Die kurhessische Bischöfin hält das System der Evangelischen Kirche für veraltet. Sie ist offen für eine Zusammenlegung der Landeskirchen – auch angesichts sinkender Mitgliederzahlen.
Von Helga Kristina Kothe und Karsten Frerichs (epd-Gespräch)
epd: Frau Bischöfin Hofmann, die Evangelische Kirche im Rheinland hat kürzlich entschieden, dass sie Pfarrerinnen und Pfarrer nicht mehr als Beamte beschäftigen will. Schon viele Jahre wird in den 20 Landeskirchen wegen der sinkenden Finanzkraft darüber gesprochen. Wie ist die Beschlusslage in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck?
Beate Hofmann: Einen konkreten Beschluss gibt es noch nicht, aber eine Änderung der Anstellungsverhältnisse ist einer unserer Eckpunkte für die Haushaltskonsolidierung, und wir prüfen das. Das hat aber nicht nur finanzielle Gründe. Der Pfarrberuf sollte in der Zukunft aus unserer Sicht anders verstanden werden. Privatrechtliche Anstellungsverhältnisse sind auch im Blick auf die zukünftigen finanziellen Verpflichtungen verlässlicher.
Lassen Sie uns zunächst auf die finanzielle Seite blicken. Was spart die kurhessische Kirche, wenn Pfarrpersonen keine Beamten mehr sind?
Zunächst einmal nichts, weil für eine angestellte Person vom ersten Tag an Sozialversicherungsbeträge zu zahlen sind. Entscheidend ist die langfristige Perspektive: Jede Ordination ist ein goldener Handschlag über mehrere Millionen Euro aufs Leben gerechnet. Die Frage ist schlichtweg: Können wir im Jahr 2060 oder 2070 jemandem seine Pension zahlen? Können wir das noch garantieren? Oder ist es da nicht sinnvoller, wir gehen in den Systemwechsel, wir gehen generell in die allgemeine Rentenversicherung und treten damit Verantwortung für die Absicherung im Alter an die Versicherungsgemeinschaft ab?
Was bedeutet es für das Treueverhältnis von Menschen im Pfarrdienst zur Kirche, wenn sie Angestellte und keine Beamten sind?
Ich glaube, der zentrale Gedanke am Beamtenverhältnis war immer die Alimentationsidee. Ich bezahle einen Menschen dafür, dass er rund um die Uhr im Dienst der Kirche steht. Aber das verändert sich gerade: Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer ist nicht mehr sieben Tage die Woche für 24 Stunden ansprechbar. Das ist in den größer werdenden pastoralen Räumen überhaupt nicht mehr zu leisten.
Auch die Kommunikation hat sich verändert. Früher haben die Leute am Pfarrhaus vor der Tür gestanden, heute laufen 98 Prozent des Austauschs über Telefon und E-Mail. Dann spielt ein Dienstsitz in einem Pfarrhaus auch keine große Rolle mehr.
Die Frage ist doch: Mit welchem inneren Feuer und mit welcher inneren Haltung arbeite ich für die Kirche? Es gibt sehr engagierte Gemeindereferentinnen, Diakoninnen und Kirchenmusiker im Angestelltenverhältnis. Ist es angemessen, demgegenüber von den Pfarrerinnen und Pfarrern ein besonderes Treueverhältnis zu fordern?
Eigentlich erwarte ich von allen Treue zur Kirche.
Sie haben mehrfach betont, dass Sie sich bei der Anstellung von Pfarrerinnen und Pfarrern eine enge Abstimmung unter den 20 Landeskirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wünschen. Die rheinische Kirche will jetzt grundsätzlich nicht mehr verbeamten. Andernorts gibt es bereits Ausnahmen von der Verbeamtung, oft bei Befristungen oder Projektstellen. Ein einheitliches Handeln ist da nicht zu sehen.
