Typisch für die Barockzeit ist dieser Choral ein geistliches Liebeslied. Dichter und Komponist sind unbekannt.
- Mein schönste Zier und Kleinod bist
auf Erden Du, Herr Jesu Christ;
Dich will ich lassen walten
und allezeit in Lieb und Leid
in meinem Herzen halten. - Dein Lieb und Treu vor allem geht,
kein Ding auf Erd so fest besteht;
das muss ich frei bekennen.
Drum soll nicht Tod, nicht Angst, nicht Not
von Deiner Lieb mich trennen. - Dein Wort ist wahr und trüget nicht
und hält gewiß, was es verspricht,
im Tod und auch im Leben.
Du bist nun mein und ich bin Dein,
Dir hab ich mich ergeben. - Der Tag nimmt ab. Ach schönste Zier,
Herr Jesu Christ, bleib Du bei mir,
es will nun Abend werden.
Lass doch Dein Licht auslöschen nicht
bei uns allhier auf Erden.
unbekannt
Kein klassisches Abendlied
„Mein schönste Zier und Kleinod bist“ (EG 473) ist durchaus nicht auf den ersten Blick als Abendlied zu erkennen, denn in den ersten drei Strophen finden wir nicht eines der Motive, die wir normalerweise in einem Abendlied erwarten.
Vom Untergang der Sonne, von Mond und Sternen, von Finsternis und dunklen Mächten ist mit keinem Wort die Rede. Erst in der vierten und letzten Strophe ist vom Abend die Rede, wenn der Sänger mit den Worten der Emmausjünger Jesus bittet, er möge jetzt, da der Tag abnimmt und es Abend werden will, nicht fortgehen, sondern bleiben.
Geistliches Liebeslied
Wovon aber sprechen die ersten drei Strophen des Liedes „Mein schönste Zier und Kleinod bist“? Sie sind – wie viele andere Lieder aus der Barockzeit – ein geistliches Liebeslied. Die Beziehung des Gläubigen zu seinem Herrn ist die Beziehung einer großen Liebe. So enthalten diese drei Strophen alle Kennzeichen, die wir in einem solchen Lied erwarten dürfen.
Dazu gehört die schöpferische Kraft, die für den Geliebten die schönsten Namen und Bilder findet. Dazu gehört weiter das Versprechen beständiger, unverbrüchlicher Treue, einer Treue, die dem Liebenden über alles geht. Darum gibt es dann auch nichts, was die Liebenden voneinander trennen kann.
Liebende gehören einander, und so finden wir in unserem „Abendlied“ auch das „du bist mein, ich bin dein“, wie wir es aus weltlichen Liebesliedern kennen. Und weil für Liebende nichts so schmerzlich ist wie Abschied nehmen müssen, steht am Ende des Liedes das „Herr Jesu Christ, bleib du bei mir“ der Emmausjünger. Sowohl der Textdichter als auch der Komponist dieses Chorals sind unbekannt.
Text: Reinhard Deichgräber