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Ich bin gern Pfarrer!

Pfarrer sein ist nicht leicht – manchmal wird Marcus Tesch für seinen Beruf bemitleidet. Trotzdem kann er sich keinen schöneren vorstellen. Er schildert, was ihm in seiner Arbeit in der Kirche Kraft gibt.

Von Marcus Tesch

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In diesem Jahr jährt sich meine Ordination zum 25. Mal. So lange ist es mittlerweile her, dass mir meine Kirche die Rechte verlieh, das Wort Gottes offiziell zu verkünden. Davon habe ich in den vergangenen 25 Jahren in meinem Dienst als Pfarrer reichlich Gebrauch gemacht. Und aus unterschiedlichen Gründen scheint es mir, als ob diese Aufgabe nicht kleiner, sondern eher größer geworden ist – und vermutlich auch noch wird!

Kein Zuckerschlecken

Ich will ehrlich sein: Die Arbeit als Pfarrer ist nicht immer ein Zuckerschlecken – und war es auch nie. Als Person der Öffentlichkeit stehst du oft im Rampenlicht. Du erfährst Lob und Kritik. Die Arbeitsbedingungen der ständigen Verfügbarkeit lassen wenig Zeit für persönliche Hobbys. Die Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Kirche kosten unglaublich viel Kraft. Und die aktuellen gesellschaftlichen Kulturkämpfe rauben zusätzliche Energie. Und dabei bin ich trotz des geistlichen Amtes eben auch nur ein Mensch.

Gleichzeitig ist der Dienst als Pfarrer für mich auch der schönste Beruf, den ich mir denken kann: Die Schönheit Gottes und der Menschen immer wieder zum Leuchten zu bringen, selbst in schwierigen und traurigen Lebensbedingungen. Begegnungen zu erfahren und Gemeinde erleben. Mir geht so oft das Herz auf, wenn ich an die unterschiedlichen Erlebnisse in meiner Tätigkeit denke.

Oft glaube ich, wie unter einem Brennglas fokussiert sich in meinem Beruf, was auch Kirche, Gemeinden und viele Gläubige bewegt: unglaubliche Begeisterung und wiederkehrender Frust. Nein, ich gebe sie noch nicht auf, die Kirche. Sooft ich auch schon entnervt und enttäuscht auf Strukturen und Rahmenbedingungen geblickt habe: Sie ist viel besser als ihr Ruf. Aber eins ist mir auch klar geworden: Ohne Leidenschaft und Begeisterung, Freundlichkeit und Engagement, Menschenliebe und Gottvertrauen geht es nicht.

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Was aber gibt mir die Kraft für meine Arbeit in der Kirche? Was lässt mich trotz aller Sorgen zuversichtlich in die Zukunft blicken? Ich schreibe mir zu, realistisch zu sein. Nicht übermäßig euphorisch, aber auch nicht larmoyant. Als ein Mensch, der sich der sogenannten Generation X zuordnet, liegt das vielleicht nahe, kritisch auf die sich auch in Kirche wiederholenden Stereotype zu blicken. Weder den progressiven Heilsversprechen nachzulaufen noch den Untergang des christlichen Abendlandes zu beschwören.

1. Fasziniert von Jesus

Was mich also stärkt und mir Kraft verleiht: Da ist zunächst die Faszination an der Person Jesus. An Jesus, der menschgewordenen Liebe Gottes und der den Tod überwindenden Liebe Gottes. Beides: Wie Jesus als Mensch gelebt habt – und dass er vom Tod auferstanden ist. Das ist für mich Quelle, Inspiration, Kraft meines Glaubens. Mich wundert manchmal, dass in vielen Andachten und Predigten so wenig von Jesus vorkommt. Ich könnte das nicht. Das klingt viel „pietistischer“, als es gemeint ist. Aber ohne diese Faszination, die wenigstens immer unterschwellig da ist, könnte ich meine Arbeit nicht tun und hätte Kirche für mich auch keinen Sinn.