Das stimmt. Das Reformtempo ist in der EKD bei allen notwendigen Veränderungen sehr verschieden. Es gibt Landeskirchen wie die unsere, die angesichts von Mitgliederrückgang und Einnahmeverlusten entschlossen handeln, andere sind noch zögerlicher und noch nicht so stark unter Druck. Aber die Prognosen sind eindeutig: Wir müssen unsere Strukturen ändern, wenn wir auch als kleinere Kirche handlungsfähig bleiben wollen.
Seit 2012 gibt es unverändert 20 Landeskirchen. Damals gab es 23,3 Millionen Protestanten in Deutschland, heute sind es 18,6 Millionen. Der Trend wird sich fortsetzen. Stellt sich da nicht die Frage nach einer noch stärkeren Zusammenarbeit bis hin zu Fusionen?
Aus meiner Sicht ja. Und ich gehe auch fest davon aus, dass sich da Dinge verändern werden. An manchen Stellen ist das System der 20 Landeskirchen aus der Zeit gefallen. Das kann man keinem mehr erklären. Offen ist für mich: Entsteht eine Großkirche und die Landeskirchen hören auf zu existieren? Oder entsteht ein anderes Konzept von Föderalismus?
Wie bewegt sich dabei die kurhessische Kirche?
Wir reden im Moment mit unterschiedlichen Nachbarn: Hessen-Nassau, Pfalz, mitteldeutsche Kirche. Mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland gibt es starke kulturelle Ähnlichkeiten, und von deren Umgang mit Kirchengebäuden in Thüringen können wir viel lernen und dabei auch kooperieren.
Mit den Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau verbindet uns natürlich das Bundesland Hessen. Wenn es gut läuft, arbeiten wir themenbezogen mit unterschiedlichen Partnern zusammen, und die einzelne Landeskirche wird immer unwichtiger werden. Dann wird es irgendwann einen Punkt geben, wo man sagt: So, und jetzt lasst uns noch mal neu denken.
Aktuell in offizielle Fusionsverhandlungen zu gehen, scheint mir mit so viel Aufwand verbunden zu sein, dass ich denke: Lasst uns lieber erst mal inhaltlich und kulturell zusammenwachsen und dann sehen, welche Strukturen sich ergeben.
hier sind 4 Gemeinden der evangelischen Kirche zusammengelegt worden.
Aus Kostengründen.
Seit dem hat sich Vieles verändert.
Zum Negativen!
Ich werde dort nicht mehr hingehen.
Es spricht mich persönlich nicht mehr an.
Auch nicht die Pastoren.
Schade , dass es nicht mehr um Jesus geht und um den einzelnen Menschen .
Ganz klar kann sich da nicht mehr um Gemeindemitglieder gekümmert werden….das fällt hinten durch.
Es gibt hier so viele Menschen die wirklich Ansprechpartner bräuchten….leider geht es immer um andere Dinge in der evangelischen Kirche.
Sehr traurig.
LG.
Aus 20 Gliedkirchen kann eine Ev. Kirche in Deutschland werden
Natürlich können auch alle Pfarrer:innen zu Angestellten werden – keine Frage. Und selbstverständlich sollte ein Kirchenbeamter seine Funktion nicht so verstehen wie es der katholische Theologe Eugen Drewermann damals sehr kritisch gegenüber der Katholischen Kirche anmerkte (eher im Sinne von Funktionär, aber nicht radikaler an der Liebe Jesu orientiert). Er dachte als Psychotherapeuth dabei eher an sein Klientel, also seine Priester, die eine Lebensweise führen müssen, die (zumindest teilweise) unendlich entfernt von jenem Menschensohn Jesu ist mit seiner großen Menschlichkeit und Güte. Deshalb sollte Kirche am wenigsten die eigene Organisation relevant sein , sondern daß Menschen Gemeinschaft haben. Und auch unsere katholischen Mitchristen wären glücklicher, samt ihrem hauptamtlichen Bodenpersonal, wenn die Priester und Bischöfe heiraten
dürfen. Damit würde die abenteuerliche Situation beendet, daß Menschen nicht erlaubt wird was allen Menschen die Menschenrechte zugestehen
Im Gegensatz dazu hatte der Beamtenstatus – vielleicht auch im Nachhall zum Dritten Reich und seiner Umdeutung des Christentums – wichtige Schutzfunktion für die Zukunft. Es wäre ja denkbar, daß in einer Zeit weit jenseits der Kirchensteuer, reiche Menschen sich bei der Kirche einkaufen mit großen Zuwendungen und dafür ein ihnen genehmes Evangelium erwarten. Ein alimentierter Kirchenbeamter sollte wie auch die Gemeinde dagegen imun sein, wenigstens in der Theorie. Ich kenne aber eine damals neue Kirche, die ein Großspender der betreffenden Kirchengemeinde praktisch vollständig finanzierte und wer mag da nicht auf dumme Ideen kommen, wenn diese milde Gabe von jemand kam, der eigentlich mit Kirche und Glauben nichts anfangen konnte.
