- Werbung -

Blick in den Abgrund (Teil 1): „Ich habe mich bekehrt aus Angst vor der Hölle“

Die Hölle ist thematisch ein heißes Eisen, an dem sich schon so mancher Theologe die Finger verbrannt hat. Carsten "Storch" Schmelzer, Pastor bei den "Jesus Freaks", hat trotzdem ein Buch darüber geschrieben. Im Gespräch mit Jesus.de-Redaktionsleiter Rolf Krüger erklärt er, welche Überraschungen er bei seiner Recherche erlebt hat.

- Werbung -

Du hast mal gesagt, dass du dich mit dem Thema "Hölle" nicht so richtig beschäftigt hast, bevor du das Buch geschrieben hast…

 Storch: Erstmal war es für mich schon sehr überraschend, als auf einmal die Anfrage gestellt worden ist, ob ich nicht Interesse hätte, ein Buch über die Hölle zu schreiben. Das hat mich gewundert. Hatte vielleicht damit zu tun, dass ich ein paar Monate vorher für die Zeitschrift "dran" einen Artikel geschrieben hatte. Die hatten ja ein ganzes Themenheft über die Hölle. Es war schon komisch, aber auf der anderen Seite auch ein bisschen ehrend, wenn man den Auftrag für ein Buch kriegt. Das ist schon etwas Besonders. Das hatte ich bis dahin auch noch nicht.

 Das hat dann eine komische Reise ausgelöst. Eigentlich dachte ich, ich weiß zumindest in groben Zügen alles über das Thema. Aber je tiefer ich eingestiegen bin und je mehr ich recherchierte, umso größer und komplexer ist es dann geworden. Ich habe festgestellt, dass es Traditionen gibt, die ganz andere Ansichten zur Hölle haben als der Standard-Evangelikale. Es war auch der spannendste Teil dieser Reise, zu merken, dass es auch ernstzunehmende Allversöhner gibt, die nicht nur platt mit Gottes Liebe argumentieren, sondern sich auch wirklich richtig Gedanken darüber gemacht haben. Dass auch eine lange Tradition dahinter steckt, die bis auf Origenes zurückgeht oder eigentlich sogar noch weiter. Dass da alles gar nicht immer so einfach ist, wie man es in der evangelikalen Szene dargeboten bekommt. Da das ja der theologische Hintergrund ist, mit dem ich aufgewachsen bin, war das emotional auch der härteste Teil, das mal infrage zu stellen, und andere Sachen zuzulassen. Das war auch so ein bisschen wie "Habe ich am Ende überhaupt noch einen Glauben?" Oder bricht mir dabei der zentrale Punkt zusammen, so dass ich am Ende mit einer Version vom Christentum dastehe, die ich vorher selber als häretisch empfunden hätte? 

 Hat die Beschäftigung mit dem Buch die Art und Weise verändert, wie du vom Evangelium sprichst oder die gute Nachricht verkündest?

- Werbung -

 Nein. Schon vorher war die Hölle nicht das größte Thema für mich im Evangelium. Vielleicht ganz früher. Ich habe mich bekehrt aus Angst vor der Hölle, weil ich so etwas wie eine Offenbarung hatte. Mir wurde immer erzählt: Es ist der Sinn des Lebens, Jesus kennenzulernen, um dann nicht in die Hölle zu kommen. Damit war das erstmal eine Engführung für das Evangelium. Aber irgendwann kamen auch andere Themen dazu. Ich habe Heilung entdeckt und gemerkt, dass Gott sich um viel mehr Dinge kümmert, als um das Leben nach dem Tod. So war das eigentlich in den letzten Jahren eher ein untergeordnetes Thema. Zumal ich pädagogisch einfach gemerkt habe: Die wenigsten Mensch bekehren sich aus Angst vor der Hölle. Für die meisten Ungläubigen ist das so ein absurdes Thema. Aber jeder interessiert sich dafür, ein gutes Leben zu führen, geheilt zu werden oder Lebensqualität durch Glauben zu gewinnen. So war das eigentlich für mich immer ein wichtigeres evangelistisches Thema.

 Hat sich verändert, wie du über die Hölle selbst sprichst?

 Auch das nicht. Aber ich glaube, dass für die meisten Christen der Glaube an die Hölle – ich sag’s mal böse – etwas sehr Theoretisches ist. Man glaubt theoretisch, dass man nach dem Tod in den Himmel kommt, aber lebt ja trotzdem nicht so, als ob man deswegen viel leidensfähiger ist oder weniger aus dem Leben herausholen müsste. Umgekehrt ist es das Gleiche: Man glaubt, dass Ungläubige in die Hölle kommen. Aber ich kenne eigentlich keinen, der so lebt, wie man eigentlich leben sollte, wenn man so eine Erkenntnis hätte.
 
 Warum ist das so?

 Keine Ahnung. Vielleicht kann man den emotionalen Stress nicht tragen, die Verantwortung dafür zu haben, jemanden ins ewige Leben zu führen. Man will das vielleicht einfach emotional gar nicht richtig an sich heranlassen. Vielleicht ist das Thema aber auch einfach zu weit weg für die meisten Christen.
 
 Wenn es wirklich so ist, dass mein Nachbar für immer in der Hölle landen wird, weil ich ihm nicht gesagt habe, wo’s langgeht dann mach ich mich ja eigentlich mitschuldig. Oder?