2. Gelassener Umgang mit der Bibel

Eine weitere Kraftquelle für mich ist nach wie vor die Bibel. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber nicht. Ich habe mich sehr lange mit der sogenannten „Schriftfrage“ herumgequält. Also mit der Frage, welche Autorität besitzt die Bibel. Und ich habe heute einen ziemlich gelassenen Umgang mit der Bibel – und gerade das macht sie für mich so wertvoll. So wundervoll. Nicht jede ihrer Aussagen verteidigen zu müssen, ja gar zu verstehen müssen. Aber die Geschichte von dem liebenden Gott, der seine Schöpfung und seine geliebten Menschen nach Hause bringt, ist für mich das größte und einzigartige „Narrativ“ überhaupt. Und das gibt nicht nur mir einen Rahmen, sondern das ist auch für mich der Rahmen, der mein Handeln in der Gemeinde prägt.

3. In Beziehungen auftanken

Für mich persönlich ist auch meine Familie eine unglaubliche Kraftquelle. Nein, weder als Ehemann noch als Vater habe ich alles richtig gemacht. Es ist eher ein Wunder, dass wir als (Pfarr)familie mit nur wenigen Schrammen durch die rauen Wasser gekommen sind. Die evangelische Kirche rühmt sich ja, kein Zölibat zu haben. Gleichzeitig wünschen sich aber manche Gemeinden Pfarrpersonen, die ihre Ehepartnerin oder ihren Ehepartner samt Familie gegenüber den Anliegen der Gemeinde hintanstellen. Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, wenn ich auf meine mittlerweile zwei Enkelkinder sehe und das Glück begreife, dass wir uns als Familie niemals entfremdet haben. In manchen Momenten spüre ich besonders, wie viel mir dies bedeutet. Und was ich implizit schon immer wusste: dass Menschen und Beziehungen das Wichtigste sind, was Gott uns in dieser Welt geschenkt hat.

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4. In der Gemeinde leben

Eine weitere Kraftquelle ist für mich die Gemeinde. Ich weiß nicht, ob es einen anderen Beruf gibt, in dem man mit so viel positivem Feedback belegt wird wie diesen. Wie oft hört der Lokführer oder die Bäckereiverkäuferin: Das hast du gut gemacht? Das macht es leichter, auch Kritik anzuhören, die ja keinesfalls immer unberechtigt ist. Mein Motto lautet: Ich lebe als Pfarrer in meiner Gemeinde (und nicht: Ich bin der Pfarrer dieser Gemeinde). Meine Erfahrung sagt mir, dass die klassischen Auf­gaben des Pfarrdienstes nach wie vor unter Gemeindeleuten einen großen Stellenwert haben: die Taufen, die Trauungen, die Beerdigungen, Seelsorge, Besuche, Gespräche auf der Straße, das freundliche und zugewandte Hinhören und Lächeln und – ganz klar – Gottesdienste mit leiden­schaftlicher Predigt. Ich bin gern mit Menschen zusammen.

Ich möchte meine Erfahrung nicht zum Maßstab für das ganze kirchliche Leben nehmen. Aber ich bin doch verblüfft, wenn diese eher traditionelle Form der Gemeindearbeit etwas mitleidig betrachtet wird. Tolle Projekte, die ich auch in meiner Gemeinde erlebt habe, sind oftmals doch eher Strohfeuer. Langfristig und nachhaltig scheint mir eher das verlässliche und hochwertige konstante Angebot zu sein.

5. Ein Leib, viele Glieder

Eine sehr wichtige Kraftquelle ist für mich eine gute Arbeitsteilung in der Gemeinde. Ich bin sehr froh, Teil eines guten Teams zu sein. Zwar haben manche, mittlerweile sehr wenige, noch das Bild des Pfarrers als Allzuständigen vor Augen, der für alles verantwortlich ist und auch alles machen muss. Aber dieses Bild bröckelt schon länger aus unterschiedlichen Gründen. Ich bin weder Betriebswirt noch Handwerker. Weder Steuerfachmann noch Rettungssanitäter. Manchmal erschreckt es mich schon, was Menschen im Pfarrdienst oft alles zugemutet wird. Es ist aber umgekehrt auch erstaunlich, wie viele im Pfarrdienst sich selbst in verschiedenen Bereichen etwas zutrauen, in denen auch sie nur Laien sind. Leider atmen unsere kirchlichen Strukturen heute an vielen Stellen noch den alten Geist, in denen Personen mit ihrer Ordination Verantwortung und Kompetenzen zugesprochen werden, die sie gar nicht alle besitzen können.

