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Gewalt gegen Frauen: Berliner Stadtmission hilft „unsichtbaren Opfern“

Vergewaltigung oder anderweitige Gewalt durch den Partner wird selten bekannt. Dank der Berliner Stadtmission hat Lena es geschafft, gewaltvollen Beziehungen zu entkommen.

Von Anna Koppri

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Es ist Freitag, 14 Uhr. Wie jeden Tag biegt Lena [Name geändert; Anm. d. Red.], eine große Frau mit Kurzhaarschnitt vom Ku´damm in eine Seitenstraße ein. Vor dem Ladenschaufenster der City-Station hat sich eine kleine Traube Menschen gebildet, die sich lautstark unterhalten und lachen. Abgetragene Kleidung, kaputte Schuhe, manche haben Plastiktüten mit ihren Habseligkeiten dabei.

Lena reiht sich in die Warteschlange, zündet eine Zigarette an und begrüßt ein paar Bekannte. An einem Bartisch empfängt Sozialarbeiterin Leonie Schäfer herzlich ihre Gäste. Sie notiert sich die Namen, die ihr genannt werden, misst die Temperatur und wechselt hier und da ein paar Worte. „Hi Lena, wie geht’s? Gut geschlafen?“ Lena antwortet mit einem breiten Lächeln. Sie freut sich immer, wenn sie die Sozialarbeiterin sieht. Die beiden kennen sich nun schon seit über zwei Jahren und haben einiges miteinander erlebt.

Motto: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“

Die City-Station ist eine Tagesstätte der Berliner Stadtmission für wohnungslose, obdachlose und stadtarme Menschen. Die Stadtmission hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen wahrzunehmen und zu begleiten, die am Rande der Gesellschaft stehen und oft übersehen werden. Dabei orientiert sie sich an ihrem Leitvers aus Jeremia 29,7: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn.“ Der christliche Glaube stellt für viele Mitarbeitende eine wertvolle Ressource dar, um Menschen lieben und ihnen ihren Wert vor Augen führen zu können.

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Im Inneren des Caféraumes wird Lena von einem würzigen Duft empfangen. Auf der großen Tafel steht: Hühnerschenkel mit Bratkartoffeln. Für 50 Cent erhält sie ihre Portion, holt sich noch einen Tee mit viel Zucker und setzt sich an einen der Tische.

Depressionen, keine Wohnung, Gewalt durch Partner, Sucht

Leonie Schäfer setzt sich zu Lena an den Tisch. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie sie sie vor über zwei Jahren kennengelernt hat. Im Winter 2020 hat die junge Frau öfters in der City-Station übernachtet. Lena litt unter Depressionen, war wohnungslos und kam bei wechselnden Partnern unter. Dort musste sie viele Gewalterfahrungen machen, woraufhin sie sich immer wieder trennte und keinen Schlafplatz hatte. Aufgrund ihrer schwierigen Situation entwickelte die Anfang 30-Jährige eine Suchterkrankung.

Um Menschen wie Lena zu unterstützen, hat Schäfer vor ein paar Jahren eine Weiterbildung zur professionellen Opferberaterin absolviert. Viel zu oft hört sie Geschichten von obdach- oder wohnungslosen Menschen, die Gewalt erleben müssen. Sie werden auf offener Straße beschimpft, angespuckt oder verprügelt, vor allem Frauen erleben Vergewaltigungen oder Gewalt durch Partner oder Partnerin. „Viele dieser Menschen bleiben unsichtbare Opfer, weil ihre Fälle selten bekannt werden und nur bruchstückhaft in der Statistik auftauchen – die Dunkelziffer ist sehr hoch“, erklärt Schäfer.

Jesus als Vorbild für die Arbeit

Einmal wöchentlich und nach Bedarf bietet sie deshalb eine Opferberatung für wohnungs- und obdachlose Menschen an. Bisher das einzige niedrigschwellige Angebot dieser Art in Berlin. Schäfer hat eine Lücke entdeckt und möchte sie füllen. Jesus ist ihr dabei für die Arbeit ein Vorbild. Wie er möchte sie Menschen in prekären Situationen auf Augenhöhe begegnen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen.

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Viele ihrer Klientinnen und Klienten haben schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht, oder kommen aus Ländern, in denen sie keine Hilfe von der Polizei erwarten können. Schäfer arbeitet mit der Polizei zusammen, speziell mit einem Beamten, der sich um Hasskriminalität kümmert. Sie möchte Brücken bauen und ermutigen, Hilfe von der Polizei in Anspruch zu nehmen.

In kleinen Schritten helfen

Im Sommer 2021 vertraute Lena sich der Sozialarbeiterin an. Sie hatte akute Suizidgedanken und ließ sich schließlich dazu ermutigen, in eine Klinik zu gehen. Nach ihrem mehrwöchigen Aufenthalt verfiel sie wieder in alte Bewältigungsmuster. Sie suchte jedoch regelmäßig den Kontakt zu Schäfer, die sie kleinschrittig begleitete. Gemeinsam reflektierten sie die Phasen und die Verhaltensweisen von Lena und überlegten, was sie tun könne, ohne destruktiv gegen sich selbst zu werden.

Die Sozialarbeiterin erzählt, dass sie in der niedrigschwelligen Beratung oft nur das aufgreifen kann, was gerade da ist und kleine Schritte mit den Klientinnen und Klienten geht. Sie kann nicht nach dem Fünf-Schritte System vorgehen, das sie in ihrer Ausbildung gelernt hat, sondern schaut immer wieder individuell: Wo steht die Person gerade, welche Ressourcen hat sie zur Verfügung, um sich selbst zu helfen, oder was kann ein nächster Schritt sein? Schäfer ist froh, auf diesem Weg dazu beitragen zu können, Gewalt gegen Menschen auf der Straße ein Stück sichtbarer zu machen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen.

In einer guten Phase schaffte Lena es schließlich, beim Bezirksamt vorzusprechen. Von dort hat sie einen Platz in einem Wohnheim bekommen, in dem sie nun seit einigen Wochen lebt. Glücklich erzählt sie heute, wie gut es ihr tut, nicht mehr von gewaltbereiten Partnern abhängig zu sein. Endlich kann sie sich um sich selbst kümmern und gemeinsam mit den Sozialarbeitenden weitere Schritte planen. Jetzt ist es die Schäfer, auf deren Gesicht ein warmes Lächeln sichtbar wird.

Transparenzhinweis: Anna Koppri arbeitet im Fundraising der Berliner Stadtmission. Wir haben ihren Text redaktionell bearbeitet übernommen.


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Spendenkonto: IBAN DE63 1002 0500 0003 1555 00

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