich gerne bleiben. Ich meine die vernünftige Predigt, die neben der wichtigen guten Botschaft auch die ganz normale Intelligenz der kirchlichen Zuhörer/innen nicht beleidigt. Den Bibeltext nicht nur gut auszulegen, sondern auch seine Hintergründe zu belegen, wäre schon prima. In meinen lange zurückliegenden fast noch jugendlichen Jahren hatte ich vor langer Zeit das Schweigen eines Predigers moniert, der nicht sagen konnte/wollte, ob das Gehen des Petrus über das Wasser eben einer biblischen Bildsprache entspricht – etwa um großes Vertrauen auszudrücken – oder ob hier eine Wortwörtlichkeit theologisch zwangsläufig ist. Jedenfalls der gute Pfarrer war furchtbar beleidigt, was nicht wirklich für Kommunikationsfähigkeit und -willigkeit spricht.

    • Wenn du nicht glaubst, dass Jesus wirklich auf dem Wasser gegangen ist, glaubst du an einen andern Gott und einen anderen Jesus als das Neue Testament ihn verkündet. Wie sagt Paulus:
      „Ich befürchte, wie die Schlange Eva etwas vortäuschte mit ihrer Schlauheit, dass so eure Gedanken verdorben sind – weg von der Einfachheit und Reinheit auf den Messias hin. Wenn nämlich jemand kommt und einen anderen Jesus verkündet, nicht den, den wir verkündet haben, oder ihr anderen Geist bekommt, nicht den, den ihr bekommen habt, oder eine andere Botschaft (kommt), nicht die, die ihr angenommen habt, dann ertragt ihr das gut!“
      Aber wahrscheinlich glaubst du das ja auch nicht …

      • Ich lege biblische Texte aus

        Nein, lieber Ulrich Wößner, da kann ich nicht mit. Denn wenn ich jeden Vers – zumindest im Neuen Testament- für wörtlich wahr halte, dann entsteht das Problem, dass von Jesus widersprüchliches überliefert ist. Ich denke da an den breiten Weg den viele Menschen gehen – und den schmalen Pfad der exklusiv zum Heil führt. Oder die Schafe von den Böcken getrennt werden. Andererseits stirbt Jesus am Kreuz für alle Menschen und selbst die frömmsten Evangelikalen sagen bisweilen, er sei auch für Judas gestorben (er gehört auch summarisch zu allen). Immerhin ist der doch so (angeblich) verworfenen Menschheit doch sogar alttestamentarisch prophezeit, dass sie die Schwerter zu Pflugscharen machen und dies mit dem Gehorsam aller Menschen und Völker Gott gegenüber. Und mein Jesus Christus kommt – siehe Bibel – als Friedefürst und nicht als Scharfrichter oder himmlischer Staatsanwalt.

        Mit der erwähnten Schlange haben ich inhaltlich keine Probleme. Allerdings ist die Schöpfungsgeschichte, und da ticken ja fast alle Theologen gleich, ein antikes Glaubensbekenntnis und eher auch ein Schöpfungshymnus – also kein geschichtliches Wesen und Ereignis. Wahrheit hat dann nicht nur damit zu tun, dass es eine geschichtliche Wahrheit sein muss. Die Schlange kann durchaus meine innere (falsche) Stimme sein, mein Abgrund in mir, die/der mich verführt. Ich habe auch vor einiger Zeit, als man einen Nierentumor bei mir entdeckte, keinen bösen Geist in mir gehabt und der im Krankenhaus herausoperiert wurde. Im Altertum hat man böse Dämonen teilweise vorausgesetzt, und daher oft mit Besessenheit eigentlich Krankheit gemeint.

        Wenn wir so miteinander reden, dann geht es doch darum Texte auszulegen. Absurd wäre etwa zu behaupten, ich würde an die Kreuzestheologie des Paulus nicht glauben. Mit ihr argumentiere ich oft und überzeugt, man kann es in meinen vielen Kommentaren eigentlich genau lesen. Vielleicht unterscheiden wir uns, dass Sie – zumindest dahin tendieren – alles wörtlich zu nehmen. Es geht also gar nicht um die Schlauheit – und damit auch um die Verdorbenheit meiner Gedanken – sondern dass ich biblische Texte auslege (man kann gerne darüber streiten, ob ich dann immer das Richtige schreibe).

        Die Frage ist eigentlich nicht beantwortet, ob Petrus wirklich über das Wasser gegangen ist, bzw. der Text dies eigentlich sagen will, sondern sein Glaube und damit sein Vertrauen so groß war wie jemand der sogar über Wasser geht. Es würde ja niemand auf die Idee kommen den Bergpredigtvers wörtlich zu verstehen, notfalls ginge der Berg auch zum Propheten. Ein Berg geht in den allergrößten Wundern nicht zufuß. Und die Erde ist auch keine Scheibe, obwohl uns dies auch im Neuen Testament erzählt wird. Ich verkündige keinen anderen Jesus, sondern denjenigen der auch mein Erlöser ist. Offensichtlich nimmt mir Gott nicht übel, wenn ich mit meinem Gehirn denke. Das Letztere soll keine Beleidigung sein sondern nur ausdrücken, dass die Freiheit eines Christenmenschen auch darin besteht, seinen Glauben so zu verstehen wie er ihn versteht. Letztlich ist Gott niemand erklärbar und immer größer als wir ihn denken.

