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10 Jahre Gebetskette: Wo Selbstverletzer ankommen dürfen

Seit 10 Jahren gibt es diesen kleinen Unterschlupf im Internet. In der ´Gebetskette für Selbstverletzer´ im Forum "Miteinander-Füreinander" dürfen sich die Wankenden abstützen und die Rastlosen Pause machen.

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Alina weiß gar nicht mehr genau, wann das alles angefangen hat. Schon als Kind hat es manchmal so gebrannt unter der Haut. Als ob etwas von innen gegen sie drückt. Aber wenn sie den Mund aufmachte, konnte sie nicht schreien. Und dann war es nur ein kleiner Schnitt. Zuerst kam der Schmerz, dann das Blut und Alina wusste wieder, dass sie noch am Leben ist. Es fühlte sich falsch aber gut an. So geht das jahrelang, bis die Innenseiten ihrer Oberschenkel voll mit weißen Narben waren. 

Jeden Sonntag nach dem Gottesdienst hielt der Pfarrer ein Fürbittegebet. Menschen standen auf und berichteten von ihren finanziellen Sorgen oder Krankheiten. Alina blieb sitzen. Manchmal stellte sie sich vor, wie sie aufspringt, und laut sagt: "Ich ritze mich seit 10 Jahren. Könnt ihr bitte für mich beten?" Wenn Alina das denkt, muss sie immer lächeln. Es ist einfach unmöglich. 

Im Internet stößt Alina auf ein Forum: Gebetskette für Selbstverletzer. Sie klickt sich durch die verschiedenen Beiträge, findet Menschen, denen es genauso geht wie ihr. Und sie findet Gott. In der Anonymität spürt sie Geborgenheit und kann sich öffnen. Es ist ganz leicht, das Unsagbare niederzuschreiben. 

Werner Pinnekamp liest sich Alinas Geschichte durch. Er hat schon viele Menschen durch die Gebetskette kennengelernt und begleitet. Seit dem Beginn des Forums vor 10 Jahren ist Werner als ehrenamtlicher Forenmoderator dabei. "In der Anfangszeit im Jahr 2004 gehörte die Selbstverletzung noch zu den absoluten Tabuthemen", erzählt er: "zum Glück haben das Internet im Allgemeinen und solche Foren, wie die Gebetskette, dazu beigetragen, dass die Menschen sich öffnen."

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Werner Pinnekamp pflegt die Gebetskette mit viel Zeit und Liebe. Wenn er über die Selbstverletzer spricht, klingt es, als rede er von Blumen in einem Garten. Manche blühen überraschend auf. Andere brauchen ihre Zeit, um zu wachsen und sich zu entfalten.

Einmal im Monat veröffentlichen Werner oder die anderen Moderatorinnen des Forums, Inga808, rogy-mod und Tjamiwhy einen neuen Beitrag in der Gebetskette. Zu Beginn jedes Textes steht ein Vers, der wohl nicht treffender hätte gewählt werden können: "Betet ohne Unterlass" (1. Thess. 5:17). Grund zum Beten findet man in den Kommentaren unter den Beiträge genug. Es melden sich die alten Nutzer mit neuen Problemen, oder neue Nutzer mit dem alten Problem: Selbstverletzung-Hoffnung-Rückschlag. Verständnisvoll und unendlich einfühlsam kümmern sich die Moderatoren um die Hilfesuchenden. Sie beten still für die Selbstverletzer, oder suchen, wo es hilfreich ist, auch den vertraulicheren Mailkontakt.

Werner kennt viele der Selbstverletzer persönlich. Oft über Jahre hinweg wurden aus dem Mailkontakt Telefonate und aus den Telefonaten reale Treffen. Werner hängt sein Herz an diese Menschen, schreibt ihnen Lieder. Und muss doch eines immer wieder lernen: Loslassen. Die scheinbar hoffnungslosen Fälle an den Gott abgeben, der auch in der Wüste noch Wasser spendet. 

Inzwischen ist der 220. Beitrag online. Es ist die Jubiläumsausgabe: 10 Jahre Gebetskette. Dutzende Moderatoren und Selbstverletzer schreiben ihre Glückwünsche in die Kommentare. Auch Alina blickt voll Dankbarkeit zurück. Natürlich wurde sie nicht nach einem Gebet highspeed-geheilt. Sie muss immer noch kämpfen. Aber sie kämpft jetzt nicht mehr allein. 

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