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Was will mir dieser Bibeltext sagen?

In der Bibel folgen auf klar verständliche Abschnitte Sätze, bei denen man sich fragt, was sie einem sagen sollen. Zwei Kategorien für Bibelstellen helfen weiter.

Von Ulrich Wendel

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Dieser Artikel ist der Auftakt einer Serie zum Thema Bibellesen im Magazin AUFATMEN, das gerade ganz neu gestartet ist. Mit neuen Kolumnen, neuem Design und einem zusätzlichen Fokus auf das Thema „Sich selbst und andere leiten“. 

Bibellesen ist manchmal wie Achterbahn fahren. Gerade noch geht es gemächlich aufwärts und ich freue mich an der Aussicht – und dann rausche ich in den Abgrund und mein Magen möchte meinen Körper verlassen. Die Bibel hält viele solcher Gefühls-Wechselbäder bereit. Nach herzerwärmenden Abschnitten kommen plötzlich Sätze, die ich überhaupt nicht verstehe. Gern würde ich eine Expertin oder einen Experten aus dem Schrank holen, der mir das jetzt erklärt.

Ein Beispiel, mitten aus der Bibel gegriffen: Der Prophet Elisa ist in Jericho und hört, dass das Wasser dort die Menschen krank macht. Er lässt sich eine Schale Salz bringen, schüttet sie in die Quelle aus – und von da an ist das Wasser gesund (2. Könige 2,19-22). Eine erfreuliche Geschichte: Gottes Leute helfen anderen, gesund zu werden. Vielleicht soll ich bei passender Gelegenheit auch so ein Mensch sein? Mir fällt ein, dass auch meine Worte heilsam und klärend sein können: „Eure Rede sei allezeit herzgewinnend, mit Salz gewürzt; ihr müsst wissen, wie ihr einem jeden zu antworten habt“ (Kolosser 4,6).

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Was soll das jetzt sein?

Direkt im Anschluss aber wird berichtet, wie zwei Bengel aus einer Stadt den Propheten verspotten und ihm „Komm doch, Glatzkopf“ hinterherrufen. Elisa verflucht sie – da kommen zwei Bärinnen aus dem Wald gelaufen und töten 42 Kinder (2. Könige 2,23-25). Was soll das jetzt? Gibt es auch nur irgendeinen i-Punkt in dieser Geschichte, der mir etwas zu sagen haben soll?

Bibellesen kann eine wilde Fahrt sein – eine Fahrt, die uns immer wieder auch verstört. Und da die wenigsten von uns eine Expertin oder einen Experten im Schrank haben, die oder den sie rausholen können, bleibt die Frage: Wie kann ich mit Gottes Wort zurechtkommen, wenn ich nichts habe als mich selbst und meine Bibel?

Für mich ist die Kunst der Unterscheidung wichtig geworden. Zwei verschiedene Arten habe ich gefunden, wie ein Bibeltext auf mich zukommt. Nachdem ich sie vorgestellt habe, fächere ich diese beiden Gruppen noch weiter in vier verschiedene Kategorien auf.

Beschreibung oder Vorgabe?

Normalerweise gibt es zwei Möglichkeiten, was ein Bibelabschnitt mir sagen will. Entweder er erzählt einfach, was damals passiert ist – oder er sagt, was nach Gottes Maßstäben passieren muss (oder hätte passieren müssen). So war es oder so soll es sein – das sind die beiden Möglichkeiten.

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Für diese Unterscheidung kann man markante Begriffe prägen: Bibeltexte sind entweder beschreibend oder vorschreibend. Wer es etwas gelehrter mag: Es gibt deskriptive und präskriptive Bibelabschnitte.

Die beiden Erzählungen aus dem Leben Elisas sind beide einfach beschreibend. Dies und das hat Elisa erlebt. Der biblische Erzähler zieht daraus keine Schlussfolgerungen. Die Begebenheit mit dem heilsamen Salz könnte allenfalls noch ein Hinweis auf Gottes Macht und seinen Wunsch zu heilen sein. Die Geschichte mit den Bären ist meines Erachtens ein Beispiel für gar nichts. So ein Vorfall steht schon im Alten Testament einzigartig da und bildet einen Kontrast zu Gottes oft beschriebener Geduld. Und das Neue Testament sagt über den Umgang mit Spott sowieso ganz anderes.

So war es oder so soll es sein – das sind die beiden Möglichkeiten.