- Werbung -

 Ja, das ist eine Sache, die ich eigentlich auch immer so geglaubt habe, oder halb geglaubt habe. Ein Prediger, den ich mal gehört habe, hat in einer evangelistischen Predigt vom indirektem "Endzeit-Mord" gesprochen…

 Sehr seelsorgerlich…

 Na ja, seelsorgerlich war der nicht. Er hat das Bild heraufbeschworen, dass du im Endgericht stehst und da kommt dann dein Nachbar und fragt dich "Warum hast du nichts gesagt?" und geht dann weg. Ich meine, das ist total krass und eine Verantwortung, die man ja kaum tragen kann. Ich weiß auch gar nicht, ob die eigene Überzeugung überhaupt ein solches Niveau an Sicherheit erreichen kann, dass sie unsere Schritte derart lenkt. 

 "Die Liebe hat das letzte Wort" von Rob Bell hast du bestimmt gelesen?

 Das habe ich gelesen, ja.

 Francis Chans "Hölle – und was wir daraus gemacht haben" auch?

 Klar.

 Durch was unterscheidet sich dein Buch von den beiden?

 Rob Bell hinterfragt sehr viel, manches davon auch sehr gut. Aber mir fehlen die Antworten. Er hat manches durch seine Fragen angedeutet, dem aber teilweise in Interviews ganz deutlich wieder widersprochen, wenn ich das richtig verstanden habe. Von daher hat mir Rob Bell leider gar nichts gegeben. Er war einfach irgendwie zu inhaltsleer. Ich habe das Gefühl, erstens sehr viel mehr recheriert zu haben, außerdem gebe ich Antworten oder zumindest konkrete Möglichkeiten, um eine Frage weiter zu studieren.

 Francis Chan ist das genaue Gegenteil zu Rob Bell: Ein ganz simples evangelikales Verständnis, das kein bisschen hinter irgendwelche Bilder guckt, dafür aber mit großen Zahlen argumentiert. Also dass man 100.000.000 Jahre in der Hölle ist und so weiter. Der Chan ist mir einfach zu flach. Beispielsweise geht er stark auf die Unterschiede der Höllenvorstellung zwischen den Testamenten ein. Die ist extrem widersprüchlich, bunt-schillernd. Er hat aber einfach nur die Beispiele genommen, bei denen es um den Flammensee geht und alles andere ausgeklammert. Daraus argumentiert er, dass Jesus über den Flammensee gepredigt hat. Das ist einfach zu platt. Es ist auch einfach zu offensichtlich, dass er ein Buch gegen Rob Bell geschrieben hat.

 Ich glaube, davon hebe ich mich ab, indem ich auch Alternativen betrachte. Ich versuche, auf schwierige Fragen einzugehen. Und die hat Chan einfach konsequent ausgeklammert. Übrigens hatte ich auch mal mit seinem Kollegen Spring einen kurzen Mailwechsel, ein netter Typ, ich mochte ihn. Er hat mir sogar einmal bei Recherchen geholfen. Aber letzten Endes fand ich ihre Grundaussage zu sehr in einem theologischen Weltbild verhaftet.
 
 Und zu welchem Schluss kommst du nun? Gibt es eine Hölle, in der Menschen ewig gequält werden?

 Da muss ich mal einen Schritt zurückgehen. Der erste Schluss zu dem ich komme, ist der, dass unsere Vorstellung der Hölle mehr von unserer theologischen Tradition geprägt ist als von der Bibel. Und dass je nachdem aus welcher theologischen Tradition man kommt, man es auch total unterschiedlich sieht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich genau sagen könnte, was in der Bibel drinsteht. Was vielleicht paradox klingt, nachdem man sich anderthalb Jahre damit beschäftigt hat. Aber ich merke, ich kriege meine Prägung nicht ganz raus. Ich kann es irgendwie auf breitere Beine stellen, mehr Fundament geben, aber ich finde es extrem schwer, mich vorurteilsfrei den ganzen Bibelstellen zu nähern. Und manches kann man theologisch einfach nicht hundertprozentig sagen. Also, ich kann nicht sagen, ob es eine ewige Hölle gibt. Ich gehe davon aus, dass es irgendetwas gibt, was man als Hölle beschreiben kann und dass Jesus dort ziemlich deutlich ist. Aber alles, was darüber hinausgeht, ob es ewig ist oder ob es eine Strafe ist, die noch einem Zweck dient, kann ich nicht sagen.

 Ich tendiere mehr dazu, dass die Hölle etwas Pädagogisches hat. Was auch von der griechischen Grundsprache her eine sehr naheliegende Sache ist. Und dass damit der Weg Gottes mit den Menschen – und ich weiß, das klingt jetzt kontrovers und ich bin mir auch nicht hundertprozentig sicher – nicht am Scheitelpunkt des Todes abrupt endet und dann jede Entscheidung in Stein gemeißelt ist. Sondern ich habe mindestens die Hoffnung, dass es danach noch weitergeht, dass das letzte Ziel Gottes ist, alles mit sich zu versöhnen, die Folgen der Sünde total zu tilgen und dann doch wieder auf die perfekte Welt hinzusteuern. 

— Ende Teil 1 —

In Teil 2 des Interviews beschreibt Carsten "Storch" Schmelzer, was Jesus zum Thema Hölle gesagt hat, die Schwierigkeiten des Gleichnisses vom Völkergericht (Matthäus 25) uns erklärt, wer seiner Meinung nach gerettet wird.
___

Das Buch "Hölle: Der Blick in den Abgrund" von Carsten "Storch" Schmelzer ist im Verlag SCM R. Brockhaus erschienen, der wie Jesus.de zur Stiftung Christliche Medien gehört.

(Quelle: jesus.de)

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht