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Gemeindehäuser: Darf es noch ein bisschen mehr Ästhetik sein?

Wenn man meine Liebe zu schönen Dingen positiv betrachtet, kann man sagen, dass ich Ästhetin bin. Kritischer ausgedrückt bedeutet es, dass ich manchmal ganz schön oberflächlich sein kann. Wenn die Gemeinde vollmundig „What a beautiful name“ singt und die Liedfolien dazu aussehen, als wären sie im letzten Jahrtausend überarbeitet worden, lenkt mich das ab. In solchen Momenten frage ich mich, woher wir diese Folien haben, wer sie gestaltet hat, was das für ein Bild nach außen abgibt und ob so Menschen zu Jesus finden. Wenn Gott doch schön ist und einen schönen Namen hat, wie wir (theologisch einwandfrei) singen, wieso sehen dann Gemeinden oft aus wie die hässlichsten Secondhandläden der Welt?

Von Fabienne Iff

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Was ich damit meine: Die Ältesten, die man 1978 mit der Einrichtung der Räume beauftragt hat, haben es sicherlich gut gemeint, als sie die moosgrün gepolsterten Stühle auswählten. War halt in Mode. Und alle, die beim Umzug ins Altersheim ihre Sofas der Gemeinde vererben, wollen bestimmt mithelfen. Genauso war es mit dem Wandtattoo im Jugendraum und den verschiedenen Leinwänden zu den Früchten des Geistes aus Galater 5, die beim Eingang hängen: Man hat sie 2004 in einer Verschönerungsaktion angebracht,

Bild: pixabay

um der Gemeinde eine eigene Note zu verleihen. Das Problem dabei ist, dass sich dieses Chaos 2018 nicht einfach durch einen weiteren „kreativen“ Menschen bändigen lässt. Mag sein, dass die 57-jährige Ruth-Ursula eine Ausbildung für Farb- und Stilberatung gemacht hat und ein ausgesprochenes Händchen dafür besitzt, Toiletten mit Sand, Glassteinen und Kunstblumen zu dekorieren. Aber sie ist die Falsche, wenn der Jugendleiter in einem Anflug von Enthusiasmus die Gemeinde „aufpeppen“ will. Das Zusammenspiel der beiden führt dazu, dass die Stühle lindgrün gepolstert werden und eine Wand garantiert einen warmen Gelbton erhält – natürlich mit der Begründung, dass diese Farben dem Raum etwas Freundliches, Frisches und „doch Freches“ verleihen. Daran, dass dieser Frischekick hauptsächlich Ruth-Ursulas Geschmack entspricht und Teenager nach einer Stunde Arbeit einfach nur noch hässlich streichen, hat natürlich keiner gedacht.

„Weshalb glauben wir, dass der Mist, den wir Zuhause nicht mehr brauchen, ausreicht für den Jugendraum?“

Wenn ich alte Kirchen anschaue, hat man talentierte Künstler engagiert: Im Italien der Renaissance wurde Michelangelo für Fresken in Kirchen beauftragt – ein Star seiner Zeit. Als man nach dem zweiten Weltkrieg die zerbombte Gedächtniskirche in Berlin als mahnendes Denkmal behielt, suchte man einen professionellen Architekten, der diese würdevoll in Szene setzen würde. Egon Eiermann gewann die Preisausschreibung und bezeichnet die Gedächtniskirche als sein Lebenswerk. Er war Mitglied an der Akademie der Künste und hat einen Orden bekommen für seinen Verdienst in Kunst und Wissenschaft. Für die eindrucksvollen blauen Glasmosaike wurde gar ein französischer Spezialist engagiert. Restposten war nicht! Gottes Herrlichkeit sollte gewürdigt werden.

