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Als evangelischer Christ auf dem Katholikentag: Ein Selbstversuch

Chris Pahl ist Projektleiter für das Christival 2022, vorher war er viele Jahre lang Jugendreferent bei crossover, der überkonfessionellen Jugendarbeit des Marburger Kreises. Zum Katholikentag ist er, wie er ganz offen sagt, nicht ohne Vorurteile gefahren. Bei uns erzählt er von seinem Selbstversuch, von Ökumene, Friedensboten und Jesus.

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Von Chris Pahl

Ich stellte mir das abenteuerlich vor: Benebelt von den Weihrauchschwaden laufe ich durch eine Stadt voller Männer in unbekannten Gewändern. An jeder Ecke werde ich in Beichtstühle gezerrt oder mit Rosenkränzen beworfen. Wie so oft, ist das reale Leben langweiliger als man denkt und meine Vorurteile übertrieben und doof.

Nun stehe ich mitten auf dem Münsteraner Domplatz, um mich herum 25.000 Katholikentags-Teilnehmende. Gerade spricht unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ein, wie er selbst sagt, „bekennender evangelischer Christ“. Er bezeichnet den Katholikentag als „Kraftquelle für Christen“ und ruft zu einer „größeren Offenheit für die Ökumene“ auf. Da stehe ich nun, singe mit, bete mit und fühle mich so gar nicht fremd. Bis auf das purpurne Gewand des Bischofs könnte das hier genauso die Eröffnung des evangelischen Kirchentages sein. Nach der Eröffnung wird bei Bier und Currywurst ein fröhlicher Abend auf sechs Bühnen in der Stadt gefeiert. Und laut einem Dauerbesucher der evangelischen und katholischen Kirchentage ist das schon ein Unterschied: „die Katholiken“, sagt der Baptistenpastor, „sind etwas lockerer und fröhlicher“. Dies bestätigt auch der evangelische Religionspädagoge und Kabarettist Tobias Petzoldt. Er empfindet eine größere Offenheit für Humor bei den Katholiken. Aber auch Petzoldt, der mit seiner Gruppe „zwischenFall“ auf evangelischen und katholischen Kirchentagen präsent ist, bestätigt, dass sich die Programme kaum unterscheiden.

„Suche Frieden“ ist das Motto des Katholikentags in Münster. Und traditionell spielen politische und gesellschaftliche Themen eine große Rolle. Während das Suchwort „Politik“ in der App 263 Treffer liefert, sind es bei Jesus 17. Noch ein Test: 78 Mal wird der Begriff „Ökumene“ gefunden. Thomas Andonie, der Bundesvorsitzende des katholischen Jugendverbandes BDKJ, betont die Bedeutung dieses Themas: „Es ist jungen Menschen nur noch schwer zu erklären, wo genau die Unterschiede zwischen den beiden Kirchen liegen“. Trotzdem benennt Andonie theologische und liturgische Fragen als noch sichtbare Differenzen. Die Vorstellung, dass es langfristig nur noch ökumenische Kirchentage geben könnte, fände er ein „starkes Signal“.

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Chris Pahl (li.) mit Thomas Andonie (Foto: Chris Pahl)

Mir als evangelischem Christen macht Andonie Mut, neugierig auf der Suche zu sein. Und er beschreibt etwas, was ich auch spüre: Großevents wie Kirchentage oder auch das Christival, sind für das Glaubensleben junger Menschen prägend. Ich wandere durch die Kirchenmeile – der „Markt der Möglichkeiten“ auf katholisch – und entdecke viele Werke, Verbände und Vereine, von denen ich noch nie gehört habe. Die katholische Szene ist, wie die evangelische und auch die evangelikale, eine eigene Subkultur. Obwohl ich dachte gut vernetzt zu sein, treffe ich hier fast niemanden, den ich kenne. Gut bekannt sind mir die Stände von IDEA, dem ERF oder der Evangelischen Allianz. Letztere ist zum ersten Mal auf einem Katholikentag dabei. Auch sie sucht das Gespräch mit „der anderen Seite“. Dann treffe ich noch Johann, er ist katholisch und unzufrieden. Ihm fehlt die „Mitte des Glaubens“: Jesus und die persönliche Nachfolge.

Beim großen Himmelfahrtsgottesdienst ist Jesus deutlich Thema. Allerdings erlebe ich hier hier auch die angesprochenen liturgischen Unterschiede. Warum man die Bibel erst „räuchern“ muss und wieso die Vorbereitung auf das Abendmahl so lange dauert, erschließt sich mir als Protestanten nicht ganz. Aber hier in diesem Gottesdienst prägt sich auch ein Bild fest bei mir ein und berührt mein Herz: Über 100 „Friedensboten“ werden von vorne unter die 25.000 Besucher ausgesandt und verkünden Friedensbotschaften wie: „Ihr werdet die Kraft des Geistes empfangen“ oder „Ihr werdet meine Zeugen sein“. Und so schallen diese Friedensrufe über den gesamten Schlossplatz. Und auch in mir erklingt der Wunsch nach Frieden, auch gerade unter den Konfessionen. Diese Welt um den Schlossplatz herum braucht keine frommen Grabenkämpfe, sondern echten Frieden. Und da bin ich wieder ganz bei Johann: Dieser Frieden braucht die versöhnende Kraft des einen, den man auch auf dem Katholikentag viel häufiger findet als 17 Mal.


Ein ausführliches Interview von Chris Pahl mit Thomas Andonie, dem Chef des katholischen Jugendverbandes  BDKJ, wird demnächst in der Zeitschrift DRAN NEXT veröffentlicht. DRAN NEXT wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

QuelleJesus.de

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