Mich befreit es sehr zu wissen, dass ich mich im Pfarrdienst besonders den Dingen widmen kann, für die ich ausgebildet wurde und für die ich eine Begabung habe. Und auch für eine Gemeinde ist es ein Segen, wenn sie ein breit aufgestelltes Team besitzt.

6. Lachen gehört dazu

Mich stärkt auch der Humor in meiner Arbeit. Dass ich gern lache und auch über mich selbst lachen kann. Ich brauche diese Distanz zu den schwierigen und manchmal scheinbar so ernsten Dingen, denen ich im Alltag begegne. In unserer Gemeinde wird jedenfalls immer viel gelacht, bei Dienstbesprechungen, im Gottesdienst, in Sitzungen und an vielen anderen Orten. Humor schafft eine Atmosphäre der Leichtigkeit und er hat sogar eine wichtige theologische Bedeutung: Er ist die praktische Seite der Erkenntnis, dass nicht wir Menschen das letzte Wort haben, sondern Gott.

7. Zu sich selbst stehen

Und damit komme ich auch zu meinem letzten Punkt: Eine Kraftquelle ist für mich die Erkenntnis, dass ich mich auf meine Urteilskraft, Begabungen und Kompetenzen verlassen kann. Das klingt vielleicht zunächst hochnäsig. Unwillig, den Rat und die Hilfe anderer anzunehmen. Aber genau das Gegenteil ist damit gemeint.

Ich setze mich gern mit anderen Ansichten auseinander, besonders auch theologischen. Ich lese durchaus gern, wie andere Gemeinde gestalten wollen und welche Ideen sie haben. Oft sind aber theologische Ansichten so dermaßen kontrovers und ideologisch geprägt, dass sie sich gegenseitig ausschließen. Es kann nicht immer alles gleichzeitig richtig sein. Und an den rechten und linken Rändern unserer Gesellschaft und unserer Kirche tummeln sich Menschen mit scheinbar nicht mehr zu diskutierenden Positionen. Aber man kann es niemals allen recht machen.

Ich kann, darf und ich muss mich oft entscheiden, meine eigene Position zu finden. Nur so kann ich selbst auch überzeugend sein. Wenn ich nicht einfach nachspreche, was gerade so angesagt ist. Wenn ich stattdessen auf meine Erfahrung und meine Urteilskraft traue und auch ehrlich zugebe: Das weiß ich jetzt gerade nicht.

Das sind Quellen, aus denen ich Kraft beziehe. Es ist eine sehr persönliche Liste geworden. Und bestimmt vermisst manche und mancher auch etwas darauf. Aber ich wollte ja ehrlich sein, einen unverstellten und keinen frommen vorhersehbaren Blick auf die Kraftquellen meiner Arbeit und meines Lebens werfen. Und vielleicht hilft sie ja auch anderen, die eigenen Kraftquellen zu entdecken und Hoffnung für das eigene Wirken in der Kirche zu finden.

Marcus Tesch ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist seit 2005 Gemeindepfarrer in der Evangelischen Kirchen­gemeinde Wissen (Sieg).


Dieser Artikel ist im kirchlichen Ideenmagazin 3E erschienen. 3E ist wie Jesus.de ein Angebot des SCM Bundes-Verlags.

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5 COMMENTS

  1. Warum braucht man von einer Kirche ein Recht, das Wort Gottes offiziell zu verkünden?
    Ich denke, dass jeder Christ von Gott das Recht und die Pflicht hat, auf seine Weise das Wort Gottes zu verkünden.
    Ach so, das ist dann nicht offiziell? Aber es ist von Gott …