Viel brisanter wäre, wenn man anstelle einer noch übersichtlichen Struktur von Kirche und Gemeinde nicht, wie teils auch auf katholischer Seite, Megagemeinden schafft, wo ganze Gemeindeteile aus Menschen bestehen, die sich normalerweise nie an einem Ort begegnen und in denen dies jedes Soziogramm auch beweisen würde. Auch kann man kritisch damit umgehen, daß Ev. Pfarrer:innen nicht mehr einen oder mehrere Orte vertreten, sondern ganze Landschaften des Glaubens. Da werden möglicherweise sehr viele unklare und auch Doppelstrukturen entstehen. Dass der Berliner Flughafen solange nicht fertig wurde hatte seine Ursache darin, daß eine von Menschen geschaffene Organisationsstruktur ab einer bestimmten Größe nicht mehr stabil bleibt, also damals wie der berühmte Turmbau zu Babel an eigener Überfülle implodiert. Deshalb brauchte man auch für Brücken und andere Konstruktionen jemand, der ihre Statik im Blick hat. Wenn Religionsdiener nur noch von Sitzung zu Sitzung fllitzen, ist dies für unsere Christlichkeit, für die Kirche und auch für die Menschen als Kirchenmitglieder und Angestellte auch nicht wirklich gut.
Am sinnvollsten scheint mir, neben einer Reform an Haupt und Gliedern die übersichtlich bleibt, wenn die 20 evangelischen Landeskirchen zu einer Ev. Kirche in Deutschland werden. Die theologischen Lehrgründe, die damals zu dieser Einheit in einer sehr großer Vielfalt führten, sind heute im Toleranzbereich, in denen Unterschiede nicht schaden. Es gibt ja mindestens drei große Reformatoren und noch mehr kleinere und was sie dort lehrten, widerspricht sich niemals grundsätzlich. Was wir aber brauchen ist die viel mehr gelebte Ökumene, eine große geistliche Konzentration auf Kernaufgaben und Kernkompetenzen, die Evangelisation und eine Reform an Haupt und Gliedern der Kirche/n. Aus einem geistlichen Feuer der Urgemeinde wurde im Laufe der Jahrhunderte eine zumeist lahme Ente, die nicht so recht immerzu weiß, wie viele Eier sie legen soll. Kirche sollte sich auch in einer kritischen Partnerschaft mit dem Staat befinden und sich vor dem Hintergrund der Botschaft Jesu, etwa auch in seiner Bergpredigt, nicht unpolitisch sein und sich beispielsweise für eine menschliche Flüchtlingspolitik einsetzen. Es ist möglicherweise viel sinnvoller, eigene kirchliche Arbeitsfelder mit den Aktivitäten anderer Institutionen und Organisationen zu vernetzen, als alles unter eigener Regie selbst zu betreiben. Wenn Christinnen und Christen Salz der Erde sind, dann sind sie auch im Beruf aufgehoben und werden ihrer christlichen Identität ebenso gerecht, wenn nicht jedes Krankenhaus kirchlicher Träger ist. Genauso wie Gläubige sich auch in Parteien betätigen. Wer zuviele Aufgaben schultert, kann keine richtig betreiben. Für Kirchen gilt wie für jeden Einzelnen: Wenn ich mehr tun möchte, muss ich weniger anstreben zu tun.