Im Umfeld einer baptistischen Gemeinde in Frankfurt sind mehr als 100 Menschen positiv auf das Corona-Virus getestet worden. In einer Mitteilung räumt die Gemeinde ein, keine Masken getragen und gesungen zu haben.
Im Umfeld der „Evangeliums Christen Baptisten Gemeinde“ in Frankfurt am Main haben sich zahlreiche Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. „Stand jetzt haben sich mindestens 107 Personen mit Wohnsitzen in Frankfurt und drei weiteren hessischen Landkreisen infiziert“, teilte der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) am Sonntagnachmittag in Wiesbaden mit. Viele der Menschen haben sich nach Angaben des Frankfurter Gesundheitsamtes bei einem Gottesdienst vor zwei Wochen in der Gemeinde angesteckt und später das Virus an Angehörige und Freunde weitergegeben.
Die Gesundheitsämter vor Ort hätten die Kontaktpersonennachverfolgung unmittelbar aufgenommen, das Land stehe mit ihnen in enger Verbindung, erklärte Klose. Gegebenenfalls würden Quarantänemaßnahmen ergriffen, um mögliche Infektionsketten zu unterbrechen.
Wenige Betroffene im Krankenhaus
Der stellvertretende Vorsitzende der Frankfurter Evangeliums-Christen-Baptisten-Gemeinde, Wladimir Pritzkau, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Gottesdienst sei am 10. Mai gewesen. Wie viele Menschen daran teilgenommen haben, könne er nicht mehr sagen. Die meisten der infizierten „Geschwister“ seien zu Hause, einige wenige Betroffene befänden sich im Krankenhaus.
Er könne sich den Corona-Ausbruch nicht erklären, sagte Pritzkau, denn die Hygiene- und Abstandsregeln seien eingehalten worden. Als Konsequenz habe die Gemeinde alle Versammlungen im Bethaus abgesagt.
*Update: In einer Stellungnahme auf ihrer Webseite wurde die russlanddeutsche Gemeinde nun genauer. So seien separate und kontrollierte Ein- und Ausgänge genutzt, ausreichend Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt und der Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten worden sowie entsprechende Hinweisschilder angebracht gewesen. Jedoch: „Im Nachhinein betrachtet wäre es für uns angebracht, beim Gottesdienst Mund-Nasen-Schutz-Bedeckungen zu tragen und auf den gemeinsamen Gesang zu verzichten“, heißt es dort ebenfalls.*
Nichts Illegales gemacht
Über den Fall hatte zuerst die „Frankfurter Rundschau“ berichtet. Der stellvertretende Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, Antoni Walczok, hatte im Gespräch mit der Zeitung von einem „sehr dynamischen Geschehen“ gesprochen. Gleichzeitig betonte er, dass die Gemeinde nichts Illegales unternommen habe.
Anders als etwa in der Gastronomie sei eine Registrierung der Besucher mit Namen und Adresse keine Pflicht. Nur das Abstandsgebot und die Hygieneregeln müssten eingehalten werden. Es gebe keine Richtlinien zur Teilnehmerzahl. „Es gab keine Verletzung einer Rechtsverordnung“, stellte der Vize-Amtsleiter klar.
Virus ist weiterhin da
„Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle – gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden – wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden“, sagte Klose. „Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten. Unser bester gemeinschaftlicher Schutz ist das Einhalten der Hygiene-, Abstands- und Mund-Nasen-Schutz-Regeln.“
Mindestens 16 der infizierten Personen stammen aus Hanau. Als Reaktion verboten die Stadtverwaltung und der Main-Kinzig-Kreis ein für Sonntag in einem Hanauer Stadion geplantes Fastengebet muslimischer Institutionen zum Ende des Ramadans. Angesichts der jüngsten Entwicklungen beim Infektionsgeschehen in Hanau sei das Risiko zu groß, begründete Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) den Beschluss.
Behutsamer Gottesdienst
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau reagierte mit Bedauern auf den Corona-Ausbruch in der Baptistengemeinde. „Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen Gemeindemitgliedern“, sagte der Pressesprecher der Kirche, Volker Rahn, am Sonntag in Darmstadt. In der Landeskirche seien bisher keine vergleichbaren Vorfälle bekannt. Die Gemeinden hätten „sehr behutsam und sorgsam“ damit begonnen, ihre öffentlichen Gottesdienste ab Mai wieder aufzunehmen. Dazu sei ihnen ein mit dem Robert Koch-Institut abgestimmtes Schutzkonzept zugegangen.
Religiöse Versammlungen sind in Hessen seit dem 1. Mai unter Auflagen wieder erlaubt. So muss in Kirchen und anderen Gotteshäusern der Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den Menschen eingehalten werden, nötig sind zudem weitere Hygienemaßnahmen wie das Aufstellen von Desinfektionsspendern. (epd/nate)