Dieser Choral soll schon auf dem Schlachtfeld und beim Fall der Berliner Mauer gesungen worden sein. Der Text und die Melodie dieses Dankliedes sind wahrhaft kraftvoll und siegesfroh.
- Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen,
der große Dinge tut an uns und allen Enden,
der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an
unzählig viel zugut bis hierher hat getan. - Der ewigreiche Gott woll‘ uns bei unserm Leben
ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben
und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort
und uns aus aller Not erlösen hier und dort. - Lob, Ehr und Preis sei Gott dem Vater
und dem Sohne und Gott
dem Heilgen Geist im höchsten Himmelsthrone,
ihm, dem dreiein’gen Gott,
wie es im Anfang war und ist
und bleiben wird so jetzt und immerdar.
Martin Rinckart
Beim Fall der Mauer gesungen
Früher war das Lied „Nun danket alle Gott“ unter der Bezeichnung „Der Choral von Leuthen“ bekannt, denn angeblich haben siegreiche preußische Soldaten am Abend der blutigen Schlacht diesen Choral angestimmt und miteinander gesungen. Eigentlich ein furchtbares Bild: Auf einem Schlachtfeld voller Leichen und Verwundeter erklingt ein Lobpreislied! Aus unseren Tagen gibt es ein freundlicheres Bild: Am 9. November 1989, als die Berliner Mauer geöffnet worden war, sollen Menschen auf der Mauer sitzend diesen Choral angestimmt haben.
Von den Apokryphen inspiriert
Dieser Choral hat eine biblische Grundlage. Der zugrundeliegende Text stammt allerdings aus dem apokryphen Weisheitsbuch Sirach, gehört also zu den Texten, von denen Martin Luther gesagt hat, sie seien der Heiligen Schrift nicht gleichgeachtet, jedoch nützlich und erbaulich zu lesen. Im vorletzten Kapitel des Buches Sirach finden wir einen Lobpreis, durch den sich Martin Rinckart zu diesem Lied inspirieren ließ. Übrigens hat noch ein anderer Gesangbuchlieddichter sich von diesem Text inspirieren lassen. Paul Gerhardts „Nun danket all’ und bringet Ehr“ ist derselben Wurzel entsprungen.
Meisterhafte Kürze
Der Choral „Nun danket alle Gott“ ist ein Meisterwerk. Bemerkenswert ist die für ein Lied, das aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stammt, ganz ungewöhnliche Kürze: Es besteht aus drei Strophen. Zwei davon lehnen sich an den erwähnten Sirachtext an, während die dritte – nach altkirchlichem Brauch – dem Lob des dreieinigen Gottes gewidmet ist. In der Kürze liegt bekanntlich die Würze: Jede Zeile des Liedes ist ein Edelstein, und so wird man sich die knappen Aussagen gerne zu Eigen machen, vor allem die Bitte um „ein immer fröhlich Herz“ und um den „edlen Frieden“ in der zweiten Strophe.
Vielfach übersetzt
Das Lied ist übrigens auch ein Geschenk der deutschsprachigen Christenheit an die weltweite Gemeinde Jesu Christi: Bis heute ist es in weit mehr als einhundert Sprachen übersetzt worden! Was Martin Rinckart, abgesehen von „Nun danket alle Gott“, geschaffen hat, ist zu Recht längst vergessen. Dafür ist ihm jedoch dies eine Loblied wirklich gelungen. Rinckart war Pfarrer in seiner Geburtsstadt Eilenburg. Von seinen 63 Lebensjahren fiel fast die Hälfte in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges!
Bemerkenswert ist auch die Melodie. Sie stammt von einem der bedeutendsten Liedkomponisten des 17. Jahrhunderts: Johann Crüger, der auch zu vielen Paul-Gerhardt- Liedern die Melodien geschrieben hat, die wir noch heute singen. Bei „Nun danket alle Gott“ bilden Text und Melodie eine wunderbare Einheit. So kraftvoll die Worte sind, so siegesfroh und wahrhaft österlich klingt auch die Melodie.
Text: Reinhard Deichgräber