    • Fast alles ist möglich

      Lieber Ulrich Wößner: Jeder darf das Wort Gottes überall verkündigen. Als purer Laie darf ich nach Absprache mit dem/der Pfarrer:in in einer Ev. Kirche vermutlich auch predigen, wenn ich das gut könnte und wenn es idealerweise einen Anlass dafür gibt. Dann gibt es auch noch Lektoren oder Prädikanten, die nach einer kurzen ehrenamtlichen Ausbildung dies auch dürfen. Jede/r ist eingeladen an Gottesdiensten mitzuwirken. In vielen katholischen und evangelischen Kirchengemeinden gibt es dazu Möglichkeiten, oft auch sogar größere Gottesdienstteams. In letzter Zeit habe ich sogar aus katholischen Gemeinden engagierte Laien gesehen, die mit ihrem Diakon, Pastoralreferentin oder dem Priester sehr gute Dialogpredigten gehalten haben, oder sogar alleine predigten. All dies ist möglich und auch sehr gewünscht. Es gilt an vielen Orten nicht mehr: „Selig sind die Bene, die vor dem Alltar stehn allene“! In der Kirche gab und gibt es immer schon viel gute Früchte und auch Inkraut. Aber dies ist der Lauf der Welt.

    • Das Wort Gottes kann jeder verkündigen.
      Entscheidend ist ob man Gott gehorcht und seine Gebote hält.
      Das ist Kirche.

    • Man könnte das als eine Art Qualitätssiegel sehen.

      Das ist so, als wenn Du einen Salat von Bioland kaufst oder einfach von jemanden an der Straße, der Dir sagt, dass der bio ist.

      Beim 1. hast Du eine recht gute Gewähr, weil es auch Kontrollen gibt, beim 2. kann es sein oder auch nicht, Kontrolle gibt es nicht.

      Kaufen kannst Du aber dennoch bei beiden.

  2. Meinungsfreiheit in der Kirche

    „Die Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Kirche kosten unglaublich viel Kraft. Und die aktuellen gesellschaftlichen Kulturkämpfe rauben zusätzliche Energie. Und dabei bin ich trotz des geistlichen Amtes eben auch nur ein Mensch. Ich bin gern Pfarrer“! Neben all dem positiven, auch anregendem und aller Gelassenheit, mit der er seinen Beruf als Pfarrer schildert, nennt Marcus Tesch „den Kulturkampf in der Kirche“! Ich vermute sicher hier nicht zu unrecht, dass dieser Kulturkampf darin besteht, dass eine kleine – wenn auch sehr laute – Minderheit, zumindest virtuell, nach meinem Gefühl und auch ständigen Erleben, die Legitimität der gesamten Ev. Kirche pauschal infrage stellt. Es werden stets die gleichen Narrative wiedergegeben: Die Kirche gehe derzeit unter. Die Ev. Kirche habe immer schon nur ein winziges Quantum an wahrem christlichem Glauben verkündigt. Sie sei – man verzeihe mir den Ausdruck – links-grün versifft. Wahre Gläubige seien nicht in der (Ev.) Kirche. Die Katholischen Bischöfe sollten mal nachsehen wie andere das machen (vermutlich Aufklärung von Mißbrauch, Umgang mit Hierarchie, oder mit was immer auch). Oder manchmal wird auch behauptet, Jesus habe nie eine Kirche gewollt. Letzteres ist sicherlich ein Totschlags-Argument, denn wie die Gläubigen auch heute organisiert sind, kann er nicht gewusst haben. Alles dies nervt mich. Dabei würde ich mich freuen, wieder zu einer toleranten Sachlichkeit zurück zu kehren, oder wenigstens eine Toleranz zu leben, die auch bewussten und ernsthaften Christinnen und Christen erlaubt, gegebenenfalls
    abweichende Meinungen über Kirche und Glauben oder gar über die Politik haben zu dürfen. Dann würde sich die Welt wie ein Paradies anfühlen.
    Warum mich dies nervt: Ich war selbst 38 Jahre Kirchenvorsteher und damit ist mir fast kein kirchlich-gemeindliches Problem unbekannt. Daher tun mir die vielen fleißigen Menschen des himmlischen Bodenpersonals von Herzen leid, die damit pauschal diskreditiert werden. Wir haben aber immerzu Reform- und damit Reformationsbedarf, aber konstruktiv sind hier evangelikal gestimmte Leute in den Echokammern des Internet nicht.
    Da wird meine Freude an einer bunten Glaubenswelt mit ihren unterschiedlichen Zugängen, Traditionen, Stärken und Ideen eher unterirdisch.

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