Die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig veröffentlicht Fachliteratur für Studierende der evangelischen Theologie sowie für Lehrende und Leser, die an religiösen Fragen interessiert sind. Holger Zeigan legt mit „Wie das Wort zur Schrift wurde – Geschichten zur Bibelentstehung“ ein fundiertes Werk vor, das die Lebensumstände der Autoren der Bibel in den Blick nimmt.
Die Aufzeichnungen zu den Erfahrungen mit Gott beginnen in einem Bergvolk, viele Tagesreisen von Ninive am Tigris entfernt, in einem Königspalast, nicht viel größer als einer Hütte. Zeigan stützt sich auch auf die Erkenntnisse von Geschichtswissenschaftlern, Historikern und Theologen. Er transportiert die Geschichten in ein plastisch vorstellbares und gut recherchiertes Setting. Wie sah da Umfeld aus, indem die Klagelieder geschrieben wurden? In den Ruinen von Jerusalem war kaum jemand zurückgeblieben. Anlass zur Klage gaben Hunger, Leid und Schmerzen. Die Stadt war monatelang belagert, Äcker verödet, Weidplätze zerstört. Preise auf dem Schwarzmarkt explodierten, auf Trinkwasser und Feuerholz wurden Steuern erhoben.
Zeigan gliedert die Publikation in drei Abschnitte: Die Vorgeschichte, vom kleinen Bergkönigreich, den Flüchtlingen aus dem Norden und der Suche nach den eigenen Wurzeln im ersten Teil. Die Geschichte des Ersten Testaments, beginnend mit der Frage nach der Schuld am Untergang, Wiederaufbau mit sozialen Krisen und theologischen Folgen, sowie der Torah, der Frage nach Gewalt und dem Punkt Null im zweiten Abschnitt. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Entstehung des zweiten Testaments in einer Welt, die sich verändert hat. Rom war das Zentrum der Welt, die Städte waren durch gut ausgebaute Straßen verbunden. Zeigan: „Im neunzehnten Regierungsjahr des Kaisers Tiberius, dem Jahr, das später als das Jahr zweiunddreißig nach Christi Geburt bezeichnet wird, nutze ein Mann des jüdischen Glaubens die römische Straße von Jerusalem nach Damaskus.“ Paulus wird Missionar.
Nahezu alle Verfasser der biblischen Schriften stellt Zeigan in ihren jeweiligen Lebensumständen vor. Damit schuf er ein Werk, das wissenschaftlich und unterhaltsam ist. Ein Werk, das beim Lesen große Freude bereitet und Hintergründe und Zusammenhänge neu erschließt. Kleiner Punktabzug für den Blocksatz in kleiner Schrift, der in Fachliteratur zwar üblich, für den Laien aber ungewohnt zu lesen ist.
Von Silke Meier