In Kiew steht die Wiege der gesamten russisch-orthodoxen Kirche. Doch innerhalb der orthodoxen Kirche in der Ukraine ist ein heftiger Richtungsstreit ausgebrochen.
Sonntags herrscht Gedränge in der Peter- und Paulskirche von Sewastopol. Um die Predigt von Vater Georgi zu hören, müssen die Gläubigen in den zweiten Stock des eher an ein griechisches Theater als an eine orthodoxe Kirche erinnernden Gotteshauses. Die letzten stehen an der Marmortreppe, den Kirchenchor direkt im Nacken. Durch die Reihen drängen sich drei alte Frauen, um Spenden zu sammeln. Noch landet die ukrainische Landeswährung Griwna auf ihren Tabletts.
Doch die orthodoxe Kirche auf der Krim ist längst moskautreu. Dafür ist innerhalb der orthodoxen Kirche in der Ukraine ein heftiger Richtungsstreit ausgebrochen.
In Kiew steht die Wiege der gesamten russisch-orthodoxen Kirche, nachdem sich der Legende zufolge im Jahr 988 Fürst Wladimir, später als der Heilige verehrt, mitsamt seinem Gefolge im Dnjepr taufen ließ, um die Schwester des Imperators von Konstantinopel heiraten zu können. Bis heute gilt das Kiewer Höhlenkloster als einer der größten Schätze der russischen Orthodoxie. Doch seit langem gibt es in der Ukraine auch Autonomiebestrebungen und den Versuch, sich mit einer eigenen Nationalkirche von Moskau zu emanzipieren.
So spaltete sich bereits Anfang der 90er Jahre ein Teil des ukrainischen Klerus vom Moskauer Patriarchat ab und gründete die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats. Heute bekennen sich sieben bis zehn Millionen Ukrainer zu diesem Zweig der Orthodoxie und ihrem Patriarchen Filaret, der von Moskau wegen Kirchenspaltung exkommuniziert wurde.
Der vom Moskauer Patriarchat anerkannte Metropolit Wladimir hingegen ist seit Jahren schwer krank. Auf dem Höhepunkt der politischen Krise in der Ukraine wurde Metropolit Onufri als Vertreter für ihn eingesetzt. In einer seiner ersten Amtshandlungen sprach sich Onufri für die «territoriale Integrität der Ukraine» aus und damit gegen die von Moskau betriebene Abspaltung der Krim.
Obwohl sich der Moskauer Patriarch Kyrill in dem Konflikt um die Halbinsel betont zurückhielt und zu den Anschluss-Feierlichkeiten lediglich einen Vertreter schickte, ist der Druck auf die ihm unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche riesig – sowohl von außen als auch von innen. So klagt die Kirche über Angriffe auf Gotteshäuser und den Versuch des Kiewer Patriarchats, Kirchengebäude zu übernehmen. Zugleich hat sie erstmals seit Jahren wieder einen Dialog mit jenem Patriarchat um eine mögliche Vereinigung begonnen, weil auch im Innern die Ablehnung gegenüber der Moskauer Politik immer stärker wird.
Immer mehr Priester in der Ukraine erwähnen als Zeichen des Protests in ihren Gebeten Patriarch Kyrill nicht mehr. «Jeder Priester ist Patriot seines Vaterlands», erklärte der Kanzleichef der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Antoni, einer von sechs der neun ständigen Mitglieder der heiligen Synode, die proukrainisch eingestellt sein sollen. Noch drastischer drückte es der Metropolit von Tscherkassy, Sofroni, aus, der Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen «Banditen» nannte.
Angesichts der zunehmenden antirussischen Stimmung in der Ukraine ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche bald dem Moskauer Patriarchen abschwört. «Seit mehr als 400 Jahren gibt es den Versuch, die russische Welt zu teilen», klagte Kyrill angesichts der stärker werdenden Abspaltungstendenzen in der ihm untergebenen Kirche. Dass diese Tendenzen derzeit durch die Expansionspolitik des Kremls ebenso gefördert werden wie durch die orthodoxen Priester, die auf der Krim mit Ikonen die Bewaffneten der prorussischen Bürgerwehr segnen, sagte er nicht.
(Quelle: epd)