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Michelangelos Darstellung von der Erschaffung des Adam (Bild: pixabay / GLady)

Wie viel von dieser Ehre bleibt übrig, wenn wir unsere Gemeinden ehrlich unter die Lupe nehmen? Haben wir vergessen, was die Kirche verkörpert? Klar hat sie nicht dieselbe Rolle wie Gottes Tempel früher, doch bis heute versammeln wir uns in diesen vier Wänden, um Gott anzubeten. Noch heute kommen Menschen, die eigentlich nichts mit Gott zu tun haben wollen, und erhalten einen ersten Eindruck. Weshalb glauben wir, dass der Mist, den wir Zuhause nicht mehr brauchen, ausreicht für den Jugendraum? Weshalb diskutieren wir ausführlich in Sitzungen, wo die Bluse der Gottesdienstmoderatorin geschlossen werden soll, aber scheren uns nicht, wenn der Flyer, den wir Freunden weitergeben sollen, einfach nur kacke aussieht? Ich verstehe, dass Menschen unabhängig vom Aussehen zum Herrn Jesus finden. Ich weiß, dass wir überall, auch in Wohnzimmern und Hotels, lobpreisen können. Aber ich finde nicht, dass dieses Argument jedes Mal als Ausrede gelten darf.

Das Weihnachtswunder

Ich könnte ewig so weiterschreiben, wäre letzte Weihnachten nicht etwas passiert. Gemeinsam mit meinem Großvater saß ich in der Weihnachtsmesse der katholischen Kirche. Ich liebe alles daran: die unbeschreibliche Höhe des Raums, die Stuckaturen und Malereien, der Duft des Gemäuers, der sich mit einem Hauch von Weihrauch und den brennenden Wachskerzen mischt, dazu der Chor, das Streichquartett und natürlich der große Baum vorne am Altar. Würde pur! Doch während wir wohlig auf den Kirchenbänken saßen, fiel mir auf, wie wenig das mit dem eigentlichen Anlass unseres Zusammenkommens – der Geburt von Jesus – zu tun hatte. Und ich sehnte mich in dieser barocken Jesuitenkirche nach dem verdreckten Stall und dem Staub der Straße. Ich sehnte mich inmitten der bürgerlichen Elite, die es an diesem Abend in die Christmette geschafft hatte, nach dem Abschaum der Gesellschaft, mit dem Jesus abgehangen hatte.

Bild: pixabay

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Einrichtung kann etwas von Gott widerspiegeln, aber er wird längst nicht nur dort angemessen repräsentiert, wo es herrlich und schön ist. Es gibt auch ein zu viel an Ästhetik – und zwar dort, wo sie in eine Theologie abdriftet, in der Gott nie leidet, sondern nur als starker Held und Sieger dargestellt wird. Wo der Wohlstand oder die eigene Hippness als Kennzeichen eines guten Christenlebens ausgestellt wird. Wer sich jeden Sonntag zwei Stunden vor den Spiegel stellt, um Gott die Ehre zu geben, wäre nicht schlecht beraten, dieselbe Zeit in eine Suppenküche zu investieren.

 

Wie der Jesuitenpater an Weihnachten predigte: „Das Kind in der Krippe bildet die Mitte!“ Jede Kirche, so schön sie ist, ist hohl und leer ohne Jesus. Unser „Style“ kann Menschen helfen, den Zugang zu Gott zu erleichtern. Aber er ist keine Bedingung dafür, dass Gott wirkt. So zeitlos die Botschaft von Jesus ist, so sehr drücken wir sie durch unsere Kultur aus. Auch unsere heutigen Vorlieben werden der Generation nach uns miefig erscheinen. Sie werden über die die geometrischen Formen, die Eukalyptuszweige und den Restbestand ultravioletter Servietten lachen, die der Pantone-Farbe des Jahres 2018 entsprachen. Gut, dass Jesus in alledem derselbe bleibt.

Ich bin trotzdem dafür, dass Ruth-Ursula ihre glitzernden Schmetterlinge nur noch Zuhause aufstellt. Oder zumindest in „Roségold“ ansprüht.

 


Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin DRAN NEXT erschienen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

 

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