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Festzelt-Stimmung im Kreuzgang: «Sermon Slam» kennt nur Sieger

Festzelt-Stimmung in der altehrwürdigen Marburger Philipps-Universität: Im Kreuzgang drängeln sich am Samstagabend rund 150 junge Leute, um den besten «Predigt Slammer» der Saison zu küren.

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Zwölf Studierende der Evangelischen Theologie und zwei Dozenten, darunter der Erfinder der Predigt im Zeitraffer, Thomas Erne, schnappen sich unter aufmunterndem Applaus das Mikro und klettern auf die improvisierte Kanzel.
 Dann fetzen sie los, was das Zeug hält. Sie hauchen, plaudern, wispern, sprechen, reimen und schreien ihre selbst geschriebenen Botschaften von Gott und der Welt in den Saal, wandern auf der Bühne auf und ab, drehen Pirouetten, klatschen in die Hände, schnipsen mit den Fingern und geben sich als Einpeitscher. Ihre Geschichten sind so schrill und bunt wie die Zuhörer: Sie handeln von Obdachlosigkeit, von den Tücken des Abendmahls, von Liebe und Hoffnung, Gut und Böse, Macht, Gier und Vergänglichkeit.
 Die Teilnehmer des «Sermon Slams» haben in diesem Wintersemester ein Seminar bei dem praktischen Theologen Thomas Erne belegt. Der Direktor des evangelischen Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart in Marburg entdeckte den Poetry Slam zufällig, belegte einen Workshop und stellte sich selbst auf die Bühne.
 «Es ist unglaublich, wie viele Parallelen es zur Aufgabe eines Predigers gibt», sagt er. «Aus unserer Kultur ist die Kunst der freien und öffentlichen Rede verschwunden, doch gerade Pfarrer müssen sie beherrschen.»
 Auch vor dem 4. Marburger Sermon Slam kamen die Teilnehmer zu einem Workshop zusammen. Dort bastelten sie zunächst an ihren Texten und probten anschließend auf einer Bühne für den öffentlichen Auftritt: «Versuch doch mal, das Mikro in die Hand zu nehmen», rät die Slammerin und Workshop-Leiterin Anke Fuchs dem Theologiestudenten Daniel Rossa. «Ja, viel besser», lobt sie dann. «Die Studenten sind geübt, Texte zu verfassen, aber sie vernachlässigen das Kreative», erzählt sie.
 Und genau darum geht es: mit Sprache zu experimentieren, «die Angst vor dem großen Wort zu nehmen», wie Erne es ausdrückt. Er hat den Studenten jeweils ein Kirchentags-Motto der vergangenen Jahre zugeteilt. «Es ist was ganz Fremdes für mich», sagt Rossa, der zu dem Zitat «Gottes Geist befreit zum Leben» einen ziemlich anspruchsvollen Text verfasst hat.
 Andere wählen eine Gedichtform, erzählen eine Geschichte, machen aus dem Text einen Rap, sind witzig oder poetisch. «Ich bin unglaublich nervös», stöhnt Eric Leistner vor seinem Auftritt. Seinem Text liegt der Satz «Damit ihr Hoffnung habt» zugrunde. Er benutzt ihn zu einer Liebeserklärung an seinen kleinen Sohn Samuel.
 Marburg gilt als eines der Zentren der Poetry Slam-Szene in Deutschland. Der Dichterwettstreit entstand Ende der 1980er Jahre in den USA. Der Workshop-Leiter des «Sermon Slam», Bo Wimmer, gehört zu etwa 40 professionellen Slammern in Deutschland, er kann von der Kunst leben. Täglich gebe es irgendwo in Deutschland einen Slam.
 Die Leute liebten «das Spiel mit der Sprache», erklärt Wimmer. «Sie wollen Literatur oder Gedichte hören, aber Lesungen sind ihnen zu langweilig.» Er stellt ein «Bedürfnis nach dem gesprochenen Wort» fest. Die Slam-Texte handelten von Liebe, Glück, Trauer, aber auch vom Zeitgeschehen, vom Fußball oder den Tücken es Alltags.
 Wimmer moderiert auch den Wettbewerb. Er setzt zunächst eine fünfköpfige Jury ein, die die Performances mit Noten von eins bis zehn bewertet. Und er gibt sich vor und während der Auftritte als Animateur, Jubler und Tröster. Am Ende des mehr als zweistündigen Predigtwettstreits hat der 23-jährige Simbarashe Burgdorf ganz knapp die Nase vorn, weil er sich über den floskelhaften Gebrauch des Adjektivs «gut» echauffiert. Sein Vorschlag, «gut» durch «brett» zu ersetzen und dies dann auch an vielen Beispielen zu erläutern – «es geht mir brett», «heute habe ich brett gegessen» – bringt das Publikum zum Rasen.
 Nur knapp hinter «Simba» landen Katharina, Krishan und Jonas auf Platz zwei. Eigentlich gibt es nur Sieger, fünf Punkte und weniger vergibt die Jury überhaupt nicht. Die Beiträge der beiden Predigt-Profis Thomas Erne und Studienleiter Gerhard Neumann zur «Liebesmetropole Marburg» und «Jesus» landen im Mittelfeld. Womöglich, weil sie zu sehr ins «Alte-Hasen-Schema» passen.

(Quelle: epd)

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