Diese Unterscheidung kann uns an vielen Stellen sortieren helfen. Polygamie im Alten Testament – ja, sie kam vor. Zu bestimmten Zeiten hatten Männer, die es sich finanziell leisten konnten, mehrere Frauen gleichzeitig. Die entsprechenden Berichte sind beschreibende Texte. Über den Schutz der Ehe lesen wir an anderen Stellen viel. Die Ehe soll nicht gebrochen werden. Frauen soll man nicht leichtfertig verstoßen und sich später nach Lust und Laune wieder zurückholen. Was hier gesagt wird, ist vorschreibend. Ein Maßstab wird vorgegeben.

Anderes Beispiel: Was soll es in der Apostelgeschichte bedeuten, dass Menschen geheilt wurden, indem der Schatten des Petrus auf sie fiel – oder nachdem man Textilien, die Paulus getragen hatte, auf sie legte (Apostelgeschichte 5,15; 19,12)? Auch wenn so etwas damals passierte – es ist eine Beschreibung. Wir lesen deskriptive Texte. (Und in die Geschichte mit dem Schatten von Petrus sollten wir mal näher reinzoomen: Dort steht, dass die Leute die Kranken so platzierten, weil sie hofften, sie würden so gesund. Dass dies tatsächlich geschah, steht da aber nicht. Der Bericht spricht von den Erwartungen der Leute und nicht vom Handeln Gottes.)

Für mich folgt daraus erst einmal eine Gelassenheit beim Bibellesen. Ich muss mich nicht immer aufregen, wenn ich von schrägem oder grenzüberschreitendem Verhalten lese.

Daneben gibt es aber Aussagen von Jesus, mit denen er die Jünger beauftragt und bevollmächtigt. Sie sollen Kranke heilen, sie sollen für sie beten, ihren die Hände auflegen. Später ordnet Jakobus an, man solle Kranke mit Öl salben. All das sind Vorgaben, in Worte gefasst durch präskriptive Texte. Und auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der sich eines Verletzten erbarmte und gängige medizinische Mittel anwandte, ist präskriptiv zu verstehen: „Geh hin und handle ebenso“ (Lukas 10,37).

Für mich folgt daraus erst einmal eine Gelassenheit beim Bibellesen. Ich muss mich nicht immer aufregen, wenn ich von schrägem oder grenzüberschreitendem Verhalten lese. So sind wir Menschen doch nun einmal. Manchmal kommen unsere schlechtesten Möglichkeiten zum Vorschein. Mit Gott muss das nicht in jedem Fall etwas zu tun haben. Dass die Bibel nicht jedes Mal ein schlechtes Verhalten negativ bewertet, sondern einfach so stehen lässt – das gehört zu den Dingen, die sie ihren Leserinnen und Lesern zumutet. Für die beiden beschriebenen Möglichkeiten habe ich noch eine weitere Bezeichnung gelernt: Texte können entweder Wirklichkeit spiegeln oder Wirklichkeit stiften. So formulierte es mein leider sehr früh verstorbener Doktorvater in einem Seminar.

Wirklichkeit stiften heißt: Die Bibeltexte bringen eine neue Dimension ein, die über das bloß Menschliche hinausgeht.

Wirklichkeit spiegeln bedeutet: Die Texte zeigen deutlich die Spuren des kulturellen Umfeldes und der menschlichen Erfahrung. Ich finde, damit passiert schon etwas Großartiges. Beim Lesen merken wir: Was ich in meinem Leben erlebe und auch erleide, kommt in der Bibel vor. Es ist gewürdigt, als Erfahrung seinen Platz in Gottes Wort zu haben.

Wirklichkeit stiften heißt: Die Bibeltexte bringen eine neue Dimension ein, die über das bloß Menschliche hinausgeht. Gottes Wirklichkeit kommt zur Sprache – und die verändert unsere Wirklichkeit.

Eine Skala mit vier Einheiten

Statt in zwei große Kategorien kann man Bibeltexte auch noch differenzierter einteilen, und zwar in vier Gruppen. Folgendes kann ein Bibelabschnitt sein:

  • ein Bericht
  • ein Bekenntnis
  • eine Verheißung
  • ein Auftrag

Je weiter man nach „unten“ in dieser Skala kommt, desto verbindlicher wird das in diesem Text Gesagte.

Berichte entsprechen meist den beschreibenden Texten, wie eben entfaltet. Es gibt aber auch Berichte, die Gottes Handeln bezeugen wollen. Sie haben schon eher allgemeine Bedeutung. Sie „stiften“ auch Wirklichkeit, denn sie zeigen, was Gott konnte, was er wollte – und was er vielleicht auch heute noch kann und will.

Bekenntnisse zielen noch mehr aufs Allgemeingültige. Sie sprechen nicht nur von Gottes Taten, sondern leiten daraus Einsichten über sein Wesen ab. In vielen Psalmen lesen wir beides ineinander geflochten: wie Gott an einem Einzelnen handelte und wie er dadurch charakterisiert ist.

Wie können wir ermessen, ob Gott tatsächlich auch für andere so ist oder ob wir nur einen Einzelfall vor uns haben? Indem wir die Bekenntnisse mit anderen Schriftstellen vergleichen. Oft wird ein Bekenntnis nämlich von weiteren Stellen bestätigt. (Die Verweisstellen in vielen Bibelausgaben sind hier eine gute Hilfe. Damit sind wir noch nicht im Expertenmodus, sondern können allein mit unserer eigenen aufgeschlagenen Bibel weiterkommen.)

Wem gilt das Versprechen?

Mit einer Verheißung hat Gott sich noch mehr festgelegt – und uns damit festen Boden gegeben, auf dem wir stehen können. Dennoch müssen wir auch an dieser Stelle unterscheiden: Gilt ein Versprechen zunächst nur einem oder einer Einzelnen? Oder Israel, dem Volk Gottes? Oder tatsächlich allen Menschen? Allen Menschen gilt zum Beispiel die Beschreibung der Zuwendung Gottes, wie Paulus sie in Athen predigt (Apostelgeschichte 7,25). Allen Menschen gilt auch das Versprechen: „Siehe! Er kommt mit den Wolken des Himmels. Und alle werden ihn sehen – sogar die, die ihn durchbohrt haben. Und alle Völker der Erde werden um ihn trauern“ (Offenbarung 1,7).

Doch auch Verheißungen mit einer enger gefassten Zielgruppe können uns Christinnen und Christen gelten: entweder, weil sie Grundsätzliches über das Herz Gottes sagen – und Gott hat diese Herzenseinstellung speziell seinem Volk Israel gezeigt, hat sich aber uns gegenüber nicht grundlegend verändert. Oder eine Verheißung gilt uns Jesus-Leuten, weil wir in Gottes erweitertes Volk hineingenommen sind. Auf dieser Basis haben Verheißungen eine große Verbindlichkeit für uns.

Je mehr wir uns in die Kunst der Unterscheidung einüben, desto klarer kommen wir Gottes Wort auf die Spur.

Bei einem Auftrag schließlich ist die Relevanz am höchsten. Ein Auftrag sagt uns nicht nur, was wir erhoffen können, sondern was wir tun sollen. Die Unterscheidung zwischen Auftrag und Verheißung war schon für Jesus wichtig. In der Wüste wurde er mit der Verheißung konfrontiert, dass Gottes Engel ihn auf den Händen tragen würden. Sein Auftrag war allerdings nicht, das auszutesten und von der obersten Mauer des Tempels zu springen – sondern sein Auftrag war, Gott nicht herauszufordern (Matthäus 4,5-7).

Viele Aufträge sind sehr klar für uns formuliert. „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus“ (Jesaja 58,7) – daran gibt es wenig zu deuteln. Die Skala von „Bericht“ bis „Auftrag“ hilft uns zu erkennen, wie ein Bibeltext auf uns zukommt und was er in uns auslösen will. Je mehr wir uns in die Kunst der Unterscheidung einüben, desto klarer kommen wir Gottes Wort auf die Spur.

Ulrich Wendel ist Chefredakteur des Magazins Faszination Bibel und im Verlag SCM R.Brockhaus verantwortlich für die Konzeption komplexer Bibelausgaben. Das Thema der Verheißungen hat er entfaltet in: „Das Buch der Versprechen. Die Bibel mit allen Verheißungen Gottes für dich“.

Nächste Folge: „Die Wahrheit geht auf zwei Beinen“: Dr. Ulrich Wendel über die Tatsache, dass die Bibel oft „einerseits – andererseits“ sagt.


Frühjahr 2023

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift AUFATMEN erschienen. AUFATMEN ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört. AUFATMEN wurde im Frühjahr 2023 mit einem neuen Design und neuen Inhalten gerelauncht. Jetzt kostenlos für ein halbes Jahr testen.

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4 Kommentare

  1. Gott ist unwandelbar

    Ein Beispiel dafür, dass man die Bibel auslegen muss, gerade weil sie Gottes Wort ist, scheint mir der nachfolgende Zusammenhang zu sein, den der Autor erzählt: „Direkt im Anschluss aber wird (in der Bibel) berichtet, wie zwei Bengel aus einer Stadt den Propheten verspotten und ihm „Komm doch, Glatzkopf“ hinterherrufen. Elisa verflucht sie – da kommen zwei Bärinnen aus dem Wald gelaufen und töten 42 Kinder (2. Könige 2,23-25). Was soll das jetzt? Gibt es auch nur irgendeinen i-Punkt in dieser Geschichte, der mir etwas zu sagen haben soll“? Niemand kann es doch für den Willen Gottes halten, der immerhin zu dieser Zeit schon die 10 Gebote ausgab, wenn hier gemäß dem angeblichen Willen Gottes viele Kinder zu Tode kommen. Sicherlich haben die Zeitgenossen des Propheten es für extrem ungut gehalten, den Propheten zu verspotten. Es wäre interessant, funktioniert aber leider nicht, Jesus hier zu befragen. Der hatte doch gesagt, was auch die Urgemeinde glaubte: „Glaube, Hoffnung und Liebe, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“. Jedenfalls müssen wir die Bibel auslegen und zwar genauso wie es alten Luther schon vor vielen Jahrhunderten richtigerweise empfohlen hatte, nämlich am Neuen Testament sowie Person und Werk Jesu. Dann wird die Sache logisch. Ich bin zutiefst nicht davon überzeugt, dass sich im Alten Testament ein vergleichsweise grausamer Gott zu Wort meldet und im Neuen Bund einer der reinen Liebe. Gottes Wesen ist unwandelbar, sonst wäre er nicht Gott. Gott war schon immer Liebe. Allerdings hat Jesus unseren Blick auf Gott in eine andere Perspektive gesetzt. Auch, das Gott unter Gerechtigkeit etwas anderes versteht als menschliche Gewalt nur mit Gewalt zu bestrafen. In Golgatha wird die Gewalt der Mensch an Jesus in die Liebe Gottes verwandelt. Dies wird zudem bekräftigt, dass Jesus der auf Erden erste Auferstandene von den Toten ist. Seine Gerechtigkeit zeichnet aus, dass man dafür keine Gewalt benötigt. Er ist der Friedefürst und ein Friedefürst ist in diesem Sinne Gott. Der lässt nicht 42 Kinder von Bären zerstückeln, wobei schon die Geschichte fast so klingt als müsse sie unglaubwürdig sein und der Bibeltext uns eher zum Nachdenken anstecken soll. Allerdings sind die schriftstellerischen Möglichkeiten der Überlieferer in ihrer Überspitzung weltrekordverdächtig.

    • Lieber Herr Hehner,

      warum so streng mit Gott, weil er zugelassen hat, dass die 42 Kinder von Baeren getoetet wurden? Etwa (Kollektiv)Strafe fuer Fehlverhalten der zwei Spoetter? Nur ein orientalisches Maerchen zur Kindererziehung („Ehre die Alten, va Maenner Gottes“)? Man weiss es nicht …

      Von Ihnen haette ich eher ein Wort des Trostes erwartet: Vielleicht so? „Jesus ist auch fuer diese Kinder an das Kreuz gegangen. Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes und hat zu ihnen gesprochen. Bestimmt sind alle erloest worden und schon lange im Paradies. Da haben sie es gut/besser. Also ist das doch nicht schlimm, dass sie frueh gestorben sind?“

      „Wer frueher stirbt, ist laenger tot“ (laenger bei Christus). Oder wo ist der Fehler?

      Gilt das auch fuer Hananias und Saphira (Apg.5)? Sind sie wegen Fehlverhaltens frueher abgetreten worden (Gericht)?
      Oder hatten sie aus menschl. Zwaengen (Gruppen-Druck) einen Herzinfarkt und es hat gar nix mit Gott zu tun?
      Was meinen Sie?

      LG Joerg

  2. Interessant, dass im zweiten Absatz die Christinnen nicht zu der Zielgruppe dazugehören. Aber zum Ende eines Textes wird der Verfasser wohl entweder müde oder verzichtet auf die Idiotenschreibweisen wie Expertin und Experte usw. damit der Text besser lesbar wird.

    • Hallo Peter,

      danke für den Hinweis. Ich habe es korrigiert. Jetzt müsste alles stimmen.

      Liebe Grüße,
      Pascal vom JDE-Team

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