  2. Von Kim lesen wir einen sehr wichtigen Beitrag zu dem weit unterschätzen Thema der Säkularisation. Die schlaue Infiltrator hat in der säkularen Gesellschaft ein dankbares Opfer gefunden. Nur das Zeitfenster, vom Mittelalter bis heute ist natürlich zu kurz gefasst. Jesus Christus heißt das Programm des Christentums und führt bis in die Zeit seines Auftretens zurück..
    Der antwortende Kommentar zeigt seine Führung durch den Hl. Geist. Nur an seiner vergleichenden und beurteilenden Bildsprache, sollte der Gute arbeiten…

  3. Wieso „fast Zwang“ im Mittelalter? Das „Christentum“ im „christlichen Abendland“ war eine Zwangsreligion, nichts anderes. Und manche christlichen Werte wie Freiheit, Eigenverantwortlichkeit und Gleichberechtigung mussten sich zäh und mühsam gegen das unchristliche Zwangs- und Obrigkeitssytem durchsetzen.

  4. Es gibt auch wichtige neue Werte und Normen

    „Die Selbstverständlichkeit wie noch im Mittelalter, der Zwang fast, christliche Inhalte und Werte im Staat übernehmen zu müssen – die ist weg“! Das schreibt Frau Rauchholz. Ich bin dabei, ohne dies überbewerten zu wollen, über das Wort „Mittelalter“ gestolpert. Da muss ich wohl in einem etwas falschen Geschichtsunterricht gesessen haben. Natürlich haben wir heute keine Hexenprozesse mehr und keinen Martin Luther – der bei aller sonstiger Wertschätzung – doch aus seiner Ethik die Juden völlig ausblendete und sie von Herzen hasste. Heute gibt es zwar den unseligen Krieg in der Ukraine, aber im heiligen Mittelalter den 30jährigen Krieg. Wenn ich ehrlich bin dann meine ich eher, dass bezogen in Sicht auf die Gesamtbevölkerung ethische Kriterien, auch durch viel höhere Bildung, heute eine viel höhere Relevanz besitzen. Die Bewegung, sich angeblich mehr dem Vagen des Glaubens zuzuwenden, rufen bei mir doch zwiespältige Gefühle hervor. Es gibt leider eine unselige Entwicklung auch von uns Christen, und davon bin ich auch nicht ganz frei, sich seinen eigenen Gott, gewissermaßen einen für die Westentasche, selbst zu modellieren. Der passt dann manchmal haargenau in unsere eigenen ideologischen Überzeugungen. Wir machen dann Gott nach unserem Bilde, umgekehrt ist es auf jeden Fall richtig. Ich bin grundsätzlich als überzeugter Christ ein wertkonservativer Mensch. Aber es gibt auch neue Werte innerhalb einer modernen und neuen Sicht der Menschenwürde, die es früher undenkbar waren. Und, die nicht nur einige wenige die sich christlich oder profan als konservativ verstehen, gar nicht so gerne akzeptieren. Zum Beispiel gehört dazu, Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung ihre Menschenwürde nicht völlig abzuerkennen. Wie sehr eine nach außen hin funktionierende Kirchlichkeit einer Bevölkerung doch einen bösen Irrtum beinhaltet, zeigt schon das Dritte Reich. Da waren die Leute viel frömmer, gingen zahlreicher als heute zum Gottesdienst, und kaum jemand lebte damals unter uns der nicht wenigstens evangelisch oder katholisch war. Aber die Leute haben einen Antichristen namens Adolf das Heil zugerufen und man hat auch aus Obrigkeitsgläubigkeit das unglaublich gottlose Unrecht ohne großen Widerstand hingenommen. Eine wichtige demokratisch freiheitliche Gesinnung, auch neue Werte und Normen, gehören heute kompatibel mit einem Christentum, in dem wir Jesus auch wieder verstärkt mit seinen Worten in der Bergpredigt ernstnehmen. Dabei glaube ich nicht, dass man dabei christlich indifferent wird. Die größte Indifferenz ist jene der Lieblosigkeit. Wie soll man Gott lieben können, wenn der Nebenmensch nicht geliebt und/oder in beliebige Denkschubladen einsortiert wird. Wo dran steht: „Er liebte das Vage“! Ich bin kein Theologe, aber durchaus diesbezüglich interessiert. Um hier im Bilde zu sprechen: Ich liebe das gutgekochte Mahl und nicht verbal die theologische Pommesbude. Aber das ist sicherlich eher Geschmackssache.

  5. Für Frau Kim-Rauchholz!
    Danke für das starke Statement!
    Ich sehe es genauso: Es ist Zeit zu klären und zu erklären- was ist wichtig-was ist wesentlich!
    Herzliche Segensgrüsse,
    Monika Scherbaum

  6. Toller Beitrag den ich gerne 95% der Theologinnen und Theologen zum Lesen geben würde.

    Ja, Jesus ist der Kern unseres Glaubens!

    Danke!

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