Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erntet scharfe Kritik für seine Äußerungen zum Kirchenasyl. „Die Worte des Ministers belasten in ungewöhnlicher und überflüssiger Weise das gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat“, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister am Wochenende
De Maizière hatte den Kirchen laut einem Medienbericht vorgeworfen, sich über bestehende Gesetze hinwegzusetzen. Der Bundesinnenminister wandte sich laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ „prinzipiell und fundamental“ gegen die aktuelle Praxis der Kirchen. Er habe als Christ zwar Verständnis, dass die Kirchen „in Einzelfällen“ unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnehmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über bestehende Gesetze hinwegsetzen.
Meister betonte als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, dass das Kirchenasyl ein offensichtlich notwendiger Schutzraum für Menschenrechte sei: „Es wird nur gewährt, wenn jemand trotz aller staatlichen Gesetze und Hilfen von Abschiebung, menschenunwürdigen Umständen oder Lebensgefahr bedroht ist.“ Es wende sich nicht gegen den Rechtsstaat, sondern erinnere diesen an das grundgesetzlich verankerte Recht auf Menschenwürde, Freiheit und körperliche Unversehrtheit.
In den meisten Fällen könne den Menschen in einem Kirchenasyl durch eine erneute Überprüfung ihres Schutzbegehrens geholfen werden, sagte Meister. Das zeige ganz klar seine Notwendigkeit, auch wenn es gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt.
Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht zumeist auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung sind die umstrittenen Dublin-III-Bestimmungen der Europäischen Union. Im Kirchenasyl befinden sich zumeist Menschen, die über ein anderes EU-Land nach Deutschland eingereist sind. Sie dürfen nur im Herkunftsland, nicht aber in der Bundesrepublik Asyl beantragen – es sei denn, die Überstellungsfrist von sechs Monaten wird überschritten. Werden die Betroffenen als „flüchtig“ eingestuft, wie es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit kurzem tut, verlängert sich die Frist auf 18 Monate, die ein Flüchtling dann in einem Kirchenasyl ausharren muss.
Der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zufolge sind gegenwärtig 200 Fälle von Kirchenasyl mit mindestens 359 Menschen bekannt, darunter sind 109 Kinder. Im Jahr 2013 gab es bundesweit erst 79 Fälle.